| # taz.de -- Thomas Vinterbergs Film „Die Kommune“: Ein Kollektiv aus dem Ge… | |
| > Wenn Gefühl und Anspruch in Konflikt geraten: Thomas Vinterbers „Die | |
| > Kommune“ überzeugt mit einer mitreißenden Trine Dyrholm. | |
| Bild: Ein geradezu exemplarisches Frauenschicksal seiner Zeit: Trine Dyrholm in… | |
| Dem Begriff der Kommune haftet heute ja eher etwas Lächerliches an. | |
| Erwachsene Menschen, die außerhalb von Liebesbeziehungen zusammenwohnen und | |
| ihr Leben teilen, ohne dass ein sozialer Notstand wie Armsein, Altsein oder | |
| Kranksein sie dazu zwänge? So etwas hat heute doch sehr an Glanz verloren. | |
| Allein schon deshalb ist es wohltuend, dass Thomas Vinterberg am Beginn | |
| seiner Geschichte über eine „Kommune“ im Dänemark der 70er Jahre | |
| hervorhebt, dass deren Gründung ein Akt der Lust und Euphorie war, Lust auf | |
| andere, Lust auf das Anderssein. | |
| Da erbt ein gar nicht mal mehr junger Mann, Erik (Ulrich Thomsen) ein | |
| stattliches Haus. Für seine eigene Kleinfamilie, bestehend aus Ehefrau Anna | |
| (Trine Dyrholm) und Teenager-Tochter Freja (Martha Sofie Wallstrøm Hansen) | |
| ist es viel zu groß. Der logische nächste Schritt wäre, es zu verkaufen. | |
| Doch Anna hat eine Idee: Was wäre, wenn sie das Haus eben nicht allein | |
| bewohnen? Ist es nicht in ihrer 15-jährigen Ehe etwas langweilig geworden? | |
| Außerdem wollte Anna schon immer mal mit ihrem alten Freund Ole (Lars | |
| Ranthe) zusammenleben, nicht aus erotischem Interesse, sondern weil Ole | |
| eben ein origineller Typ ist. Und Ole bringt seine Frau Mona (Julie Agnete | |
| Vang) mit. | |
| Gemeinsam holen sie das Paar Steffen (Magnus Millang) und Ditte (Anne Gry | |
| Henningsen) mit ihrem kleinen Sohn Vilads (Sebastian Grønnegaard Milbrat) | |
| ins Boot. Und dann stößt mit Allon (Fares Fares) auch noch ein Immigrant | |
| hinzu, der zwar kaum Miete zahlen kann, aber doch ins Wunschbild der | |
| gesuchten neuen Erfahrungen passt. | |
| Vinterberg zeigt den Findungsprozess dieser Kommune als Montage-Sequenz, in | |
| der freudige Erwartung das Leitthema bildet. Der Prozess erscheint als | |
| Gegenteil von dem, was heute Casting heißt. Da werden keine „Eignungen“ | |
| abgewogen oder abgefragt, keine Tests veranstaltet; es ist der Wille zum | |
| Mitmachen, der zählt. Die Geburt des Kollektivs aus dem Geist der Liebe. | |
| ## Kann das gutgehen? | |
| Sicher kommen auch Störfaktoren zutage, aber Vinterberg zeigt mit den sehr | |
| erwachsenen Gesichtern seiner Figuren, dass hier niemand eine durchgehend | |
| glatte See erwartet. Die möglichen Konfliktstellen sind einfach da: Ulrich | |
| Thomsens Erik beharrt auf Verträgen und Regeln, Allon hat kein Geld und | |
| weint allzu leicht, Ole kämpft gegen Unordnung, indem er unnötig | |
| Herumliegendes gelegentlich im Garten verbrennt. Kann das gutgehen? | |
| Man glaubt zu wissen, wo der Film hinführt: vom Streit darüber, wer die | |
| Bierkasse auffüllt, zur Einsicht, dass „Jeder nach seinen Fähigkeiten, | |
| jedem nach seinen Bedürfnissen“ eben nicht funktioniert. Doch Vinterberg, | |
| der bekanntermaßen als Kind in einer solchen Kommune aufwuchs, interessiert | |
| sich stattdessen für eine intimere und komplexere Frage: Was passiert, wenn | |
| die Gefühle den Ansprüchen nicht hinterherkommen? | |
| Als Erik sich in eine seiner jungen Studentinnen verliebt, besteht Anna | |
| darauf, dass diese mit einzieht in die Kommune. Im großartigen, | |
| mitreißenden Spiel von Trine Dyrholm wird deutlich, wie viele gemischte | |
| Gefühle zu dieser Entscheidung beitragen: die hehren Ideale, die | |
| Besitzanspruch und Liebe voneinander trennen wollen, ein bisschen | |
| schlechtes Gewissen darüber, dass sie den Ehemann vernachlässigt hat, ein | |
| bisschen neidische Neugier auf die neue Frau und viel, ganz viel | |
| Anhänglichkeit an den alten Partner. | |
| ## Starke Frau | |
| Und dann zerbricht die starke Frau fast an der Widersprüchlichkeit ihrer | |
| Gefühle und ihrer Ideale. Es ist ein geradezu exemplarisches | |
| Frauenschicksal seiner Zeit: Anna, die es gewagt hat zu träumen, muss aus | |
| ihrem eigenen Traum erwachen. | |
| Statt den erwarteten und inzwischen fast obligatorischen Abgesang auf die | |
| 68er mit ihren bourgeoisen Egoismen zu präsentieren, lässt Vinterberg | |
| seinen Film in ein Melodram münden. Man kann das merkwürdig, ja unangenehm | |
| finden. Ist so viel Privates noch politisch? Irritierend ist auch, dass der | |
| Film keine Verurteilung für Eriks Untreue vorzuschreiben scheint. | |
| Aber in dieser Neutralität, die auf der anderen Seite auch Annas Leiden nie | |
| klein macht, liegt die große Stärke von „Kommune“: Gefühle entscheiden, … | |
| führt Vinterberg mit großer Sensibilität vor, aber über Gefühle lässt sich | |
| nicht richten. Der Film besteht gewissermaßen auf seine Art der | |
| Gleichberechtigung: Was mit Lust und Freude begann, wird durch späteren | |
| Schmerz nicht wertlos. | |
| 20 Apr 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Barbara Schweizerhof | |
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