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# taz.de -- Kommentar „Nuit-Debout“-Aktionstag: Nicht nur neidisch nach Par…
> Die französische Protestbewegung wollte weltweit expandieren. In
> Deutschland kam kaum jemand. Woran scheitert „Nuit Debout“?
Bild: So viele Unterstützer wie hier in Paris finden sich in Deutschland bishe…
Ende März kamen in Paris zum ersten Mal junge Menschen zusammen, um gegen
die geplante Änderung des Arbeitsrechts zu demonstrieren, und blieben über
Nacht auf der Place de la République. Auch in den folgenden Nächten kamen
sie wieder, wurden immer mehr – und besprachen ihre politische Ideen. Was
seinen Anfang unter dem Namen „Nuit Debout“ in Paris nahm, findet
mittlerweile in allen größeren französischen Städten statt. Inzwischen wird
die neue soziale Bewegung in ganz Europa interessiert beobachtet.
„Nuit Debout“ erinnert an die euphorischen Anfangsmomente anderer jüngerer
Protestbewegungen nach der letzten Finanzkrise wie Occupy Wall Street in
New York, die Demonstrationen und Zelte auf dem Syntagmaplatz in Athen, die
Gentrifizierungsgegner auf dem Rothschild Boulevard in Tel Aviv oder die
Proteste auf dem Taksim Platz in Istanbul. Inhaltlich finden sich bei „Nuit
Debout“ Parallelen zum spanischen Movimiento 15-M, den sogenannten
„Empörten“, aus der mittlerweile die Partei Podemos hervorgegangen ist.
Am Pfingstsonntag sollte die Bewegung offiziell exportiert werden. Im
Rahmen der„Global Nuit Debout“ fanden in einigen europäischen Städten
Versammlungen nach dem Pariser Vorbild statt. Dort sollte der Grundstein
für eine europäische Vernetzung gelegt werden.
In Berlin hatte man sich den geschichtsträchtigen Mariannenplatz in
Kreuzberg ausgesucht. Es kamen jedoch nur etwa 200 Menschen zusammen,
darunter viele Exil-Franzosen. Allein am schlechten Wetter kann es nicht
gelegen haben, in Paris scheint schließlich auch nicht immer die Sonne.
Weshalb also können sich hierzulande offenbar so wenige Menschen für den
Protest begeistern?
## Ein Mythos umrankt „Nuit Debout“
Um „Nuit Debout“ in Frankreich zu verstehen, muss der Mythos aus dem Weg
geräumt werden, dass die Proteste aus dem Nichts entstanden sind, dass in
einer Nacht plötzlich das Feuer vom einen zum anderen übergesprungen ist.
So etwas ist Revolutionsromantik. Es geht in Paris nicht nur die Jugend auf
die Straße. In den Monaten vor „Nuit Debout“ hatten zum Beispiel Taxifahrer
und Air-France-Arbeiter protestiert. Die Schüler und Studenten verbündeten
sich mit ihnen.
Auch wenn es auf der Place de la République mittlerweile um viele andere
Themen wie Sexismus, Homophobie oder Gentrifizierung geht, bleibt der Kern
des Protestes doch der [1][gegen das Arbeitsgesetz]. Auch das Bündnis der
jungen Menschen mit den an den Protesteten beteiligten Gewerkschaften
besteht weiterhin. Die Ängste der Jugend und die Ängste der schon
Arbeitenden finden hier zusammen.
Solche Bündnisse fehlen hierzulande nicht nur gegenwärtig, sie hat es auch
schon lange nicht gegeben. Das sogenannte „Loi Travail“, das nun in
Frankreich verabschiedet wurde, gibt es in Deutschland schon: die Agenda
2010. Rot-Grün hatte den deutschen Wohlfahrtsstaat damals radikal und mit
verheerenden Folgen beschnitten. Die größte Gegendemonstration wurde vom
DGB organisiert, also jener Gewerkschaft, die eher als Bündnispartner der
SPD denn als ernsthafter Kämpfer für Arbeitnehmerrechte bekannt ist.
## Jahrestag der „Empörten“ in Madrid
Während es in Berlin bei den wenigen Teilnehmern blieb, fand das vermutlich
größte Global-Nuit-Debout-Treffen außerhalb Frankreichs in Madrid statt. Im
Grunde war es aber gar keins. Denn der internationale
Nuit-Debout-Aktionstag fiel mit dem 5. Jahrestag seit dem ersten
Zusammenfinden der „Empörten“ in Spanien zusammen.
Das produzierte zwar unter dem Hashtag #GlobalNuitDebout schöne Bilder mit
vielen Menschen, zeigt aber nur einmal mehr, dass nur eine bereits
bestehende Bewegungen mit einem starken Fundament Menschen auf die Straße
holt und sie auch immer wieder zusammenbringt.
Vielleicht lässt sich eine Protestbewegung also nicht einfach mal eben so
exportieren. Deshalb aufzuhören, wäre aber fatal. Die Frage, warum es ganz
ähnliche Proteste, Versammlungen und Bündnisse hierzulande nicht gibt,
müssen sich Linke in Deutschland stellen. Statt neidisch nach Paris zu
schauen, müssen sie selbst Inhalte und Strategien erarbeiten, die nicht
immer nur die gleichen Teile eines marginalisierten Spektrums erreichen.
Eine Frau ermahnte am Sonntag auf dem Mariannenplatz die anderen, nicht nur
auf Facebook und Twitter Politik zu machen. Sie sagte: „Wir müssen wieder
lernen, auf die Straße zu gehen und für unsere Rechte zu kämpfen.“ So naiv
das auf den ersten Blick klingen mag, so recht hat sie damit.
16 May 2016
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## AUTOREN
Nina Scholz
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