| # taz.de -- Innovative Wasserwirtschaft in Uganda: Der beste Dünger der Welt | |
| > Ausgerechnet die Ärmsten zahlten in Uganda am meisten pro Liter. Dank | |
| > William Muhairwe gibt es nun auch in den Slums sauberes Trinkwasser. | |
| Bild: Früher kostete das Wasser zehnmal so viel: die alte und die neue Wassers… | |
| Kampala taz | Wenn der Ugander William Muhairwe von seinem ersten Tag in | |
| München erzählt, muss er laut lachen. „Eingepackt wie ein Eskimo bin ich im | |
| Hochsommer angekommen“, erzählt er auf Deutsch und kramt Wörter wie „lange | |
| Unterhosen“ und „Strickjacke“ aus der Erinnerung. „Ich war schweißgeba… | |
| aber in Afrika dachten wir, in Europa sei es kalt.“ | |
| Es war das Jahr 1978. In Uganda herrschte Krieg, der am Ende Diktator Idi | |
| Amin zu Fall bringen sollte. Der 19-jährige Muhairwe war gerade mit der | |
| Oberschule fertig, er wollte studieren. „Doch die politische Lage war nicht | |
| gut.“ So holte ihn sein Onkel, der damals in Deutschland lebte, nach | |
| München. | |
| An der Ludwig-Maximilians-Universität lernte William Muhairwe Deutsch, | |
| studierte Betriebswirtschaft, promovierte schließlich. Als frischgebackener | |
| Doktor kehrte er 1989 in das befriedete Uganda zurück: zunächst als Leiter | |
| der Investmentbehörde, später als Direktor der ugandischen Wasserbetriebe. | |
| „Es gab kein Wasser, kein Strom, keine Straßen“, berichtet er. „Das Leben | |
| war schwer.“ Krankheiten suchten die Bevölkerung heim. | |
| Das Land brauchte beim Wiederaufbau dringend Hilfe von außen. Da lud | |
| Muhairwe deutsche Firmen ein. Bis heute sind sie Ugandas wichtigste Partner | |
| beim Ausbau des Wassersektors – auch dank der deutschen Willkommenskultur, | |
| wie Muhairwe sie einst erlebt hat. „Dass ich Deutsch spreche und die Kultur | |
| kenne, hat enorm geholfen“, gibt er zu. „Gemeinsam haben wir in Uganda | |
| deutsche Standards wie Pünktlichkeit und Sauberkeit etabliert.“ | |
| ## Wasser wie an der Tankstelle | |
| Sauberes Wasser – darüber freut sich Nadia Naluma jeden Tag. Die 31-jährige | |
| Mutter von fünf Kindern kniet vor ihrer Wellblechhütte in dem verwinkelten | |
| Armenviertel Kisenyi in Kampala, der Hauptstadt Ugandas. Sie ist | |
| klitschnass, die Regenzeit am Äquator hat vor Kurzem eingesetzt, und es | |
| schüttet wie aus Kübeln, so dass die engen dreckigen Gassen des | |
| Armenviertels innerhalb von Minuten unter Wasser stehen. Die Abwasserrinnen | |
| sind von Plastikflaschen und Unrat verstopft, sie laufen sofort über. | |
| Ebenso die Latrine hinter Nalumas Hütte, ein stinkender Verschlag aus | |
| Wellblech. Müll und Fäkalien rinnen an den Hauswänden entlang. | |
| Den Regen hat Nadia Naluma immer mit einem lachenden und einem weinenden | |
| Auge betrachtet. Einerseits fängt sie ihn in einer Schüssel auf, um damit | |
| Wäsche zu waschen und Geschirr zu spülen – so spart sie das Geld, mit dem | |
| sie sonst Wasser kauft. Andererseits macht sie sich Sorgen um ihre Kinder: | |
| „Sie spielen oft in dieser Drecksbrühe und holen sich Krankheiten. Ein | |
| Nachbarsjunge ist neulich sogar darin ertrunken“, sagt sie und zerrt ihren | |
| dreijährigen Sohn am Ärmel aus einer knietiefen Lache ins Haus. Aber auch | |
| das kleine Wohnzimmer steht schon unter Wasser. | |
| Immerhin, sauberes Wasser kauft Naluma jetzt am Automaten mit einem Token. | |
| Das schlüsselähnliche Ding lässt sich am Kiosk um die Ecke mit Guthaben | |
| aufladen. Damit geht sie dann zu einer Art Zapfsäule im Slum, wo sie | |
| sauberes Wasser tanken kann. 20 Schillinge zahlt sie dort für einen | |
| 20-Liter-Kanister. Zuvor zahlte sie 200 Schillinge für dieselbe Menge, also | |
| zehnmal so viel, umgerechnet 5 Eurocent. 80 Liter braucht sie pro Tag, das | |
| war zu teuer. „Damals konnten wir uns kein Wasser zum Duschen und | |
| Wäschewaschen leisten“, sagt Naluma. Heute kann sie täglich ihre Kinder | |
| baden. | |
| ## Kein Wasser ohne Abwasser | |
| „Das ist doch Wahnsinn“, sagt Erhard Schulte. Er ist Projektmanager der | |
| Firma Fichtner in Uganda: „Ausgerechnet die ärmste Bevölkerung zahlt den | |
| höchsten Preis pro Liter“, schüttelt er den Kopf. Dank der von Fichtner im | |
| Auftrag der Nationalen Wasserbehörde installierten Wasserautomaten kann | |
| sich nun jede arme Familie sauberes Wasser leisten. Doch jetzt kämpft | |
| Fichtner zusammen mit Ugandas Wasserbetrieben mit einem neuen Problem: dem | |
| Abwasser. „Denn jeder Tropfen, den wir den Menschen geben, kommt ja | |
| irgendwo wieder raus“, erklärt Schulte. Er startet seinen Computer, um sein | |
| neuestes Projekt vorzustellen. | |
| Fichtner, ein Familienunternehmen mit Sitz in Stuttgart, kam wie so viele | |
| andere deutsche Ingenieurbetriebe in den 1990er Jahren auf Einladung von | |
| William Muhairwe nach Uganda. Schulte ist der Projektmanager vor Ort, der | |
| 61-Jährige lebt seit 30 Jahren in Afrika die letzten 11 Jahre davon in | |
| Uganda. Unter Schultes Leitung hat die Firma Kampala an Wasser- und | |
| Abwassersysteme angeschlossen, auch die Slums. Derzeit erschließt Fichtner | |
| die Kleinstädte Arua und Kabale an den westlichen Grenzen des Landes. Die | |
| deutsche KfW-Bankengruppe hat soeben 20 Millionen Euro für die Erschließung | |
| von 27 ländlichen Gemeinden in Uganda ausgeschrieben. Fichtner ist dabei, | |
| den Vertrag abzuschließen. | |
| Doch die Herausforderungen in Uganda haben sich verändert, sagt Schulte. | |
| „Wir können keine Wasserprojekte mehr umsetzen, ohne uns um das Abwasser zu | |
| kümmern.“ Denn in manchen Gemeinden steht den Ugandern, ähnlich wie in | |
| Nalumas Armenviertel, die Scheiße buchstäblich bis zum Knie. | |
| Schulte zeigt Fotos von seiner jüngsten Innovation: „Uga Vac“ heißen die | |
| kleinen, wendigen Minitraktoren mit dem Tank auf dem Anhänger, aus dem ein | |
| Staubsaugerrohr hervorragt. Damit lassen sich auch in den engen, | |
| verwinkelten Slums die Latrinengruben „leer schlabbern, bevor sie | |
| gefährlich voll werden und beim nächsten Regen überlaufen“. Von den | |
| Minitraktoren gelangt der Fäkalschlamm in einen großen Tanklaster, der dann | |
| zu der ebenfalls von Fichtner gebauten Fäkalschlammanlage fährt, um die | |
| Scheiße dort abzuladen. | |
| Es ist die weltweit größte Fäkalschlammanlage, am Stadtrand von Kampala | |
| gelegen. Gerade pumpt der Lkw den stinkenden Morast in ein gewaltiges | |
| Sickerbecken. Dort setzten sich die festen Bestandteile unten ab, das | |
| Wasser fließt durch einen Abfluss davon – übrig bleibt nach sechs Monaten | |
| Trocknungszeit feinster, bröckeliger Humus. | |
| ## Das ugandische Modell wird exportiert | |
| „Das geht weg wie warme Semmeln“, sagt Schulte und zerbröselt einen Klumpen | |
| in den Händen, der kaum riecht. Ugandas Rosen- und Teefarmer kaufen den | |
| Naturdünger für ihre Edelprodukte, die sie teuer nach Europa exportieren. | |
| „Die Nachfrage ist so groß, dass wir Wartelisten dafür erstellen mussten“, | |
| sagt Schulte. So wird aus ugandischer Scheiße dank deutscher Innovation | |
| gutes Geld, das die nationalen Wasserbetriebe dann wieder in den Ausbau von | |
| Kläranlagen investieren. | |
| „Internationale Hilfsorganisationen wollen Brunnen bauen und den Armen | |
| Wasser geben – Abwasser hingegen ist einfach nicht sexy“, klagt auch | |
| William Muhairwe. Er hat sich inzwischen selbstständig gemacht und berät | |
| mit seiner Firma 2ML Wasserbetriebe in anderen afrikanischen Ländern, wie | |
| sich das ugandische Modell auf ihr Land übertragen lässt. Eben kommt er aus | |
| Malawi zurück, er reist regelmäßig nach Ghana, Sierra Leone, Nigeria und | |
| Sambia, um dort den Wassersektor umzukrempeln. | |
| Umgekehrt lädt er Wasserminister und Ingenieure aus ganz Afrika nach Uganda | |
| ein, um sich die einzigartige Fäkalschlammanlage und auch das neue Klärwerk | |
| anzugucken, das von Fichtner gebaut und von der deutschen Entwicklungsbank | |
| KfW und der Europäischen Union finanziert wurde. Bis zu 70 Kubikmeter | |
| Abwasser werden dort täglich gereinigt. Dank der werkseigenen Biogasanlage | |
| versorgt sich die Anlage selbst mit Strom – ein zentraler Faktor, denn die | |
| Stromversorgung ist nicht stabil. | |
| „Wir kopieren jetzt die deutschen Modellprojekte in Uganda auf dem ganzen | |
| Kontinent“, sagt Muhairwe. Erneut muss er lachen bei dem Gedanken an seinen | |
| ersten Tag als Kriegsflüchtling vor 38 Jahren in München, damals, als die | |
| deutsch-ugandische Partnerschaft mitten im deutschen Hochsommer ihren | |
| Anfang nahm. | |
| 14 May 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Simone Schlindwein | |
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