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# taz.de -- Omid Nouripour zu Repressionen im Iran: „Nicht zur Tagesordnung �…
> Die Hinrichtungszahlen im Iran steigen. Der Grüne Außenpolitiker Omid
> Nouripour fordert deshalb einen neuen Menschenrechtsdialog mit dem
> Regime.
Bild: Ob reden hilft? Vor einer Hinrichtung in Teheran
Nach jahrelangen Verhandlungen stimmte der Iran im vergangenen Jahr einem
Atomabkommen zu: Das Regime verzichtet auf die Atombombe und fährt sein
Nuklearabkommen zurück, der Westen lässt dafür Sanktionen fallen. Deutsche
Unternehmen wittern jetzt Geschäfte im Iran und bekommen Unterstützung von
deutschen Wirtschaftspolitikern. Allein im Mai flogen Minister aus vier
Bundesländern nach Teheran; Vizekanzler Sigmar Gabriel plant sogar schon
seinen zweiten Besuch seit dem Abschluss der Atomgespräche.
taz: Herr Nouripour, Geschäftsanbahnung trotz Folter und Hinrichtungen –
als Grünen stört Sie das sicher?
Omid Nouripour: Nein, ich finde das richtig. Im Iran gibt es gute
Voraussetzungen für einen gesellschaftspolitischen Wandel durch Annäherung.
Er hat eine ausgeprägte Zivilgesellschaft und einen sehr hohen
Bildungsstandard, gerade unter Frauen. Diesen Leuten hilft es, wenn es mehr
internationale Kontakte gibt und sich die Wirtschaftssituation verbessert.
Aber gerade deshalb dürfen wir die Menschenrechtsfrage nicht links liegen
lassen. Genau das macht derzeit die Bundesregierung und ihre
internationalen Partner – und das, obwohl in der Amtszeit von Präsident
Rohani mehr Menschen exekutiert werden als unter seinem Vorgänger
Ahmadinedschad.
Kritiker des Atomdeals hatten früh gewarnt: Wenn die Atom-Sanktionen
fallen, sinkt auch in Sachen Menschenrechte der Druck. Trotzdem haben Sie
das Abkommen befürwortet.
Dass der Druck sinkt, ist ja kein Automatismus. Es ist Aufgabe der Politik,
dass genau das nicht passiert. Und das müssen wir einfordern. Um die
iranische Atombombe zu verhindern, war das Abkommen richtig. Es
verpflichtet Europäer und Deutsche aber erst recht, sich in der
Menschenrechtsfrage stärker zu engagieren.
Das heißt konkret?
Wir brauchen einen EU-Menschenrechtsdialog mit dem Iran. Wenn das nicht
geht, weil sich EU-Staaten querstellen, muss Deutschland einen nationalen
Menschenrechtsdialog aufstellen. So können wir der iranischen Regierung
klarmachen, dass wir nach dem Atomabkommen nicht einfach zur Tagesordnung
übergehen.
In einem solchen Dialog verpflichten sich beide Seiten, regelmäßig in einem
festen Rahmen über das Thema zu sprechen. Was haben verfolgte Menschen vor
Ort davon?
Es gibt zum Beispiel Kulturschaffende im Iran, die eine großartige
kritische Arbeit machen und deshalb unter Druck stehen. Der einzige Schutz,
den diese Menschen haben, ist oft unsere Aufmerksamkeit. Und diese
Aufmerksamkeit kann man mit dem Menschenrechtsdialog verstetigen.
Mit China führt die Bundesregierung seit Jahren einen solchen Dialog.
Gebracht hat es bisher nichts.
Der Menschenrechtsdialog darf eben kein Feigenblättchen sein nach dem
Motto: Man spricht die bösen Themen nur an, um mit gutem Gewissen gute
Geschäfte machen zu können.
Und wie sieht ein Dialog aus, der nicht nur Alibi ist?
Er muss mit hochrangigen Regierungsvertretern besetzt sein, also vom
Staatssekretär aufwärts. Man muss der Öffentlichkeit konsequent
berichterstatten und nicht nur sagen: Wir haben uns letzte Woche getroffen
und Stillschweigen vereinbart. Und man muss die richtigen Themen
ansprechen, einen klugen Mix aus konkreten Fällen und strukturellen
Menschenrechtsverletzungen.
Zu einem Dialog gehören zwei Seiten. Der Iran spricht bisher aber ungern
über Menschenrechte. Warum sollte er ausgerechnet jetzt mitmachen?
Europa muss das eben immer wieder einfordern und den Iranern klarmachen,
dass sie selbst auf solche Gespräche angewiesen sind. Es gibt ja
Sanktionen, die mit der Menschenrechtssituation zusammenhängen und deshalb
noch in Kraft sind. Nun ist es so, dass Präsident Rohani im Iran unter
hohem Druck steht, weil das Atomabkommen noch nicht zum erhofften
wirtschaftlichen Aufschwung geführt hat. Seine Regierung müsste also selbst
ein Interesse an Maßnahmen haben, die zur Aufhebung der verbliebenen
Sanktionen führen ganz abgesehen von dem Wahlkampfversprechen Rohanis, die
Menschenrechtslage zu verbessern.
Um den Druck zu erhöhen, könnte der Westen diese Sanktionen auch
verschärfen.
Ich glaube nicht, dass das im Moment sehr viel bewegt. Der Druck würde
dadurch nicht so weit gesteigert, dass er zu einer Verhaltensänderung
führt. Neben dem Menschenrechtsdialog und den Sanktionen gibt es aber noch
ein drittes Instrument: Beistand für die iranische Zivilgesellschaft. Dafür
müssen wir Aktivistinnen und Aktivisten jenseits von Menschenrechtspreisen
eine Plattform geben.
Das heißt? Die Bundesregierung soll sich regelmäßig mit Regimegegnern
treffen?
Zum Beispiel. Es gibt viele Aktivistinnen und Aktivisten, die man treffen
kann. Für die ist es zwar nicht immer hilfreich, wenn hinterher ein
gemeinsames Foto auf Twitter steht. Sie brauchen aber das Gefühl, dass wir
auf ihrer Seite stehen. Dazu kann die Bundesregierung nicht nur mit
Gesprächen beitragen. Sie müsste auch Geld in die Hand nehmen und zum
Beispiel Konferenzen unterstützen, um solche Leute nach Deutschland
einzuladen.
9 Jun 2016
## AUTOREN
Tobias Schulze
## TAGS
Schwerpunkt Iran
Atomabkommen
Sanktionen
Menschenrechte
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Teheran
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China
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