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# taz.de -- Haiti ohne Regierung: Sie haben keine Wahl
> Es sollte längst einen neuen Präsidenten geben. Gibt es aber nicht –
> immer wieder wurde die Wahl verschoben, zuletzt im April.
Bild: Unterstützer des Übergangspräsidenten Jocelerme Privert in Port-au-Pri…
Santo Domingo taz | Das Jahr 2016 wollte Haiti eigentlich mit einem neuen
Staatspräsidenten und der traditionellen Kürbissuppe begrüßen. Die
fleischlose Suppe ist längst ausgelöffelt, ihren wirklichen Präsidenten
kennen die Haitianerinnen und Haitianer allerdings noch immer nicht.
Nach dreimaligem Verschieben des zweiten Urnengangs blieben auch Mitte
April die Wahllokale geschlossen. Davon erfuhren allerdings Haitis 5,8
Millionenen WählerInnen nur kurzfristig über haitianische
Rundfunkstationen. In Port-au-Prince protestierten Tausende von Anhängern
des Expräsidenten Michel Martelly gegen die
Wahlverschiebung.Übergangspräsident Jocelerme Privert erklärte, die
Bedingungen seien derzeit nicht gegeben. Vermutlich werde erst im Oktober
gewählt.
„Die politische Stabilität Haitis ist nur zu gewährleisten, wenn das
Vertrauen in den Wahlprozess wiederhergestellt wird“, sagte Privert der
Tageszeitung Miami Herald. „Daran führt kein Weg vorbei.“ Auf Vorwürfe der
Opposition gegen Martelly über Wahlmanipulationen anspielend, betonte der
63-jährige Verwaltungsfachmann, „es gibt eine Reihe von Gründen, warum die
Wahlen bisher nicht stattgefunden haben“.
Die Wahlverschiebung bedeutet einen schweren Rückschlag für die Parti
Haïtien Tèt Kal (PHTK), Kahlkopfpartei, des ehemaligen Staatspräsidenten
Michel Martelly und seinen favorisierten Amtsnachfolger Jovenel Moïse. Der
war zwar im Oktober mit 32,8 Prozent der Stimmen als Sieger in die
Stichwahl gekommen, aber nach massiven Betrugsvorwürfen hatte der mit 25,3
Prozent zweitplatzierte Jude Célestin es abgelehnt, sich an der „Wahlfarce“
weiter zu beteiligen.
## Druck von UN und USA
Erst wurde die Wahl immer wieder verschoben, dann trat der provisorische
Wahlrat zurück, und Martelly verließ im Februar wie verfassungsgemäß
vorgesehen sein Amt ohne ordentlichen Nachfolger. Dem Senatspräsidenten
Privert überließ Martelly die Bürde, als Interimspräsident die Wahl zu Ende
zu bringen.
Der Druck aus Washington und New York war groß, die Wahl einfach
durchzuziehen. US-Außenminister John Kerry und die Mitglieder des
UN-Sicherheitsrats hatten wiederholt die haitianische Regierung
aufgefordert, den Wahlprozess zu Ende zu bringen, eine erneute Überprüfung
sei nicht nötig, es gebe keine Beweise für Wahlbetrug. Dass Privert dem
Druck standgehalten und eine neue Wahlkommission ernannt hat, die den
Abstimmungsprozess prüfen soll, könnte für Haiti ein gutes Zeichen sein.
Große Hoffnung setzt Privert jetzt in den neu berufenen Wahlrat Conseil
Electoral Provisoire (CEP), der wohl die Wahlergebnisse prüfen und dann
entschieden soll, ob eine Neuwahl notwendig ist, wovon die Opposition
ausgeht, oder das Resultat des ersten Wahlgangs Basis für den zweiten
Wahlgang sein soll.
## Anhänger der Kahlkopfpartei
Offiziell haben sich alle Wahlbeteiligten bereit erklärt, die Empfehlungen
des CEPs zu respektieren. „Dies ist einer der größten Erfolge“, findet
Privert, der unter dem 2004 gestürzten Staatschef Jean Bertrand Aristide
Wirtschaft- und Finanz- und später Innenminister war.
Probleme bei der Beilegung der Krise droht vor allen von den Anhängern der
Kahlkopfpartei und den Gefolgsleuten des ehemaligen Polizeioffiziers Guy
Philippe. Er hatte 2004 maßgeblich mit Bewaffneten zum Sturz von Aristide
beigetragen. Zwar wird er von den US-Behörden wegen Drogenhandels gesucht,
trotzdem kandidiert er offen für ein Senatsmandat.
Philippe hat vor Kurzem im haitianischen Radio angekündigt, er werde seine
Mannen auf die Straße bringen, um Martelly-Mann Jovenel Moïse ins Amt des
Staatspräsidenten zu verhelfen.
10 May 2016
## AUTOREN
Hans-Ulrich Dillmann
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