# taz.de -- Bilanz Staatsoper-Untersuchung in Berlin: Tiefenbohrungen im Sumpf | |
> Wer hat Schuld am Millionen-Desaster der Staatsoper? Am Freitag trifft | |
> sich der Untersuchungsausschuss zur Aufklärung des Bauvorhabens zum | |
> letzten Mal. | |
Bild: Was hier an Millionen verbuddelt wurde! Baustelle der Staatsoper in Berlin | |
Nicht forte, sondern recht piano, um im Bild zu bleiben, beendet der | |
Untersuchungsausschuss „Staatsoper“ derzeit seine Arbeit. In bemerkenswert | |
entspanntem Tonfall hatten der Vorsitzende Wolfgang Brauer (Linke) und das | |
Gremium die 15. und letzte öffentliche Sitzung am vergangenen Freitag | |
abgehalten. Um 14.35 Uhr war die Zeugenvernehmung im Raum 113 des | |
Abgeordnetenhauses beendet. „Das war’s. Schönes Wochenende“, verabschied… | |
Brauer den Ausschuss. | |
Am heutigen Freitag will Wolfgang Brauer in einer Schlussrunde den | |
Mitgliedern „einen Entwurf des Abschlussberichts vorlegen, der in | |
nichtöffentlicher Sitzung beraten wird“. Eile hat der Vorsitzende nicht. | |
Bis Mitte Mai soll der Bericht stehen, mögliche Sondervoten inklusive. Am | |
9. Juni ist vorgesehen, die Ergebnisse im Parlament zu beraten. | |
Die aktuelle Zurückhaltung des Vorsitzenden und der Ausschussmitglieder ist | |
umso erstaunlich, waren doch der Streitwert des Skandalprojekts Staatsoper | |
und die Vorwürfe an die politisch und baulich Verantwortlichen bis zuletzt | |
nicht geringer geworden. | |
Im Gegenteil. Alle Befürchtungen haben sich bestätigt, ja verdichtet, wie | |
die Fraktionen jetzt unisono konstatieren. Seit der 2010 begonnenen | |
Sanierung musste die für 2013 geplante Wiedereröffnung wegen Mängeln bei | |
der Planung, Fehlern und massiven Schwierigkeiten auf der Baustelle immer | |
wieder verschoben werden. Bis dato ist der Fertigstellungstermin der | |
„Lindenoper“ im Herbst 2017 „nicht voll belastbar“, wie im Ausschuss zu | |
hören war. Ebenso gibt es Zweifel, ob es bei der Kostenexplosion von | |
ursprünglich kalkulierten 239 Millionen auf mittlerweile rund 400 Millionen | |
Euro für die Sanierung bleibt. | |
Auch die Frage „Wer hat Schuld am Millionen-Desaster?“, ist versucht worden | |
zu klären. Nur von den vermeintlich Schuldigen wollte aber keiner etwas | |
dazu beitragen. Was über unser politisches Personal viel verrät. Allein | |
darüber hätte man sich lautstark aufregen können. | |
Zu beneiden war der 9-köpfige Ausschuss aus Vertretern von SPD, CDU, Grüne, | |
Linke und Piratenpartei seit Beginn seiner Aufklärungsarbeit im Mai 2015 | |
sowieso nicht. War es schon mühsam, meterweise Akten zu wälzen, kamen | |
Störfeuer hinzu. Die Ansage, die Staatsoper-Untersuchung werde keine neuen | |
Erkenntnisse zutage fördern, die Michael Müller (SPD) bei seiner | |
Antrittsrede als Regierender Bürgermeister im Januar 2015 gemacht hatte, | |
ließ durchblicken, was zu erwarten sein würde: Von den 33 geladenen Zeugen, | |
darunter Klaus Wowereit und sein Nachfolger Müller, der Dirigent Daniel | |
Barenboim sowie die Direktoren der Opernstiftung, Planer und Architekten | |
würden die meisten beteuern, jeweils das Beste für die Opernsanierung getan | |
zu haben. Aber Bauverzögerungen und Kostenexplosionen? Können wir nix zu | |
sagen! Genauso kam es. | |
Manchmal, wie beim Auftritt der früheren Bausenatorin Ingeborg Junge-Reyer | |
(SPD), waren die Erinnerungslücken schon fast frech. Unter ihr wurde 2008 | |
die Sanierung des maroden Hauses beschlossen. Von Weisungen Wowereits, der | |
die Angelegenheit zur „Chefsache“ erklärt hatte, hingegen wollten weder sie | |
noch ihr Amtsnachfolger Müller etwas mitgekriegt haben. | |
Als Zeuge wies auch Wowereit jede Verantwortung an der Kostenexplosion | |
zurück. „Einsame Entscheidungen“ seinerseits habe es nie gegeben. Alle | |
Baumaßnahmen seien von den Fachabteilungen der Baubehörden, die Kosten von | |
den Prüfern und Haushältern unter die Lupe genommen worden. Dass es gerade | |
Wowereit war, der nach Sanierungsbeginn zustimmte, dass die Saaldecke um | |
vier Meter angehoben werden sollte und das enorme Mehrkosten nach sich | |
ziehen dürfte – geschenkt. Wowereit: „Das schien uns angesichts der | |
Gesamtsumme vertretbar.“ Korrekturen waren nicht angesagt im Roten Rathaus, | |
obwohl die Baustelle in Sichtweite quasi lichterloh brannte. | |
Es stellt sich natürlich die Frage, was der Mehrwert des | |
Staatsoper-Untersuchungsausschusses sein könnte, angesichts der Schuld- und | |
Ahnungslosigkeit der versammelten politisch Verantwortlichen. Denn billiger | |
wird die Oper nicht mehr. Abrechnungen, Rücktritte, einen besseren Entwurf | |
gab es nicht. | |
Als „Kampfinstrument“, als „scharfes Schwert der Opposition“ sind | |
Untersuchungsausschüsse einmal bezeichnet worden. Nach allen Sitzungen, dem | |
geduldigem Nachhaken der Abgeordneten gewinnt man jedoch den Eindruck, dass | |
die große Schlacht gar nicht stattgefunden hat. | |
Doch es wäre nicht richtig, daraus falsche Schlüsse zu ziehen. Nicht die | |
großen Fische, sondern die Kleinarbeit des Gremiums und die Mitarbeiter der | |
Verwaltungen haben im Ausschuss viele neue Fakten zutage gefördert. So | |
erfolgten Planungen erst während der Bauphase, wie Projektleiter | |
Hermann-Josef Pohlmann berichtete. Der politische Druck, Vorgaben aus dem | |
Senat, Dilettantismus hätten es erschwert, in die Details zu gehen, | |
kritisierten andere Zeugen. Darum erlebte man böse Überraschungen. Als | |
Hauptursache für den Zeitverzug des Baus nannten Pohlmann und Baudirektorin | |
Lüscher die schlechte Bausubstanz und das sumpfige Gelände. Das alles | |
führte zu Kostensteigerungen. Der Vorsitzende Brauer folgerte aus den | |
Aussagen, hier sei mit Wissen des Regierenden „voll auf Risiko“ gegangen | |
worden. | |
Hätte der „Chef“ Wowereit damals die Reißleine ziehen müssen? Ja, meinen | |
Brauer und die grüne Sabine Bangert. „Das Staatsoper-Debakel ist durch | |
politische Entscheidungen des damaligen Regierenden Bürgermeisters | |
entstanden.“ Klaus Wowereit trage hier „die Verantwortung für die | |
finanzielle Katastrophe und das kulturpolitische Desaster“. | |
Wenn der Untersuchungsausschuss, dessen Bericht sicher Anlass bieten wird, | |
sich zu streiten, eine zweite wirkliche Aufgabe hat, dann ist es die: So | |
chaotisch wie bei der Staatsoper kann es auf Berliner Baustellen nicht | |
weitergehen. Es muss verhindert werden. Vielleicht macht der | |
Abschlussbericht dazu Vorschläge. | |
21 Apr 2016 | |
## AUTOREN | |
Rolf Lautenschläger | |
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