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# taz.de -- Kulturgeschichte des Tortenwurfs: Mitten ins Gesicht
> Beim „Tortenangriff“ handelt es sich um eine etablierte Protestform. Vor
> Sahra Wagenknecht traf es schon diverse andere Politiker.
Bild: Multifunktional einsetzbar: die Torte
BERLIN taz | Diesmal also war es eine Schokotorte. Viel Sahne, viel
Braunes. Am Samstag klatschte sie ein Antifa-Aktivist
Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht in Magdeburg mitten ins Gesicht.
„Torten für Menschenfeinde“, hieß es in seinem Bekennerschreiben. In der
Flüchtlingspolitik bediene Wagenknecht mit ihren Hinweisen auf
„Kapazitätsgrenzen“ den „Volkszorn“, der AfD liefere sie „ideologisc…
Munition“.
Der Tortenwurf geriet zum größten Politikum auf dem Linken-Parteitag. Dabei
dürfte die Protestform der bewegungsaffinen Partei nicht unbekannt sein.
Schon die 68-er um Fritz Teufel verübten in Hannover eine legendäre
Tortenschlacht. Und erst im Frühjahr erwischte es die AfD-Bundesvize
[1][Beatrix von Storch] (Sahnetorte, wegen Schießbefehl-Forderung auf
Flüchtlinge). In den Vorjahren traf es zudem Ex-Verteidigungsminister
[2][Karl-Theodor zu Guttenberg] (Sahnetorte, wegen Plagiatsaffäre), den
Grünen [3][Jürgen Trittin] (Jogurttorte, wegen zu lascher Anti-AKW-Politik)
oder Baden-Württembergs Innenminister [4][Reinhold Gall]
(Himbeer-Sahne-Torte, wegen Blockierung eines NSU-Auschusses).
Vor allem nach der Attacke auf von Storch hatte die Torte einen
Popularitätsgewinn in der linken Szene erhalten. In Berlin brachten
Demonstranten auf eine Anti-AfD-Demo jüngst ein selbstgebautes
Torten-Katapult – was umgehend von der Polizei beschlagnahmt wurde.
Andererorts ist der Torten-Widerstand noch etablierter. In den USA gab es
mit der „Biotic Baking Brigade“ eine eigene Vereinigung, in England soll
die Lebensmittelkette Tecso vor Jahren wegen wiederholter Attacken ihre
Sahnetorten auf ihre Verletzungsgefahr geprüft haben. Und in Frankreich
rühmt sich der Anführer der „Pâtissiers sans Frontières“, Noel Godin, in
den letzten Jahrzehnten dutzende Politiker und Prominente getortet zu
haben, darunter Bill Gates oder Nicolas Sarkozy. Seine Vorgabe: viel Sahne
verwenden und die Rezepte auf die Zielperson abstimmen.
Der Magdeburger Tortenwerfer hielt sich dran – und wählte Schoko. Die Linke
reagiert mit Entrüstung. Von einer „asozialen“ Aktion sprach
Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch, Parteichefin Katja Kipping nannte sie
einen „Angriff auf uns alle“. Sachsens Grünen-Chef Jürgen Kasek sagte
dagegen, der Aufschrei zeige, dass der Tortenwerfer „ins Schwarze
getroffen“ habe. Die Linkstrotzkisten „Klasse gegen Klasse“ jubelten:
„endlich“. Rühre Wagenknecht doch „kräftig die Trommeln für Abschiebun…
## Lakonische Reaktion
Der Tortenwerfer selbst kommt offenbar aus der anderen Ecke der Linken: der
antideutschen. Ein 23-Jähriger, seit Jahren in Weißenfels (Sachsen-Anhalt)
in Anti-Nazi-Bündnissen aktiv. Akkreditiert hatte er sich für den Parteitag
über das Berliner Zeitungsprojekt „Straßen aus Zucker“ – das aus dem
antideutschen Spektrum stammt. Die reagierten nur lakonisch: „Wir waren's
nicht.“ Man habe an dem Wochenende die nächste Ausgabe geplant oder am See
gesessen. Allerdings: Die Sätze Wagenknechts seien „unterirdisch“, die
„Aufregung um eine leckere Schokotorte“ könne man „nicht ganz
nachvollziehen“.
Gegen den Werfer selbst ermittelt nun die Polizei von amtswegen wegen
versuchter Körperverletzung und Sachbeschädigung. Wagenknecht und die
Parteispitze ließen offen, ob sie Anzeige stellen. Das könnte teuer werden:
Der Tortenwerfer auf Ba-Wü-Innenminister Gall etwa musste 1.000 Euro
Geldstrafe zahlen. Dazu kamen 1.300 Euro Schmerzensgeld für Galls
Personenschützer, der sich beim Einschreiten verletzte. Dennoch: Die
späteren Tortenwerfer hat auch das nicht abgehalten.
29 May 2016
## LINKS
[1] /Torte-auf-AfD-Funktionaerin/!5282105
[2] /Tortenattacke-auf-Guttenberg/!5101572
[3] /Attacke-auf-Gruenen-Politiker-in-Hannover/!5135218
[4] /Tortenwurf-auf-Innenminister-von-BaWue/!5048971
## AUTOREN
Konrad Litschko
## TAGS
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Protest
Torte
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