# taz.de -- Präsidentenwahl in Österreich: Hohe Beteiligung und Rechtsruck | |
> Der Missmut über die rot-schwarze Regierung hat der rechten FPÖ einen | |
> Triumph beschert. Jetzt entscheidet eine Stichwahl. | |
Bild: FPÖ-Kandidat Norbert Hofer bei der Stimmabgabe | |
WIEN dpa | Die Bundespräsidentenwahl in Österreich hat einen klaren Sieger. | |
Mit einem unerwartet großen Vorsprung hat Norbert Hofer von der rechten FPÖ | |
die Sensation geschafft. Hochrechnungen gaben ihm am Sonntagabend mehr als | |
35 Prozent. Der grüne Professor Alexander Van der Bellen, der sämtliche | |
Umfragen angeführt hatte, blieb mit etwa 21 Prozent zwar unter seinen | |
Erwartungen, wird aber am 22. Mai in die Stichwahl einziehen. | |
Die parteiunabhängige pensionierte Richterin Irmgard Griss lag lange so | |
knapp dahinter, dass nicht feststand, wer es in die Stichwahl gegen Hofer | |
schaffen würde. Sicher ist das Debakel für die Regierungskandidaten Rudolf | |
Hundstorfer (SPÖ) und Andres Khol (ÖVP), die fast gleichauf bei 11 Prozent | |
liegen. Baumeister und Reality-Show-Star Richard Lugner blieb mit 2,3 | |
Prozent unter seinen Erwartungen. | |
Damit kommt es am 22. Mai zu einer Stichwahl zwischen Hofer und Van der | |
Bellen. Der österreichische Bundespräsident hat zwar vornehmlich nur | |
repräsentative Pflichten. Dennoch wird der Wahl eine große Bedeutung | |
beigemessen. | |
Das historisch beste Ergebnis, das die FPÖ je in einer Bundeswahl erreicht | |
hat, wurde in deren Parteizentrale mit Jubel begrüßt. „Wir haben heute ein | |
Etappenziel erreicht“, frohlockte FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl. Den | |
Erfolg seines Kandidaten erklärt er damit, er habe „klare Positionen | |
vertreten“. Vor allem in der Flüchtlingsfrage war Hofer auf | |
Konfrontationskurs gegangen. FPÖ-Parteichef Heinz Christian Strache sah | |
„ein politisch neues Zeitalter aufgeschlagen“. Hofer stehe für ein neues | |
Amtsverständnis. Seine „berechtigte EU-Kritik“ sei auch gut angekommen. Das | |
Ergebnis offenbare eine große „Unzufriedenheit mit der Regierung und deren | |
Kandidaten“. Die Wähler wünschten sich einen „Schutzherrn für die | |
österreichische Bevölkerung“. | |
Bei den Grünen herrschte über das Ergebnis von Van der Bellen, der als | |
unabhängiger Kandidat angetreten war, Ernüchterung. Die ersten Trends seien | |
ein Schock gewesen, sagte Van der Bellens Wahlkampfleiter Lothar Lockl, | |
bevor noch klar war, wer es in die Stichwahl schafft: „Mittlerweile ist | |
dieser Schock dem Kampfgeist gewichen. Wenn wir das schaffen, in die | |
Stichwahl zu kommen, wollen wir diese Chance nutzen.“ Parteichefin Eva | |
Glawischnig nannte das Ergebnis „absolut respektabel“. Den Abstand zu Hofer | |
fand sie allerdings „irritierend“. | |
## „Ein ganz großer Erfolg“ | |
Die ausgeschiedene Kandidatin Griss selbst gab sich optimistisch. Ob sie | |
für die Stichwahl eine Wahlempfehlung für Alexander Van der Bellen abgebe, | |
werde sie sich noch überlegen. In jedem Fall sei das Ergebnis „ein ganz | |
großer Erfolg“. Dass „Parteiinteressen vor Staatsinterssen stehen“, das | |
hätten die Menschen satt. | |
Die Zeiten, in denen zwei Großparteien die Republik und deren Ämter | |
untereinander aufteilten, sind tatsächlich endgültig Geschichte. Zu lange | |
war das richtige Parteibuch wichtiger als die fachliche Qualifikation. | |
Diese selbstherrliche Praxis hat Irmgard Griss erfolgreich attackiert. | |
Scharenweise liefen bisherige ÖVP-Wähler zur bürgerlichen, aber erfrischend | |
weltoffenen Juristin über. Langjährige SPÖ-Stammwähler verabschiedeten sich | |
entweder nach links zu Van der Bellen oder nach rechts zu Norbert Hofer. | |
Für die Jungwähler gab es so etwas wie Parteiloyalität ohnehin nicht. | |
Hätten nur die 16- bis 29-Jährigen abgestimmt, wäre der Sieg von Hofer und | |
Van der Bellen noch deutlicher ausgefallen. | |
„Wir werden sicherlich nicht zur Tagesordnung übergehen“, kündigte | |
ÖVP-Fraktionschef Reinhold Lopatka an. Er warf Medien und Meinungsforschern | |
vor, durch die schlechten Umfrageergebnisse für die Koalitionsparteien die | |
Wahl beeinflusst zu haben. SPÖ-Fraktionschef Andreas Schieder wollte noch | |
keine Wahlempfehlung abgeben, stellte aber klar, dass aus seiner Sicht | |
Norbert Hofer nicht gut für Österreich wäre. | |
Was das Ergebnis für die SPÖ-ÖVP-Koalition bedeutet, ist ungewiss. Beide | |
Parteien haben sich bereits im Vorfeld der Wahlen auf die drohende | |
Niederlage eingestellt und eine Personaldebatte genauso ausgeschlossen wie | |
Neuwahlen. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Reinhold | |
Mitterlehner (ÖVP) sind zwar schwer beschädigt, doch wissen sie nur zu gut, | |
dass sie mit Neuwahlen den Weg für FPÖ-Chef Heinz Christian Strache | |
bereiten würden. In den Umfragen führt die fremdenfeindliche Partei seit | |
vielen Monaten mit deutlichem Abstand. Die Flüchtlingsdebatte hat diesen | |
Vorsprung noch erhöht. | |
24 Apr 2016 | |
## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
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