# taz.de -- Kommentar Patchworkfamilie: Die Verantwortung bleibt bei den Eltern | |
> Eine klare gesetzliche Regelung für Patchworkfamilien kann den Druck | |
> nehmen, für alles verantwortlich zu sein. Trotzdem ist zu befürchten, | |
> dass Betroffene das ablehnen werden. | |
Wer schon einmal in der Kita verzweifelte, weil er das Kind seiner | |
Lebensgefährtin nicht abholen durfte – „Haben Sie eine Vollmacht?“ –, … | |
den Grünen vermutlich danken. Die Oppositionspartei will den sogenannten | |
Patchworkfamilien zu mehr Rechten verhelfen: beim Arzt, in der Schule, am | |
Flughafen. Soziale Eltern sollen ähnlich behandelt werden wie die | |
biologische Mutter und der biologische Vater. | |
Diese Idee ist richtig. Sie zielt darauf, bestehende Familiengesetze, die | |
teilweise aus dem vergangenen Jahrhundert stammen, der Lebensrealität | |
heutiger Familien anzupassen. | |
Denn es ist ein Fakt: Immer mehr Mädchen und Jungen wachsen nicht in der | |
klassischen Vater-Mutter-Kind-Konstellation auf, viele Kinder getrennter | |
Eltern bekommen irgendwann eine „Zweitmutter“ und einen „Bonusvater“ und | |
häufig neue Geschwister. Die meisten Betroffenen arrangieren sich gut | |
damit, die „neuen“ Eltern sorgen emotional, sozial und meist auch | |
finanziell für ihre neuen Kinder. Für sie es oft umständlich, das immer | |
wieder erklären und belegen zu müssen. Hier praktische Hürden abzubauen, | |
erleichtert den Patchworkalltag ungemein. | |
Auf der anderen Seite schafft ein weiteres Gesetz weitere Bürokratie. | |
Gerade Eltern klagen über die Fülle von Anträgen, Erklärungen, Papieren. | |
Mit einem neuen Gesetz müssen zusätzliche Vereinbarungen getroffen und | |
sogar Gerichte beauftragt werden. Ist das nötig? | |
Patchworkfamilien hat es schon immer gegeben. Sie standen nur nicht im | |
politischen Fokus. Trotzdem organisierten die Betroffenen ihr Miteinander. | |
Das tun sie momentan ja auch – ganz ohne eigenes Gesetz. Jedoch: Häufig | |
verteilt sich die Last zwar auf den Schultern von vier Erwachsenen, die | |
letzte Verantwortung indes liegt bei den biologischen Eltern. | |
Insofern kann eine gesetzlich erweiterte soziale Sorge auch eine Chance | |
bedeuten: für jene Eltern, die sich überlastet fühlen. Eine klare Regelung | |
kann den Druck nehmen, alles allein entscheiden zu müssen und für alles | |
verantwortlich zu sein. | |
Trotzdem ist zu befürchten, dass viele Betroffene genau das ablehnen | |
werden: weil die Wunden nach der Trennung noch nicht verheilt sind. Sätze | |
wie diese kennt man: Der Neue hat schon meine Frau, meine Kinder kriegt der | |
nicht! Das ist zu respektieren. Deswegen ist es richtig, nichts gegen den | |
Willen einzelner Betroffener festzulegen. | |
24 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Simone Schmollack | |
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