| # taz.de -- Netzwerk der AfD-Vize-Chefin: Von Storchs Datenimperium | |
| > Eine Netzaktivistin durchwühlte das Darknet der von Storchs. Jetzt | |
| > ermittelt Berlins Datenschutzbeauftragte. Es geht um rechte Propaganda. | |
| Bild: Big Beatrix is watching you | |
| Berlin taz | Katharina Nocun hat tief gegraben. Monatelang hat die | |
| Netzaktivistin Internetseiten mit Verbindungen zu AfD-Vize Beatrix von | |
| Storch durchforstet. Die Piratenpolitikerin wollte wissen, wie die | |
| Frontfrau des religiös-konservativen Parteiflügels, die gegen Abtreibungen | |
| mobil macht und gerne vor „Genderfanatikern“ warnt, im Netz organisiert | |
| ist. Was es überhaupt mit ihrem Verein [1][„Zivile Koalition“] auf sich | |
| hat, dessen Geschäfte von Ehemann Sven geleitet werden. Und warum dieser | |
| auch im Impressum der Seite abgeordneten-check.de auftaucht: einer | |
| Petitionsplattform, die behauptet, „weder parteilich noch an bestimmte | |
| Interessengruppen gebunden“ zu sein. | |
| Für all diese Fragen fand Nocun eine klare Antwort: Die von Storchs | |
| herrschen über ein „Daten-Imperium“. Es besteht aus einem Geflecht aus | |
| Vereinen und Internetseiten, das laufend politisch sensible Daten | |
| hunderttausender User aufsaugt, die mit Forderungen der AfD symphatisieren. | |
| Ihre Recherchen haben inzwischen die Berliner Beauftragte für Datenschutz | |
| alarmiert. | |
| Der Verdacht: Von Storch hat die Daten rechtswidrig ausgetauscht, | |
| möglicherweise auch unerlaubt an Dritte weitergeben. Eine Stellungnahme von | |
| Beatrix von Storch sei bereits erbeten worden, heißt es auf Anfrage der | |
| taz. „Auf dieser Grundlage werden wir den Fall juristisch bewerten“, sagt | |
| Anja-Maria Gardain, Pressesprecherin für Datenschutz und | |
| Informationsfreiheit in Berlin. Über Einzelheiten gibt es im laufenden | |
| Verfahren keine Auskunft. | |
| Wie bei allen Briefkastenkonstruktionen ist der Fall komplex: Nocun, | |
| ehemalige Geschäftsführerin der Piraten, ist eher zufällig auf das | |
| weitereichende Geflecht von AfD-nahen Webadressen gestoßen. Anfang des | |
| Jahres stolperte sie über „civil-petition.de“ und „abgeordneten-check.de… | |
| beides Seiten, die auf den ersten Blick an etablierte | |
| Bürgerbeteiligungsplattformen wie etwa „open-petition.de“ erinnern. Doch | |
| schon die Titel der Begehren lassen wenig Raum für Interpretationen: | |
| „RECHTSTAAT NICHT SCHARIA“ oder “FRAU MERKEL TRETEN SIE ZURÜCK!“ laute… | |
| schrillen Forderungen, die User dort unterzeichnen können. | |
| ## Die Reichweite ist groß | |
| Über 360.000 Unterschriften sammelte die Rücktrittsforderung an die | |
| Bundeskanzlerin. Was die Piratenpolitikerin schließlich noch skeptischer | |
| machte: Verantwortlich für die Seiten „civil-petition.de“ und | |
| „abgeordneten-check.de“ zeichnet ein Mann, dessen Name immer wieder | |
| auftaucht: Sven von Storch. | |
| Aus Neugier registrierte sich Katharina Nocun für den Newsletter von | |
| „civil-petition.de“. Wenig später erhielt sie per Email einen | |
| Spendenaufruf. Im Absender: Beatrix von Storch. Das Foto ihrer Bürotür ist | |
| zu sehen, auf die Unbekannte das Graffiti „Refugees Welcome“ gesprüht | |
| haben. Daneben ätzt von Storch gegen die „linken Bessermenschen“ und | |
| fordert die Empfänger auf, „einen Beitrag zur Sicherheit unseres Büros“ zu | |
| leisten. „Wir freuen uns über ihre Spende“, schreibt die AfD-Vizechefin, | |
| per Scan eingefügt: ihre handschriftliche Signatur. Wie kann es sein, dass | |
| Nocun plötzlich Post von Beatrix von Storch bekommt? Darf Sven von Storch, | |
| Verantworlicher der Plattform „civil-petition“ Nocuns Namen und Mailadresse | |
| ohne Hinweis weiterreichen? | |
| Nein, ist sich die Piratin sicher: „Ich gehe von einer rechtswidrigen | |
| Weitergabe meiner Daten im Vereinsgeflecht der von Storchs aus.“ Die | |
| Recherchen dazu hat die Netzaktivistin auf ihrem Blog [2][kattacha.de] | |
| offen gelegt. Ihre Kritik: In den Datenschutzerklärungen der Seite | |
| „civil-petition.de“ sei garantiert worden, dass Daten nicht an Dritte | |
| weitergegeben werden. Darüberhinaus zeichnet der von Beatrix von Storch | |
| gegründete Verein „Zivile Koalition“ für die Seite verantwortlich, dessen | |
| geschäftsführerender Vorstand ihr Mann Sven ist. Im Absender von Nocuns | |
| Email tauchte jedoch der Name eines zweiten Vereins auf, der ebenfalls von | |
| Sven von Storch gelenkt wird: „Bürgerrecht Direkte Demokratie.“ | |
| Aus Sicht der Netzakivistin, die lange Zeit als Datenschutzexpertin der | |
| Piraten tätig war, ist diese Datenweitergabe rechtswidrig: Hinter den Namen | |
| und Email-Adressen der Unterstützer von „MERKEL TRETEN SIE ZURÜCK!“ stehen | |
| politische Überzeugung, also sensible Daten, für die nach dem | |
| Bundesdatenschutzgesetz verschärfte Regeln gelten. „Nur weil die von | |
| Storchs viele Vereine haben, heißt das nicht, dass sie die Daten der | |
| Vereine untereinander tauschen dürfen.“ | |
| ## Das Darknet der von Storchs | |
| Tatsächlich steuern die von Storchs zahlreiche Internetseiten, Blogs und | |
| Petitionsplattformen, herrschen über eine Art Darknet der AfD. Neben | |
| „civil-petition.de“, „abgeordneten-check.de“, tauchen auch unter der Do… | |
| „bürgerrecht-direkte-demokratie.de“ nahezu diesselben Petition auf, die per | |
| Mail direkt an Bundestagsabgeordnete versandt werden. Seit Jahren üben die | |
| von Storchs damit „Druck auf Parlamentarier aus“, wie das Magazin Cicero | |
| vorgerechnet hat: „Allein seit 2011 gingen 1,7 Millionen E-Mails über die | |
| Plattform an den Bundestag.“ | |
| Ähnlich aggressiv verbreitet die verborgene Propagandamaschine von Storchs | |
| Anti-Abtreibungs-Kampagnen und schwulen- und lesbenfeindliche Positionen im | |
| Netz. Auf den Seiten „Entscheidung fürs Leben“ und die „Initiative | |
| Familienschutz“ hetzt von Storch gegen „familienfeindliche Propaganda“ und | |
| „homosexuelle Familienformen“, die ein „Naturrecht“ untergraben würden. | |
| AfD-Symphatisanten finden dort Buchtipps über autoritäre Kinderziehung, | |
| Blogeinträge über den grassierenden „Genderwahn“ und obendrein noch | |
| feingeistige Poesie für den rechtskonservativen Biedermeier: „Ein Fisch ist | |
| kein Fahrrad und ein Mann ist keine Frau.“ | |
| Mit den weitreichenden Verzweigungen der „Zivilien Koalition“ hat sich der | |
| Rechtsextremismusforscher Andreas Häusler ausführlicher beschäftigt. In | |
| seiner [3][Anfang 2014 veröffentlichten Studie] „Mut zur Wahrheit“ | |
| charaktersiert der AfD-Experte den Verein als Plattform „marktliberaler und | |
| erzkonservativer Positionen“, die Rede ist gar von einer deutschen | |
| „Tea-Party“-Bewegung. | |
| Sven von Storch sticht als eine Art Webmaster der Neokonservativen hervor. | |
| Flaggschiff seiner Internetarmada ist die „Freie Welt“, eine „Internet & | |
| Blogzeitung für die Zivilgesellschaft“. Regelmäßig bloggen die von Storchs | |
| dort gegen die „Mainstreampresse“, auch Karl Feldmeyer, ehemaliger | |
| FAZ-Autor, der heute regelmäßig für die Junge Freiheit schreibt, fühlt sich | |
| dort wohl. Der Autor wird ebenfalls als Beiratsmitglied der Plattform | |
| abgeordneten-check.de genannt. | |
| ## Von Storchs haben reagiert | |
| Nocun vermutet: Newsletterabonnenten dieser Seiten landen auf der Liste | |
| potenzieller Spender für von Storchs AfD-„Think Tank“. Namen und Emails der | |
| User wurden nach ihren Recherchen auch unerlaubt an Dritte, einen externen | |
| Dienstleister zur Mailversendung weitergeleitet. „Die AfD-Spitzen grenzen | |
| sich von etablierten Parteien gerne als Law-and-Order-Politiker ab, die auf | |
| Recht und Gesetz pochen“, sagt die Netzaktivistin. „Nur sind die Bürger gut | |
| beraten, sich die persönliche Geschichte der einzlenen Spitzenpolitiker | |
| anzusehen: Wenn die eigenen Interessen – wie etwa das Maximieren von | |
| Spendengeld – bereits im Kleinen höher gestellt werden als die Rechte der | |
| Bürger, zeugt das von Verantwortungslosigkeit und Opportunismus.“ | |
| Inzwischen haben die von Storchs auf die offzielle Beschwerde Nocuns | |
| reagiert und einige Angaben geändert. Im Impressum der Seite | |
| abgeordneten-check.de ist nun das fehlende Kapitel zur Datenschutzerklärung | |
| ergänzt worden: „Ohne ausdrückliche Zustimmung“ würden keine Daten an | |
| Dritte weitergegeben, heißt es jetzt. Garantieren will Sven von Storch | |
| allerdings für nichts: „Ein lückenloser Schutz der Daten vor dem Zugriff | |
| durch Dritte ist nicht möglich.“ Ein Fisch ist kein Fahrrad und ein Storch | |
| ist keine Firewall. | |
| 18 Jun 2016 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.zivilekoalition.de/ | |
| [2] http://kattascha.de/?p=2212 | |
| [3] http://www.allianz-gegen-rechtsextremismus.de/fileadmin/user_upload/extern/… | |
| ## AUTOREN | |
| Michael Gruber | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt AfD in Berlin | |
| Schwerpunkt AfD | |
| rechte Parteien | |
| Neue Rechte | |
| Beatrix von Storch | |
| Internet | |
| Junge Freiheit | |
| Jörg Meuthen | |
| Lesestück Meinung und Analyse | |
| Schwerpunkt AfD | |
| Schwerpunkt AfD | |
| Schwerpunkt AfD | |
| Schwerpunkt AfD | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Kleine Wortkunde „Clearnet“: Die biblische Einteilung des Internets | |
| Das Clearnet soll der gute, helle Teil des WWW sein, so stellt sich die | |
| Bundesregierung das vor. Sein Gegenspieler: das Darknet, ein virtuelles | |
| Mordor. | |
| „Junge Freiheit“ bei Netzwerk Recherche: „Genderwahn“ und „Homolobby�… | |
| Chefredakteur Stein beklagt die mediale Ausgrenzung der „Jungen Freiheit“. | |
| Diese „Opferhaltung“ sei klassisch rechts, finden seine Mitdiskutanten. | |
| Kommentar Radikalisierung der AfD: Mitte-rechts als Mogelpackung | |
| Die AfD wird immer rechter – und immer radikaler. Wer glaubt, dass sie | |
| deshalb Anhänger verliert, irrt leider gewaltig. | |
| Debatte Rechtsextreme in Deutschland: Ihr Kampf geht weiter | |
| AfD, Pegida und rechte Publizisten setzen eine Strategie um, mit der die | |
| NPD immer scheiterte. Ihre Bewegung ist rechtsextrem und faschistoid. | |
| AfD-Politiker in Talkshows: Das ist Spitze! | |
| Die AfD sitze zu häufig in Talkshows, heißt es oft. Nur, wie häufig | |
| eigentlich? Das hängt vom Thema ab. Wir haben mal nachgezählt. | |
| AfD beim Zentralrat der Muslime: Eklat mit Ansage | |
| Die rechtspopulistische AfD ist beim Zentralrat der Muslime zu Besuch. | |
| Allerdings nicht besonders lange. Die Partei bleibt bei ihrem | |
| Antiislamkurs. | |
| Zentralrat der Muslime trifft AfD: Die Spitzen sind sich uneins | |
| Frauke Petry will den Zentralrat der Muslime treffen, | |
| Bundesvorstandsmitglied Alice Weidel zieht ihre Zusage zurück. Wegen eines | |
| NSDAP-Vergleichs. | |
| Debatte Die Welt der AfD: Parallelen zum Salafismus | |
| Die AfD stützt sich auf verbreitete Ressentiments. Doch in Stuttgart könnte | |
| die Partei mit ihrer Islamfeindlichkeit zu weit gehen. |