# taz.de -- Regionalwahlen in Schottland: Labour kämpft um den zweiten Platz | |
> Die Mehrheit der Schotten ist für den Verbleib in Großbritannien. Das | |
> kann sich schnell ändern, sollten die Briten für den Brexit stimmen. | |
Bild: Auf Loch Ness in den Highlands: Kommt der Brexit, wollen die Schotten ihr… | |
DUBLIN taz | Vor zwei Jahren hat die separatistische Scottish National | |
Party (SNP) bei den britischen Parlamentswahlen in Schottland 56 von 59 | |
Sitzen abgeräumt. Bei den Wahlen zum schottischen Regionalparlament am 5. | |
Mai ist ein solch überwältigender Sieg ausgeschlossen, denn das Wahlsystem | |
ist differenzierter als das für das britische Unterhaus. Die schottischen | |
Wähler haben zwei Stimmen. In den 73 Wahlkreisen werden die Abgeordnete | |
direkt gewählt, die übrigen 56 Abgeordneten ziehen über die Listenwahl ins | |
Parlament ein. | |
Dieses Wahlsystem sollte eigentlich eine absolute Mehrheit für eine Partei | |
verhindern. Es war deshalb eine Überraschung, dass es der SNP vor fünf | |
Jahren dennoch gelungen ist. Niemand zweifelt daran, dass die Partei dieses | |
Kunststück diesmal nicht nur wiederholen, sondern sogar verbessern kann. | |
Die Zahl der Parteimitglieder hat sich nach dem Referendum im September | |
2014, als die Schotten für den Verbleib im Vereinigten Königreich stimmten, | |
vervielfacht. Doch das kann zum Problem für die populäre Parteichefin | |
Nicola Sturgeon werden. | |
Die neuen Mitglieder wollen möglichst bald den Volksentscheid wiederholen. | |
Sturgeon weiß jedoch, dass die Unterstützung für die SNP keineswegs | |
identisch mit der Unterstützung für die Unabhängigkeit ist. Es herrscht | |
kein großes Verlangen nach erneutem Referendum, nur ein Drittel ist dafür. | |
Sturgeon versucht deshalb einen Balanceakt. Auf dem Parteitag im März sagte | |
sie vage, dass die SNP im Sommer einen neuen Anlauf nehmen werde, um für | |
die Unabhängigkeit zu werben. Dafür erhielt sie stehende Ovationen. Bisher | |
liegen beide Seiten gleichauf. | |
Viel hängt von dem Referendum über die britische EU-Mitgliedschaft Ende | |
Juni ab. Eine deutliche Mehrheit der Schotten ist für den Verbleib in der | |
EU. Sollten sich die Briten dagegen entscheiden, wird Sturgeon ihre | |
bisherige Zurückhaltung aufgeben und ein erneutes Unabhängigkeitsreferendum | |
anstreben müssen. Schottland würde nach einem erfolgreichen Volksentscheid | |
die EU-Mitgliedschaft beantragen. | |
Früher regierte sie in Schottland unangefochten, ohne sich sonderlich | |
anzustrengen. Das stellte sich später als Nachteil heraus. Als es darauf | |
ankam, wusste man gar nicht mehr, wie man Wahlkampf betreibt. | |
## Thatcher benutzte Schottland als Testgelände | |
Die Wende begann im Grunde bereits mit Margaret Thatcher. Die | |
Tory-Premierministerin benutzte Schottland als Testgelände für unbeliebte | |
politische Maßnahmen wie die Kopfsteuer. Sie sei deshalb die „größte | |
schottische Nationalistin“ gewesen, sagte der ehemalige Liberalen-Chef | |
Charles Kennedy einmal. Sie habe es geschafft, die Schotten zu einer Nation | |
von Thatcher-Hassern zu machen, und viele übertrugen diesen Hass ganz | |
allgemein auf England. Als Labour dann 1997 an die Macht kam und den | |
Schotten ein eigenes Parlament gab, war der Boden für die SNP bereitet. | |
Für die Labour Party geht es am 5. Mai nur darum, gegen die Tories die | |
Stellung als größte Oppositionspartei zu verteidigen. Beide Parteien werden | |
ebenfalls von Frauen angeführt – die Tories von Ruth Davidson, Labour von | |
Kezia Dugdale. Dass die Tories vom zweiten Platz träumen dürfen, liegt am | |
Zusammenbruch von Labour. Erstmals seit 1997 haben die Konservativen bei | |
Meinungsumfragen zugelegt, wenn auch nur um 3 Prozent. Labour hingegen hat | |
seit dem Unabhängigkeitsreferendum 2014 mehr als 10 Prozent eingebüßt. Ihre | |
Anhänger haben es der Partei nicht verziehen, dass sie gemeinsame Sache mit | |
den Tories gemacht hat, um die Unabhängigkeit zu verhindern. | |
Dugdale sagt, sie benötige fünf Jahre, um Labour wieder etwas Leben | |
einzuhauchen. Sie stammt aus Aberdeen, der Ölhauptstadt Großbritanniens, | |
aber die 34-jährige Juristin lebt mit ihrer Partnerin schon lange in | |
Edinburgh. Dugdale wurde 2011 ins schottische Parlament gewählt, nur vier | |
Jahre später übernahm sie die Parteiführung. | |
Für die meisten Schotten hat die Finanzierung des Gesundheitssystems | |
Priorität. Dugdale versprach deshalb, die Einkommensteuer um einen Penny | |
anzuheben, was aufgrund der Machtübertragung aus London ab dem Sommer | |
möglich ist. Doch auch damit kann sie die Schotten nicht überzeugen: Eine | |
Mehrheit will, dass die Einkommensteuer für Spitzenverdiener ab 150.000 | |
Pfund im Jahr von 45 auf 50 Prozent erhöht wird, um das Gesundheitssystem | |
zu erhalten. | |
4 May 2016 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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