| # taz.de -- Zum Tag der Regenbogenfamilien: „Berlin ist für uns ein guter Or… | |
| > Lesben und Schwule mit Kindern gehören vielerorts zum Alltag. | |
| > Diskriminierung gebe es aber weiterhin, so Constanze Körner vom | |
| > Regenbogenfamilienzentrum. | |
| Bild: „Auch Kinder aus Regenbogenfamilien haben ein Coming-out: Sie müssen i… | |
| taz: Frau Körner, ist Berlin die Hauptstadt der Regenbogenfamilien? | |
| Constanze Körner: Gefühlt ja. Sehr viele homo- oder transgeschlechtliche | |
| Menschen ziehen nach Berlin, weil das Klima hier offener ist, auch für | |
| Familiengründungen. Anderswo gibt es auch keine vergleichbaren Netzwerke. | |
| Berlin ist für Regenbogenfamilien schon ein besonderer, ein guter Ort. | |
| Das Statistische Bundesamt geht bundesweit von 9.000 Kindern aus, die bei | |
| gleichgeschlechtlichen Paaren groß werden. Gibt es Daten für einzelne | |
| Bundesländer? | |
| Nein, leider nicht. Ich denke auch, dass die Zahlen des Statistischen | |
| Bundesamtes zu niedrig liegen. Regenbogenfamilien sind ja Familien, in | |
| denen sich mindestens ein Elternpaar als schwul, lesbisch, bisexuell, | |
| trans* oder queer versteht. Ich kenne viele alleinstehende lesbische | |
| Frauen, die sich ihren Kinderwunsch erfüllen, auch wenn sie keine | |
| Partnerschaft haben. Sie gehören zu den Regenbogenfamilien dazu, fallen | |
| aber aus der Statistik heraus. | |
| Seit drei Jahren leiten Sie das bundesweit einzige | |
| Regenbogenfamilienzentrum in Schöneberg. Lesben, Schwule und Transpersonen | |
| können bei Ihnen Krabbelgruppen und Elterntreffs besuchen oder sich beraten | |
| lassen. Wie viele Menschen kommen zu Ihnen? | |
| Wir haben im vergangenen Jahr 520 Menschen beraten, zu rechtlichen Fragen, | |
| zum Thema Kinderwunsch, bei Trennungen. Vor allem die Vernetzungs- und | |
| Gruppenangebote sind sehr gefragt. Mehrere Tausend haben im vergangenen | |
| Jahr unsere Angebote genutzt. | |
| Steigt die Nachfrage mit den Jahren? | |
| Bei den Beratungsgesprächen nicht, da haben wir unsere Kapazitätsgrenze | |
| erreicht. Aber man merkt schon, dass immer mehr Familien nachwachsen. Die | |
| Geburtsvorbereitungskurse sind gut nachgefragt. Die Krabbelgruppe war im | |
| vergangenen Jahr völlig ausgebucht, da hatten wir über 200 Nutzer_innen | |
| mehr als im Jahr davor. | |
| Es kommen wahrscheinlich mehr Frauen als Männer … | |
| Auf jeden Fall. Bei den Vernetzungstreffen zum Thema Kinderwunsch sind die | |
| Männer auch sehr präsent. Aber wenn die Kinder erst einmal da sind, kümmern | |
| sich doch zu 90 Prozent die Frauen. Wir stellen allerdings fest, dass immer | |
| mehr schwule Paare Pflegekinder bekommen. Die Stadt ist aktiv dabei, | |
| Schwule und Lesben als Pflegeeltern einzusetzen. Das freut uns natürlich. | |
| Am Wochenende wird der Internationale Tag der Regenbogenfamilien begangen, | |
| unter dem Motto „Families without borders – Familien ohne Grenzen“. Worauf | |
| zielt das ab? | |
| Zu uns kommen immer mehr binationale und internationale Paare. Bei einer | |
| Veranstaltung hatten wir kürzlich Menschen aus Italien, Mexiko, Israel, | |
| Argentinien, Russland und anderen Ländern da. Die rechtliche Absicherung | |
| von Regenbogenfamilien unterschiedlicher Herkunft ist sehr kompliziert. | |
| Zum Beispiel? | |
| Ich habe ein spanisches Paar beraten. Die beiden Frauen haben in Spanien | |
| geheiratet und ein Kind gekriegt, sie waren beide in der Geburtsurkunde | |
| vermerkt. Jetzt bekommen sie ein zweites Kind in Deutschland, jetzt muss | |
| die Lebenspartnerin der leiblichen Mutter das zweite Kind adoptieren, um | |
| rechtlich voll anerkannt zu sein. Ich berate auch einige deutsch-polnische | |
| Paare. Die polnischen Behörden wollen für eingetragene | |
| Lebenspartnerschaften in Deutschland jetzt keine Abstammungsurkunden mehr | |
| ausgeben, haben sie mir berichtet. Die braucht man aber, wenn man eine | |
| eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen will. So etwas müssen wir | |
| mitdenken. | |
| Ziehen gleichgeschlechtliche Paare etwa aus Polen extra nach Berlin, weil | |
| das Klima hier entspannter ist? | |
| Dafür gibt es unterschiedliche Gründe. Viel hat sicherlich mit dem freien | |
| Leben hier zu tun, viel aber auch mit dem Job, dem Arbeitsmarkt. | |
| Ist es für Regenbogenfamilien inzwischen egal, in welchem Stadtteil sie | |
| leben? | |
| Das zu sagen wäre vermessen. Aber viele Menschen werden ja aus der | |
| Innenstadt verdrängt. Auch Regenbogenfamilien ziehen vermehrt an den | |
| Stadtrand, weil sie sich die Mieten in der Stadt nicht mehr leisten können. | |
| Ich selbst wohne zum Beispiel in Köpenick, da leben inzwischen viele | |
| Regenbogenfamilien, es gibt eine größere Sichtbarkeit. | |
| Wo erleben Regenbogenfamilien denn noch Diskriminierung? | |
| Es gibt die rechtlichen Nachteile. Und die strukturelle Diskriminierung: In | |
| Anmeldeformularen tauchen immer wieder nur „Mutter“ und „Vater“ auf, da… | |
| vieles nur hetero gedacht. Wir machen dazu Fortbildungen, versuchen für die | |
| Belange der Regenbogenfamilien zu sensibilisieren. Es gibt Einrichtungen, | |
| die eine Willkommenskultur auch für gleichgeschlechtliche Paare entwickeln. | |
| Das ist wichtig, denn es schafft ein anderes Zugehörigkeitsgefühl. Wenn | |
| Familienzentren oder Kitas gefördert werden, müssen sie sich mit dem Thema | |
| Regenbogenfamilien beschäftigen. Ich denke, Berlin ist da auf einem guten | |
| Weg. | |
| Wo sehen Sie bei Ihrer Arbeit die größten Baustellen? | |
| Die Kinder aus den Regenbogenfamilien wachsen heran. Auch sie haben ein | |
| Coming-out, sie müssen ihre Familie outen in ihrer Peergruppe, an ihrer | |
| Schule. Das ist nicht immer einfach. Da sollten wir Angebote machen, um sie | |
| zu unterstützen. | |
| 30 Apr 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Antje Lang-Lendorff | |
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