# taz.de -- Ortstermin am Fortschrittsdenkmal: Wohin mit dem AKW-Schrott? | |
> Betreiber Vattenfall und die schleswig-holsteinische Atomaufsicht | |
> erläutern in Brunsbüttel den Abriss und die Entsorgung eines Atommeilers. | |
Bild: Stein für Stein: Ein Mitarbeiter des AKW Brunsbüttel bereitet einen Wis… | |
BRUNSBÜTTEL taz | Der Rückbau des Atomkraftwerks Brunsbüttel beginnt mit | |
behelmten Männern in Schutzanzügen, die mit rosafarbenen Tüchern Staub von | |
Betonsteinen wischen. Im Reaktorbereich des Kraftwerks, diesem schwarzen | |
Block an der Elbe, gibt es Tausende dieser Steine, die den Raum zwischen | |
zwei Stahlstreben ausfüllen. Bisher sei noch kein kontaminierter Stein | |
dabei gewesen, sagt Ronnie Fix-Faroldi, Strahlenschutzexperte des | |
Kraftwerks. Aber der Prozess steht ja erst am Anfang: 2029 soll das | |
Kraftwerk komplett rückgebaut sein, alles in allem geht es um 300.000 | |
Tonnen Material, von dem etwa zwei Drittel aus dem Kontrollbereich um den | |
Reaktor herum stammen. | |
Diese Stoffe, ob Beton, Stahl, Maschinenteile oder Spinde, könnten | |
radioaktiv verseucht sein – und das heißt, dass jedes einzelne Stück | |
gewischt, gemessen und möglicherweise dekontaminiert werden muss. Die | |
Prozesse werden vom Umwelt- und Energieministerium „engmaschig begleitet“, | |
so Jan Backmann, Leiter der Kieler Atomaufsicht. Am Ende wird das Material | |
„freigemessen“ und verwandelt sich damit, rechtlich betrachtet, in ganz | |
normalem Industrieschutt. „Emotional belastet“ bliebe es aber auf jeden | |
Fall, sagt Nicola Kabel, Sprecherin des Umweltministeriums. Wohin also mit | |
dem Schrott? | |
Das Ministerium schlägt vor, den Müll auf sieben Deponien zu verteilen, | |
angedacht sind Standorte in allen Teilen des Landes Schleswig-Holstein: von | |
Harrislee bei Flensburg über Schönwohld bis Niemark auf Lübecker Gebiet. | |
Machten alle sieben mit, müsse jeder Standort rund 5.000 Tonnen aufnehmen, | |
und das auch noch gestreckt über viele Jahre, sagte Backmann beim | |
Ortstermin im Kraftwerk: Dabei führten Atomaufsicht und AKW-Betreiber | |
Vattenfall am gestrigen Donnerstag den Prozess vor – vom ersten | |
Staubwischen bis zur Freimessung. | |
Das Land schlägt einen „Entsorgungspakt“ vor, an dem sich | |
Kraftwerksbetreiber, Deponien, Kreise und Gemeinden, aber auch die | |
Umweltverbände beteiligen. Das Problem: Die Umweltverbände, allen voran der | |
BUND, sind skeptisch. „Wir sehen in der „Freimessung-Praxis eine für die | |
Betreiber kostengünstige Gelegenheit, den gering strahlenden Restmüll – in | |
Brunsbüttel rund 27.000 Tonnen – weiträumig zu verteilen“, so Karsten | |
Hinrichsen, Landessprecher des BUND-Arbeitskreises Atom. Streit gibt es um | |
das sogenannte Zehn-Mikrosievert-Konzept: Diese Strahlendosis sei für | |
Mensch und Umwelt unbedenklich, sagen Fachleute aus dem Ministerium: Die | |
natürliche Umweltstrahlung oder auch Sonderbelastungen durch Flugreisen | |
oder beim Röntgen sei weit höher; auch die Kraftwerksbetreiber halten sich | |
an diesen Grenzwert. Für den BUND ist aber „jede Sonderstrahlung zu viel“. | |
Rechtlich notwendig ist der Entsorgungspakt nicht, und die Atomaufsicht hat | |
Backmann zufolge derzeit keine andere Wahl, als Stoffe freizugeben, wenn | |
die Grenzwerte und Verfahren ordnungsgemäß abgeschlossen wurden. Im | |
Kraftwerk laufen die Arbeiten plangemäß. Ob schon bis zum Herbst erster | |
Müll abgefahren werden kann? „Es gibt keine feste Frist“, so | |
Ministeriumssprecherin Kabel, „aber wir wollen uns nicht ewig Zeit lassen.“ | |
Der Rückbau des Werks in Brunsbüttel ist der erste in Schleswig-Holstein. | |
Es folgen der Forschungsreaktor in Geesthacht und das AKW Krümmel. Die | |
Stilllegungsanträge sind bereits gestellt, erste Erörterungstermine sind | |
für 2017 geplant. Besonders Krümmel wird eine logistische Herausforderung: | |
Mit 541.000 Tonnen Gesamtmasse ist es fast doppelt so groß wie Brunsbüttel. | |
Und hier wie dort wird ein großer Teil des Materials freigemessen werden | |
müssen – Stein für Stein. | |
24 Jun 2016 | |
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