# taz.de -- Kommentar Rücktritt Werner Faymann: Absprung in letzter Minute | |
> Faymanns abrupter Abgang war die letzte Gelegenheit, erhobenen Hauptes | |
> Platz zu machen. Über den Niedergang der österreichischen | |
> Sozialdemokratie. | |
Bild: Grad noch so weggekommen | |
Werner Faymann hat endlich die Reißleine gezogen. Zu lange hatte er | |
Rücktrittsaufforderungen ausgesessen. Sein abrupter Abgang am Montag war | |
die wohl letzte Gelegenheit, erhobenen Hauptes Platz zu machen für | |
jemanden, der eine Erneuerung der SPÖ glaubwürdiger verkaufen kann als | |
einer, der seit fast acht Jahren im Amt ist und seither fast 20 Wahlen | |
verloren hat. | |
Der Niedergang der österreichischen Sozialdemokratie ist sicher nicht | |
Faymann alleine anzulasten. Sein Amtsantritt fiel mit dem Ausbruch der | |
Wirtschafts- und Finanzkrise zusammen, das Management der Flüchtlingskrise | |
hat auch größere Geister überfordert. Aber gegen den kontinuierlichen | |
Verlust von Wählerstimmen nach links zu den Grünen und vor allem nach | |
rechts zur FPÖ hatte er kein Rezept. | |
Die SPÖ ist zu einer Rentnerpartei geworden. Für die Jugend, die prekär | |
Beschäftigten, die Arbeitslosen und neuen Selbstständigen hat sie kein | |
Angebot. Dass Faymann so lange im Amt blieb, hat der geschickte Taktiker | |
vor allem dem Umstand zu verdanken, dass sich lange kein Nachfolger | |
aufdrängte. | |
Zuletzt wurde die Frage der Nachfolge aber zweitrangig. Denn auch in der | |
SPÖ geht man davon aus, dass FPÖ-Mann Norbert Hofer Bundespräsident wird. | |
Der hat im Wahlkampf immer wieder erklärt, eine Regierung, die nicht spurt, | |
werde er entlassen. Die Verfassung erlaubt da mehr, als in der bisherigen | |
Praxis geübt wurde. Deswegen will man den Kanzlerwechsel vollziehen, bevor | |
am 8. Juli Bundespräsident Heinz Fischer sein Amt abgeben muss. | |
Sollte Hofer tatsächlich Präsident werden – und die Umfragen deuten darauf | |
hin –, beginnt eine neue Ära. Die Nachkriegsordnung, in der SPÖ und ÖVP das | |
politische Geschehen bestimmt und die relevanten Posten untereinander | |
aufgeteilt haben, ist vorbei. Bei den beiden großen Parteien muss man sich | |
darauf vorbereiten, als Juniorpartner mit der FPÖ in eine Regierung zu | |
gehen. Es sei denn, es kommt ein neuer Mann – Frauen sind derzeit nicht in | |
Sicht –, der eine Aufbruchsstimmung einleitet, die der SPÖ neue | |
Glaubwürdigkeit und Anziehungskraft beschert. | |
Ein Rechtsruck würde schnurstracks in die Arme der FPÖ führen. Mehr linkes | |
Profil wird auf Funktionärsebene kaum durchzusetzen sein. Faymanns | |
Nachfolger ist um seine Aufgabe nicht zu beneiden. | |
9 May 2016 | |
## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
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