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# taz.de -- BER: 1.200 Seiten zum „Fluchhafen“
> Der seit Mittwoch vorliegende umfassende Abschlussbericht des
> BER-Untersuchungsausschusses attestiert einen „kollektiven
> Wirklichkeitsverlust“
Bild: Das Gras wächst immerhin am Fluchhafen BER
Fast vier Jahre lang hat er getagt, Hunderte Akten und Dokumente studiert,
Dutzende Zeugen befragt: Am Mittwoch veröffentlichte der
BER-Untersuchungsausschuss seinen mit den Stimmen von SPD und CDU
beschlossenen Abschlussbericht. Er umfasst über 1.200 Seiten. Dies liegt
nicht nur an der komplexen Materie – immerhin galt es, Ursachen,
Konsequenzen und Verantwortung für die Kosten- und Terminüberschreitungen
am BER zu klären. Auch haben die drei Oppositionsparteien dem Bericht ein
Sondervotum angehängt – und zwar nicht zusammen, sondern jede für sich,
weil sie sich nicht einig waren.
Für SPD und CDU steht fest: Haftbar machen kann man für das Desaster, das
den Steuerzahler inzwischen weit über 5 Milliarden Euro kostet, niemanden.
Von „geteilter Verantwortung“ ist die Rede. Anders etwa als die Grünen
sehen SPD und CDU es nicht als Grundfehler an, dass die im Baugeschäft
weithin unerfahrene Flughafengesellschaft, die Berlin, Brandenburg und dem
Bund gehört, den Bau übernahm. Sie sei den stark gestiegenen
organisatorischen Anforderungen aber nicht angemessen begegnet.
An mehreren Stellen des Berichts verdichtet sich der Eindruck, dass die
Koalitionsfraktionen den Aufsichtsrat mit diversen SPD-Ministerpräsidenten
und CDU-Innensenator Frank Henkel aus der Schusslinie zu nehmen versuchen.
Das Gremium sei zwar grundsätzlich in alle unternehmerischen Entscheidungen
eingebunden gewesen, so der Bericht. Das habe aber nicht dazu geführt,
„dass es dem Aufsichtsrat möglich gewesen wäre, den konkreten Bauablauf
direkt zu beeinflussen“. Die Geschäftsführung habe das Gremium insbesondere
im Zeitraum bis Mitte 2012 nicht angemessen informiert. In einem Fall, bei
einem Controllingbericht im April jenes Jahres, sieht der Abschlussbericht
sogar eine „klare Täuschungsabsicht der Geschäftsführung“.
Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass sich in der Flughafengesellschaft
eine Kultur entwickelte, „die Anzeichen für Fehlentwicklungen und teils
alarmierende Warnungen externer Stellen systematisch ausblendete“.
Zusammengefasst sieht der Bericht einen „kollektiven Wirklichkeitsverlust“
bei allen Beteiligten.
Für die Oppositionsparteien wiederum zeugt der Bericht, wie schon die
Arbeitsweise der Koalitionsfraktionen im Ausschuss, vom Versuch der
Regierungsparteien, die „Einflussnahme und die Verantwortung führender
Politiker des Landes Berlin herunterzuspielen oder gar gänzlich in Abrede
zu stellen“, wie es die Linkspartei in ihrem Votum formuliert. Insbesondere
der frühere Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) habe durch
Vermischung seiner verschiedenen Rollen – als Regierungschef,
Gesellschafter, Aufsichtsratschef – „dazu beigetragen, dass sämtliche
Kontrollmechanismen ausgeschaltet wurden“, sagte die Linken-Abgeordnete
Jutta Matuschek der taz.
Auch die Grünen sind der Meinung, dass „die Gesellschafter einer GmbH und
die Mitglieder von Aufsichtsgremien die Hauptverantwortung für das Gelingen
einer solchen Unternehmung haben“. Als Beispiel für folgenschwere Fehler
Wowereits nennen sowohl Grüne wie der Piraten-Abgeordnete und
Ausschussvorsitzende Martin Delius die Trennung vom Generalplaner pg bbi im
Mai 2012. Dies habe die Baustelle nach der 2. Eröffnungsverschiebung „in
ein noch größeres Chaos“ gestürzt, wie die Grünen schreiben, und sei eine
„verhängnisvolle Entscheidung des Aufsichtsrats“ gewesen, wie Delius
meint.
Viele Probleme seien zudem auf die „überaus großzügige Ausstattung mit
öffentlichen Mitteln“ (Grüne) zurückzuführen. So habe die „üppige“
Finanzierung das Projekt anfällig gemacht für diverse
Planunungsänderungswünsche durch die Geschäftsführung, „denen der
Aufsichtsrat bereitwillig folgte“ (Linke). Kostensteigernd sei auch der
lockere Umgang mit Schallschutzmaßnahmen gewesen, die AnwohnerInnen
versprochen wurden, aber dennoch vom Aufsichtsrat „nur widerwillig“ (Linke)
umgesetzt worden seien.
15 Jun 2016
## AUTOREN
Susanne Memarnia
Stefan Alberti
## TAGS
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Schönefeld
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Flughafen Berlin-Brandenburg (BER)
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Michael Müller
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