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# taz.de -- Kinder in Regenbogenfamilien: Zwei Papas und stolz darauf
> Kinder lesbischer oder schwuler Paare erleben ihre familiäre Situation
> als völlig normal. Doch die Hetero-Umwelt hat oft Schwierigkeiten
> Homo-Familien zu verstehen.
Bild: Manche Paare müssen sich mit Fake-Babys begnügen, denn Väter werden is…
Wenn Michael Hirt über seinen Sohn Maik (Name geändert) spricht, über die
innige Beziehung zu ihm, werden seine Augen feucht. "Das war damals Liebe
auf den ersten Blick", sagt er. Vor fünf Jahren hat er den heute 8-Jährigen
als Pflegesohn aufgenommen. Heute ist es "sein Sohn", der seinen Nachnamen
trägt, für den er der "Papa" ist. Maik konnte nicht mehr bei seinen
leiblichen Eltern leben, weil sie alkoholkrank waren, ihn verwahrlosen
ließen.
Hirt ist schwul. Mit seinem damaligen Partner entschied er, ein Kind
aufzunehmen, eine Regenbogenfamilie zu gründen. "Nicht aus egoistischen
Gründen, sondern aus sozialer Verantwortung", sagt er. Sie wollten einem
Kind, dem Unrecht geschehen ist, ein gutes Zuhause geben. Eine
gemeinschaftliche Adoption von homosexuellen Paare ist in Deutschland nicht
möglich. Es blieb die Pflegschaft.
Die Beziehung zu seinem Partner zerbrach, Hirt lernte einen neuen Mann
kennen. Die beiden zogen zusammen und Maik wuchs vier Jahre lang in einer
großen und modern eingerichteten Neubauwohnung in Berlin-Friedrichshain mit
zwei Papas auf. Seit Ende der Beziehung ist aus der Regenbogen- eine
Patchworkfamilie geworden.
"Für meinen Sohn ist es Alltag, dass ich schwul bin. Ich versuche, ihm
meine Homosexualität als etwas Normales zu vermitteln", sagt Hirt. Wie so
viele Kinder aus Regenbogenfamilien hat auch Maik, wie Psychologen
bescheinigt haben, eine ausgeprägte Sozialkompetenz, eine große Toleranz
anderen gegenüber.
Die gängigen Vorurteile und Argumente der Gegner von Regenbogenfamilien
sind, dass Kinder, die bei zwei Vätern oder zwei Müttern groß werden, vor
allem in der Schule Diskriminierung erleben. Durch Gleichaltrige. Maik kann
das nicht bestätigen. Er hat bisher kaum Anfeindungen von anderen Kindern
erleben müssen.
"In der Schule ist er beliebt. Natürlich wird er von vielen als Exot
gesehen, aber selten im negativen Sinn", sagt sein Vater. Mit seiner besten
Freundin spielt er manchmal Familie. Dass dabei zwei Kens oder zwei Barbies
ein Kind betreuen, ist für die Kinder selbstverständlich. "Freunde fanden
es oft spannend, wenn er stolz von seinen ,zwei Papas' erzählte", sagt
Michael Hirt.
## Von den Freichristen gemieden
Hanna ist 18 und hat zwei Mamas. Ihre leibliche Mutter hat sich kurz nach
ihrer Geburt von ihrem Vater getrennt. Vor zehn Jahren heiratete sie ihre
Partnerin. Seitdem leben sie zu dritt in Lörrach, einer Kleinstadt südlich
von Freiburg. "In der Pubertät fand ich das schwierig, habe mich sogar
geschämt", sagt Hanna. Sie wollte nicht, dass ihre Mitschüler von ihrer
lesbischen Mutter erfahren. Außer ein paar engen Freundinnen.
Hanna war in der 6. Klasse, als ihre Mutter heiratete. Zur Hochzeit wollte
sie einen guten Freund einladen - aber dessen Eltern verboten das. "Das
waren Freichristen und er sollte plötzlich keinen Kontakt mehr zu mir
haben", sagt Hanna. Sie beschloss, in Zukunft vorsichtiger zu sein, bevor
sie von ihrer Regenbogenfamilie erzählte.
Im Nachhinein sei diese Angst unbegründet gewesen. "Ansonsten habe ich nie
Diskriminierung erlebt", sagt Hanna. Die Distanzierung von ihren Mütter sei
ein normaler Abnabelungsprozess gewesen. Heute verheimlicht sie nichts mehr
- und damit hat sie vor allem positive Erfahrungen gemacht.
## Selten gezielte Diskriminierung
Kinder aus Regenbogenfamilien erleben ihre familiäre Situation meist als
völlig normal. Das belegt eine Studie der Humboldt-Universität Berlin, die
Freitag auf der Konferenz "School is out?!" vorgestellt wird. "Für sie ist
das ihr Alltag. Aber sie wissen natürlich, dass es für ihre Umwelt nicht
normal ist", sagt Studienleiterin Uli Streib-Brzic.
Gezielte Diskriminierung erfahren Kinder, die bei homosexuellen Eltern
aufwachsen, entgegen den Befürchtungen nur selten. Echtes Mobbing in der
Schule oder anderswo wegen der schwulen oder lesbischen Eltern hat kaum
eines erlebt. Als störend und diskriminierend empfinden aber viele, wenn
sie Mitschüler zu oft nach ihren Eltern ausfragen. "So wissen sie, dass sie
als abnormal gesehen werden und fühlen sich infrage gestellt", so
Streib-Brzic.
Gegen diese Denormalisierung, wie die Forscher es nennen, entwickeln die
Kinder ihre eigenen Strategien. So wird die Homosexualität der Eltern oft
als unwichtig klassifiziert. Sie überlegen zugleich genau, welchen anderen
Kindern sie von ihrer Familie was erzählen. Nach diskriminierenden
Erlebnissen suchen sie den Rat der Eltern.
Solche Strategien drücken den Wunsch aus, dass auch die Gesellschaft und
die Mitschüler Regenbogenfamilien als normal empfinden sollen. Die Forscher
kommen zu dem Ergebnis, dass sich die meisten Kinder schwuler oder
lesbischer Eltern in einem ständigen Spannungsfeld zwischen der meist
heteronormativen Peergroup und der Loyalität gegenüber den Eltern befinden.
## Die eigene Heterosexualität betonen
Im Laufe der Pubertät betonen Regenbogenkinder häufig ihre eigene
Persönlichkeit und ihre eigene Heterosexualität. So machen sie klar, dass
sie nicht ausschließlich als Kind einer Regenbogenfamilie definiert werden
wollen. "Da sind sie vergleichbar mit anderen Jugendlichen: Es ist ja ihre
Aufgabe, sich von den Eltern abzunabeln", sagt Streib-Brzic. Im Gegensatz
zu vielen anderen sind Kinder, die mit homosexuellen Eltern aufgewachsen
sind, aber toleranter anderen gegenüber und geben sich selten mit
stereotypen Geschlechteraufteilungen zufrieden.
Dabei stoßen sie aber auf eine Gesellschaft, der Regenbogenfamilien oft
noch fremd sind. Gerade die Schulen versäumen es, alternative
Familienformen und Lebensentwürfe im Unterricht aufzunehmen. Es ist oft dem
Engagement einzelner Lehrer überlassen, das Thema Homosexualität und Kinder
zu thematisieren. Viele homosexuelle Eltern kritisieren, dass die Schulen
stereotype Geschlechterrollen bedienen, statt sie aufzubrechen.
Dass Schwule und Lesben Kinder großziehen ist ein neues Phänomen. Deshalb
sind die meisten, die in Regenbogenfamilien aufwachsen, noch sehr jung. Nur
ein Bruchteil geht bereits in die Schule. Das wird sich in ein paar Jahren
ändern - vor allem in den Großstädten. Uli Streib-Brzic ist sich sicher:
"Spätestens dann müssen auch die Schulen mehr anbieten als das gängige
Familienkonzept."
2 Dec 2011
## AUTOREN
Paul Wrusch
Paul Wrusch
## TAGS
Familie
Ehe für alle
Regenbogenfamilie
Regenbogenfamilie
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