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# taz.de -- Vor der Präsidentschaftswahl in Haiti: Im Zeichen des Wirbelsturms
> Zur Wahl stehen 27 Kandidaten. Doch angsichts der humanitären Katastrophe
> nach „Matthew“ hat die Bevölkerung existentiellere Sorgen.
Bild: Wenn Wahlen etwas ändern würden am Elend auf Haiti
Berlin taz | | Nur wenig ist auf den Straßen der haitianischen Hauptstadt
Port-au-Prince von den an diesem Sonntag anstehenden Präsidentschaftswahlen
zu spüren. Ein paar sturmzerzauste Plakate mit dem Konterfei der
Amtsbewerber hängen an windschiefen Strommasten. Angesichts der humanitären
Katastrophe, die der Wirbelsturm „Matthew“ im „Armenhaus Lateinamerikas“
Anfang Oktober verursacht hat, halten sich die 27 Kandidaten mit
Wahlpropaganda zurück.
Die Bevölkerung hat derzeit auch andere Sorgen. Vor allem im armen
Südwesten des Landes, der am schlimmsten vom Wirbelsturm heimgesucht wurde,
versuchen die Menschen wieder zur Normalität zurückzufinden. Wegen des
Sturms war auch der ursprünglich wenige Tage danach terminierte Urnengang
auf Ende November verschoben worden.
Der Hurrikan hatte mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 235 Kilometer pro
Stunde nach offiziellen Angaben 573 Todesopfer gefordert. Ganze Landstriche
wurden verwüstet, 175.000 Menschen verloren ihre Wohnungen und leben
seitdem in provisorischen Unterkünften. 300 Schulen sind völlig zerstört.
Sie fehlen jetzt nicht nur für den Unterricht, sondern können auch nicht
als Wahllokale genutzt werden.
Nach wie vor hofft Jovenel Moise, der im Oktober 2015 beim annullierten
Wahlgang 32,8 Prozent der nur 1,5 Millionen abgegebenen Stimmen erringen
konnte, auf einen Sieg. Er tritt für die Tet Kale Partei (PHTK) an, die
Kahlkopfpartei des Expräsidenten Michel Martelly. Der ist im Februar aus
dem Amt geschieden. Sein schärfster Konkurrent, Jude Celestin von der
Alternativen Liga für haitianische Fortschritt und Emanzipation (Lapeh),
hatte sich geweigert, an der Stichwahl teilzunehmen, und so die
Wahlwiederholung erzwungen. Er hatte im ersten Wahlgang 25,3 Prozent der
Stimmen erhalten.
Beide zogen in den vergangenen Tagen wieder durch die Straßen der
Stadtviertel, um in einer Haus-zu-Haus-Kampagne potenzielle Wähler doch
noch zur Stimmabgabe zu motivieren. Beim letzten Mal haben nur knapp ein
Drittel der Stimmberechtigten überhaupt ihren Wahlzettel abgegeben. Daneben
machen nur noch Jean Charles Moise von der Plattform Kleiner Dessalines und
die Kandidatin der Erdrutschbewegung Famni Lavalas, Maryse Narcisse, mit
ihrer Wahlkampagne von sich reden.
## Die Hoffnung geht gegen null
Angesichts der schweren Naturkatastrophe ist das Interesse der
haitianischen Bevölkerung allerdings gering und die Hoffnung auf
transparente Wahlen tendiert dabei gegen null. „An saubere Wahlen glaube
ich auch diesmal nicht“, sagt Richard Haspil. Der Druckereibesitzer und
Bienenzüchter bezweifelt, dass nach der Stimmabgabe am kommenden Sonntag
die Rufe von Betrug und Manipulation bei der Wahl des haitianischen
Staatspräsidenten verstummt sein werden.
Zwar habe Interimspräsident Jocelerme Privert die Mitglieder der
Provisorischen Wahlkommission (CEP) ausgetauscht, aber seit 2005 sei das
Wahlregister nicht mehr aktualisiert worden. „Dem Wahlbetrug ist Tor und
Tür geöffnet“, fürchtet Haspil.
Der Filmemacher Arnold Antonin plädiert trotzdem für eine Beteiligung bei
der Präsidentschaftswahl. „Wem kein Kandidat zusagt, der soll wenigstens
einen unausgefüllten Stimmzettel abgeben.“ Das fordert der international
ausgezeichnete sozialkritische Filmregisseur als Zeichen für einen
„Neuanfang“ in Haiti.
Erstmals haben auch zwanzig Nichtregierungsorganisationen und Netzwerke,
Künstler, Intellektuelle und Kirchenvertreter in Port-au-Prince zur
Stimmabgabe als einem „Akt der Bürger von großer Bedeutung“ aufgerufen. S…
forderten die politischen Parteien, deren Anhänger und Kandidaten sowie die
Wahlbehörde und Sicherheitskräfte auf, „saubere Wahlen ohne Betrug und ohne
Gewalt“ zu garantieren.
Sollte auch diesmal keiner der 27 Kandidaten im ersten Wahlgang die
Mehrheit von 50 Prozent erreichen, entscheidet am 29. Januar 2017 eine
Stichwahl zwischen den beiden Erstplatzierten.
19 Nov 2016
## AUTOREN
Hans-Ulrich Dillmann
## TAGS
Haiti
Präsidentschaftswahl
Wirbelsturm
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