# taz.de -- Mehr Schutz für die Ressource Boden: Bodenfresser Europa | |
> In der EU wird die Fläche mit fruchtbaren und ökologisch wertvollen Böden | |
> immer kleiner. Ein Bündnis will das ändern. | |
Bild: Ein Teil der Böden wird beim Straßenbau zerstört | |
BERLIN taz | Die EU zerstört jährlich rund 1.000 Quadratkilometer Boden | |
durch Landnahme und Landnutzungsänderungen – eine Fläche, auf der man | |
Getreide für fünf Millionen Menschen anbauen könnte. Eine der Folgen: | |
Europäer nutzen bereits zur Hälfte Böden außerhalb ihres Territoriums, um | |
den eigenen Lebensmittel- und Rohstoffbedarf zu befriedigen. Die EU ist | |
also ein Bodenfresser, eine Baggerraupe Nimmersatt, ein Ressourcenräuber in | |
eigenen und fremden Territorien. | |
Die Zahlen nannten Tiziano Cattaneo und Damiano di Simine von | |
[1][People4Soil] auf der Tagung „Boden und Bodenschutz in Europa“, die | |
Mitte April in der Evangelischen Akademie Tutzing stattfand. Die von der | |
italienischen Umweltorganisation Legaambiente mitgegründete europaweite | |
Initiative versucht der Landnahme Einhalt zu gebieten. | |
Das Netzwerk von mittlerweile 230 Umweltinitiativen und | |
Bauernorganisationen in allen 28 EU-Ländern will ab September eine Kampagne | |
zur Rettung des Bodens starten. Über die Bildung einer „Europäischen | |
Bürgerinitiative“ sollen mindestens eine Million Unterschriften gesammelt | |
werden. Ziel ist es, EU-weit den Boden zu schützen und als Gemeingut ins | |
Bewusstsein zu rücken. | |
Die idyllisch am Starnberger See gelegene Evangelische Akademie ist bekannt | |
für Agenda-Setting im Umweltbereich. Schon 1997 wurde hier über den Entwurf | |
einer UN-Bodenkonvention nachgedacht. Im Jahr 2000 erwuchs daraus analog | |
zum „Klimabündnis“ das 10 EU-Länder und rund 200 Gemeinden und Initiativen | |
umfassende Bodenbündnis [2][European Land and Soil Alliance (ELSA)], dessen | |
Mitglieder sich zu nachhaltigem Umgang mit Böden verpflichten. | |
Diskutiert wurde in Tutzing auch, ob das Thema mehr Aufmerksamkeit bekommt, | |
seit die UNO 2015 das „Jahr des Bodens“ ausrief. Die Antwort: Ja, schon. | |
Aber immer noch auf niedrigem Niveau. Auf dem Pariser Klimagipfel etwa | |
spielte es kaum eine Rolle, obwohl Böden zu den wichtigsten | |
Kohlenstoffsenken gehören. | |
## Eine endliche Ressource | |
Auch ist nur wenigen bewusst, dass fruchtbare Erde eine endliche Ressource | |
ist, die bei steigendem Nahrungsbedarf und gleichbleibendem | |
(agro)industriellem Raubbau rapide abnimmt. Wenn Deutschland die | |
UN-Nachhaltigkeitsziele verwirklichen will, so Thomas Straßburger vom | |
Bundesumweltministerium, muss es bis 2030 eine Land Degradation Neutrality | |
erreichen, also genauso viel Bodenverbesserung wie Bodenverschlechterung | |
nachweisen. | |
„Warum werden besonders fruchtbare Böden nicht besonders geschützt?“, | |
fragte der Umweltbeamte und wies darauf hin, dass sie genauso hemmungslos | |
überbaut werden können wie unfruchtbare. Bisher wird im regelmäßigen | |
Nachhaltigkeitsbericht der Bundesregierung nur die Flächeninanspruchnahme | |
berechnet, also die quantitative und nicht die qualitative Seite. Und die | |
ist erschreckend genug: Jeden Tag gehen durch Siedlungs- und | |
Verkehrsprojekte deutschlandweit 73 Hektar verloren, die Hälfte davon wird | |
versiegelt. | |
Wie also Boden schützen? Ein Beispiel ist die Renaturierung von Mooren. | |
Eine Exkursion ins nahe Schechenfilz ließ bei den Teilnehmenden die | |
Erkenntnis reifen, dass dies eine Wissenschaft für sich ist. Ein Hochmoor | |
speichert zwar große Mengen Kohlenstoff, gibt aber Methan und Lachgas ab. | |
Seine Bilanz ist nur dann klimaneutral, wenn der Grundwasserspiegel hoch | |
gehalten werden kann. In trockenen Sommern wie im Jahr 2015 gerät auch ein | |
Moor in „Klimastress“. Boden gutmachen ist viel schwerer als Boden | |
zerstören. | |
22 Apr 2016 | |
## LINKS | |
[1] http://www.people4soil.eu | |
[2] http://www.bodenbuendnis.org/ | |
## AUTOREN | |
Ute Scheub | |
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