# taz.de -- Patchworkfamilien: Impfungen mit Stiefpapas Segen | |
> Es gibt sie immer öfter, doch das Familienrecht kennt keine | |
> Patchworkfamilien. Das schafft praktische Hürden: beim Arzt, auf Reisen. | |
> Die Grünen wollen das ändern. | |
Bild: Mama, Papa, zwei Kinder? Nicht unbedingt Alltag in heutigen Familien. | |
BERLIN taz | Immer wieder gibt es Szenen wie diese: Sabine K. steht am | |
Check-in, sie will mit ihrer Tochter und der Tochter ihres Lebensgefährten | |
nach Spanien in den Urlaub fliegen. Michael und sein Sohn sind schon dort, | |
sie wollen „ihre Frauen“ in drei Stunden abholen. Aber gerade weiß Sabine | |
K. nicht, ob sie überhaupt ins Flugzeug steigen kann. Denn für ihre | |
„Stieftochter“, für die Sabine seit Jahren wie eine zweite Mutter ist, hat | |
sie kein Papier, das bestätigt, dass sie mit dem Kind reisen darf. Das muss | |
vom Vater oder von der biologischen Mutter unterschrieben sein. | |
Patchworkfamilien, wie Sabine K. und ihr Freund eine sind, haben heute | |
keine rechtliche Absicherung. Im Alltag stehen oft vor ganz praktischen | |
Hürden: Kann ein sozialer Vater beim Kinderarzt einer Impfung zustimmen, | |
darf er beim Elternabend etwas mitbeschließen? Darf die soziale Mutter ihr | |
„neues“ Kind selbstverständlich aus der Kita abholen und für die Schule | |
Entschuldigungszettel unterschreiben? Bislang ist die Patchworkfamilie, | |
eine aus nicht mehr bestehenden Beziehungen neu zusammengewürfelte | |
Konstellation, im Familienrecht nicht vorgesehen. | |
Dabei gibt es immer mehr Kinder, die in solchen Verhältnissen groß werden. | |
Jede dritte Ehe wird heute geschieden, viele Paare heiraten gar nicht erst. | |
Etwa jedes vierte Kind wächst laut „Familienreport 2010“ nicht mit beiden | |
biologischen Elternteilen auf, und für jedes zehnte Kind gibt es eine neue | |
Mutter oder einen neuen Vater. In 5.000 sogenannten Regenbogenfamilien | |
wachsen rund 6.600 Kinder mit gleichgeschlechtlichen Eltern auf. | |
Zusammenleben mit Kindern ist heute vielfältiger denn je. Das sollte auch | |
gesetzlich geregelt werden, fordern jetzt die Grünen: Soziale Elternschaft | |
müsse rechtlich anerkannt werden. Daher erarbeiten die Grünen gerade einen | |
Gesetzentwurf für ein „Institut Elterliche Mitverantwortung“. Erste Ideen | |
dazu sollen am Donnerstag in Berlin vorgestellt werden. | |
## Das Kindeswohl im Vordergrund | |
Danach sollen alle PatchworkerInnen, im Höchstfall aber vier Personen – die | |
beiden leiblichen Eltern und deren neue PartnerInnen – die soziale | |
Elternschaft auf dem Familiengericht beantragen können. Das Gericht prüft, | |
ob die „gemeinsame soziale Elternschaft“ dem Kindeswohl dient. Ist das so, | |
bekommen die Erwachsenen eine Art Familienpass. Der kann dann am Flughafen, | |
in der Kita oder beim Arzt vorgezeigt werden. Die „soziale Elternschaft“ | |
wird nur erteilt, wenn alle Beteiligten das wollen. | |
Bei Familienverbänden trifft der Grünen-Vorstoß auf Zustimmung. „Das würde | |
die Situation Betroffener erleichtern“, sagt Barbara König, | |
Geschäftsführerin vom Zukunftsforum Familie. | |
Mit dem neuen „Institut“ sollen „Dinge des Alltags“ geregelt werden, sa… | |
Katja Dörner, familienpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion. Ausnahmen: | |
Namen, Religion und das Aufenthaltbestimmungsrecht sollen die leiblichen | |
Eltern vorgeben dürfen. Können der biologische Vater oder die biologische | |
Mutter nicht mehr für das Kind sorgen, beispielsweise durch Krankheit, | |
Unfall oder Tod, soll das Kind beim sozialen Elternteil bleiben können. Das | |
ist bislang ausgeschlossen. | |
Schwierig wird es beim Erb- und Unterhaltsrecht. Darf der biologische Vater | |
beispielsweise seinen Kindesunterhalt kürzen, wenn seine Exfrau einen neuen | |
Mann hat, der auch finanziell für sein neues soziales Kind sorgt? „Das ist | |
eine der kompliziertesten Fragen überhaupt“, sagt Ingrid Hönlinger, | |
demokratiepolitische Sprecherin der Grünen. Um das zu klären, will die | |
Fraktion ein Gutachten in Auftrag geben. | |
Im Sommer will die Fraktion ihr Papier mit Familienverbänden debattieren | |
und es im Herbst beschließen. | |
24 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Simone Schmollack | |
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