| # taz.de -- Doku über nepalesische Aktivistin: Die befreite Sklavin | |
| > Für „Urmila – Für die Freiheit“ begleitet die Hamburger Filmemacherin | |
| > Susan Gluth drei Jahre lang eine aus der Sklaverei befreite nepalesische | |
| > Aktivistin. | |
| Bild: Wurde mich sechs Jahren verschleppt: Urmila Chaudhary kämpft gegen Sklav… | |
| Bremen taz | Die australische Menschenrechtsorganisation Walk Free | |
| Foundation hat Anfang der Woche ihren dritten [1][Index über die globale | |
| Sklaverei] veröffentlicht: Mehr als 45 Millionen Menschen leben heute in | |
| Verhältnissen der Sklaverei, die meisten von ihnen kommen aus Asien. Neben | |
| Indien und Nordkorea gehörte bis vor wenigen Jahren noch Nepal zu den | |
| Ländern, in denen erschreckend viele Menschen verkauft und dann als Besitz | |
| angesehen wurden. Die Hamburger Filmemacherin Susan Gluth hat in ihrer | |
| Dokumentation „Urmila – Für die Freiheit“ drei Jahre lang mit der Kamera | |
| eine junge Frau begleitet, die aus dieser Sklaverei befreit wurde und | |
| seitdem als Aktivistin erfolgreich gegen die inhumanen Zustände in ihrer | |
| Heimat kämpft. | |
| In Nepal wird noch heute die Tradition der „Kamalaris“ lebendig gehalten: | |
| Kinder aus armen Familien werden als Haushaltssklaven an reiche Familien | |
| verkauft. So wurde Urmila Chaudhary im Alter von sechs Jahren nach | |
| Kathmandu verschleppt. Ihre Eltern bekamen jedes Jahr 50 Euro, dafür musste | |
| das Mädchen bis zu 15 Stunden am Tag arbeiten. Wäre dieser Film ein | |
| Spielfilm, würde ihr Schicksal möglichst berührend inszeniert, der | |
| dramatische Höhepunkt wäre ihre Befreiung –ihre Entwicklung zu einer | |
| Aktivistin, die den Protest gegen die Kindersklaverei in Nepal organisiert, | |
| wäre in einem kurzen Epilog abgehandelt worden. | |
| Doch Susan Gluth wählt in ihrer Dokumentation über Urmila einen radikal | |
| anderen Ansatz: Sie malt keine Schreckensbilder von den brutalen | |
| Bedingungen der Kindersklaverei. Sie versucht nicht, ihre Titelheldin von | |
| dieser Zeit erzählen zu lassen. Auch die Umstände ihrer Befreiung werden | |
| nicht geschildert – dieser Film beginnt da, wo eine konventioneller | |
| erzählte Lebensgeschichte von Urmila aufhören würde. | |
| Die Dokumentarfilmerin ist der jungen Frau über einen langen Zeitraum mit | |
| der Kamera gefolgt. Dabei hat sich ein enges Vertrauensverhältnis zwischen | |
| ihr und Urmila entwickelt, sodass sehr intime Aufnahmen vom Leben der | |
| jungen Frau möglich wurden, die aber nicht voyeuristisch wirken, sondern | |
| Zeugnis der Sympathie sind, mit der Gluth ihre Titelheldin betrachtet. | |
| Urmila ist ein normales junges Mädchen, das noch auf der Suche nach seiner | |
| Identität ist. Sie hat große Träume von einer Karriere als Rechtsanwältin, | |
| sie muss sich allerdings Sorgen machen, ob sie die Versetzung in das | |
| nächste Schuljahr schafft. Gleichzeitig ist sie aber auch eine Person, die | |
| in der Öffentlichkeit steht, die Pressekonferenzen gibt, nach New York und | |
| Oslo reist und dort Reden hält. Bei einem Treffen des Premierminister | |
| Nepals fordert sie, dass dieser sich für das Ende der Sklaverei in seinem | |
| Land einsetzt. | |
| Zuhause putzt sie dann wieder Kochtöpfe. Von einem wohlmeinenden | |
| Erwachsenen aus dem Westen wird sie gewarnt, dass sich die Karriere und der | |
| politische Kampf unmöglich zusammen bewältigen lassen. Tatsächlich ist sie | |
| manchmal ratlos und überfordert. Als sie bei einer Demonstration verletzt | |
| wird, bricht sie körperlich zusammen. Erholt sich dann aber wieder. | |
| Gluth zeigt, wie schwer es für Urmila ist, ihren eigenen Weg zu finden und | |
| wie gravierend sich in ihrem Leben der Kontrast zwischen Tradition und | |
| modernem Leben auswirkt. Dennoch engagiert sie sich rückhaltlos für die | |
| Kampagne gegen Sklaverei in ihrem Land. Sie führt auf Dorfplätzen kleine | |
| Rollenspiele auf, in denen dargestellt wird, wie brutal die Sklavenhalter | |
| mit jungen Mädchen umgehen, die ihnen völlig ausgeliefert sind. | |
| Man sieht das Entsetzen in den Augen junger Zuschauerinnen und bekommt | |
| einen Eindruck davon, wie wirkungsvoll diese Lehrstücke sind: Das Publikum | |
| besteht größtenteils aus Analphabeten, die keinen Zugang zu elektronischen | |
| Medien haben. So kommt das Theater hier sehr effektiv in einer seiner | |
| ursprünglichen, aufklärerischen und noblen Funktionen zur Geltung. Urmila | |
| organisiert Befreiungsaktionen, von denen Gluth eine mit einer kleinen, | |
| unauffälligen Digitalkamera –denn eine Drehgenehmigung hätte sie dafür nie | |
| bekommen –filmen konnte. Mit einer Gruppe von jungen Aktivistinnen | |
| beobachtet die Titelheldin die Passagiere in einem Busbahnhof und schreitet | |
| zusammen mit ihren Mitstreiterinnen recht forsch und selbstbewusst ein, als | |
| eine ältere Frau sich mit einem noch sehr jungen Mädchen verdächtig macht. | |
| Mit Aktionen wie diesen und Demonstrationen, bei denen die jungen Frauen | |
| sehr ruppig von Polizisten angegangen, verhaftet und auf einem Transporter | |
| weggefahren werden, hatten sie letztendlich großen Erfolg. Denn inzwischen | |
| wurden 13.000 ehemalige „Kamalaris“ befreit und es soll nur noch etwa 150 | |
| von ihnen geben, die von mächtigen Familien versklavt werden. Man könnte | |
| also sagen, diese furchtbare Tradition ist inzwischen im Begriff, | |
| auszusterben. | |
| Weil Gluth mit ihrer Kamera unmittelbar dabei war, ist sie während der | |
| langen Vorbereitungs- und Drehzeit in Urmilas Milieu fast heimisch | |
| geworden. Wegen dieser Nähe wirkt ihr Blick nie wie der einer westlichen | |
| Beobachterin –und so hat sie auch eine erschütternde Szene zwischen Urmila | |
| und ihrem Vater aufgenommen, bei der klar wird, dass mindestens sie ihren | |
| Frieden mit ihm geschlossen hat; wenngleich er aber dem alten Denken | |
| verhaftet bleibt und sie dazu auffordert, ihn finanziell zu unterstützen. | |
| Urmilas trauriger Blick offenbart einen Moment der Wahrheit, wie ihn nur | |
| wirklich gute DokumentarfilmerInnen einzufangen vermögen. | |
| 2 Jun 2016 | |
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| ## AUTOREN | |
| Wilfried Hippen | |
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