# taz.de -- Susanne Paesler im Kunstmuseum Bonn: Komplexes Kalkül | |
> Radikale künstlerische Entscheidungen führten immer wieder zu Brüchen im | |
> Werk von Susanne Paesler. Eine Retrospektive. | |
Bild: Ausschnitt aus: Susanne Paesler, Ohne Titel (gepixelte Geste 2), ca. 2003… | |
Es ist ein schmales Œuvre: Die Malerin Susanne Paesler hat nur etwa 150 | |
Gemälde hinterlassen. Bevor sie sich im Kunstbetrieb etablieren konnte, | |
riss der Krebs-Tod sie im trostlos frühen Alter von gerade einmal 43 Jahren | |
aus dem Schaffen. Zehn Jahre liegt das zurück. | |
Das Kunstmuseum Bonn würdigt die Künstlerin anlässlich ihres zehnten | |
Todestags nun mit einer konzentrierten, auf 40 Arbeiten aus allen | |
Schaffensphasen (die Studienzeit nicht eingerechnet, aus der sich keine | |
Bilder erhalten haben) reduzierten Werkschau, die, chronologisch aufgebaut, | |
ihren eigenwilligen künstlerischen Weg nachvollziehen lässt. | |
Es gab in den letzten Jahren wenig Gelegenheit, Susanne Paeslers Kunst zu | |
sehen. Einzig die Kunsthalle Kiel zeigte vor sechs Jahren eine Auswahl und | |
Kasper König kaufte in seiner Zeit als Chef des Kölner Museums Ludwig drei | |
späte Werke für die Sammlung an. Darunter auch Paeslers vermutlich letztes, | |
unvollendet gebliebenes großformatiges Bild „Ohne Titel“ von 2006, das in | |
seiner verstörenden Verspieltheit Blickfang und Schlusspunkt der Bonner | |
Schau bildet. | |
Um zwei anmutig geschwungene, schwarz-weiße Jugendstilornamente ordnen sich | |
schwerelos bunte Tropfen, Ellipsen und ausgehöhlte Kreise. Poppige Farben | |
wie Rot und Froschgrün dominieren, Paeslers frühere Vorliebe für pudrig | |
pastellige Töne aus dem Make-up-Farbspektrum wird hier scheinbar | |
optimistisch übertrumpft. Nur selten zuvor hat Paesler so kräftige, klare | |
Farben gewählt, wie ausgerechnet für ihr letztes Bild, dessen Signatur | |
posthum hinzugefügt wurde (wie das Museumspersonal ehrfürchtig anmerkt). | |
## Letzte Wendung | |
Diese letzte künstlerische Wendung verführt dazu, sie am Ende von Paeslers | |
sonst so kühl kontrolliert wirkendem Schaffen als emotionale Entäußerung zu | |
lesen. Als trotziges Aufbäumen vielleicht oder gar als sentimentale | |
Versöhnungsgeste? Doch hieße das wohl, diese unerhört klar denkende und | |
über ihre Arbeit auch schriftlich luzide Auskunft gebende Künstlerin zu | |
verkennen. Denn bei genauer Betrachtung gibt es in ihrem Werk immer wieder | |
überraschende Brüche, die sich radikalen künstlerischen Entscheidungen | |
verdanken. | |
Paeslers Radikalität aber tritt leise auf, sie trommelte nicht, sie trug | |
sich nicht zu Markte und formulierte weder Parolen noch Bekenntnisse. Und | |
sie floh auch nicht in die Ironie, auch wenn man leisen Spott an der | |
Macho-Geste in ihren unverhohlenen Pollock- und Fontana-Zitaten zu | |
entdecken glaubt. Gerade dann, wenn – wie in Bonn – in nächster | |
Nachbarschaft zum Pollock-Zitat eine den Drip-Paintings verwandte Struktur | |
sich als getreues Abbild der Sitzmuster der Berliner-S-Bahn-Züge entpuppt. | |
Dennoch: Auch eine Ironie-Diagnose würde Paeslers komplexes Kalkül | |
verkürzen. Paeslers Kunst befragt die Ambivalenz des 21. Jahrhunderts und | |
hält sie aus, ohne davonzulaufen. Denn sie befragt vielmehr distanziert die | |
lauten Bildwelten der Postmoderne, die geprägt sind von Medialität, | |
Werbung, Produktdesign und von der Ästhetisierung aller Lebensbereiche | |
unter der Dominanz der Pop- und Konsumkultur. | |
„Radikaler oder besser: konsequenter werden heißt für mich, dekorativer zu | |
werden“, hat sie einmal gesagt. Es gehe ihr um das Transportmittel „für | |
etwas jenseits der Dekoration“ und sie wünsche für ihre Arbeit, dass „die | |
Ambivalenz zwischen Beunruhigung und Bestätigung bestehen bleibt“. | |
## Rückbesinnung auf klare geometrische Formen | |
Eine Spanne von fünfzehn Jahre umfasst ihr Schaffen. Die Schau beginnt mit | |
einer Gruppe von Musterbildern, die mit Lackfarbe auf Aluminium bekannte | |
Stoffmuster und Raster aller Art abbilden: Karomuster von Geschirrtüchern | |
und Burlington-Socken, Adidas-Streifen und Pril-Blumen. In | |
Trompe-l’œil-Manier malt sie manchmal Rahmen um die Muster. | |
Diese akribischen Exerzitien sind weder als Kritik am Spießergeschmack noch | |
als soziologische Dokumentation, geschweige denn als feministisches | |
Statement zu lesen. Paesler ging es ums Atmosphärische, um Konnotationen | |
und um den ästhetischen Kurzschluss des Alltagsdesigns mit der Abstraktion | |
der Moderne. | |
Der zweite Schwerpunkt widmet sich Paeslers Auseinandersetzung mit der | |
ausgreifenden Gestik des Expressionismus und des Informel: Sie zitiert | |
Lichtenstein und Pollock und konterkariert – im Wortsinn! – stellenweise | |
die einst heroischen Gesten wiederum mit Mustern. | |
Einen Sonderfall in Paeslers Schaffen markieren die späten „Moonshine | |
Paintings“, die mit mondförmigen Kreismotiven experimentieren und mit ihren | |
abstrakten Landschafts-Anspielungen fernöstlich inspiriert sind. Diese | |
freier und sinnlicher wirkenden Arbeiten entstehen 2001/2002 parallel mit | |
einer Rückbesinnung auf klare geometrische Formen und Arbeiten, die Geste | |
und Geometrie vermischen. Aus den letzten drei Schaffensjahren steht dann | |
jenes ornamental verspielte Bild allein. Man wüsste zu gerne, wie Paesler | |
Raster-Fahndung weiter verlaufen wäre. | |
5 Apr 2016 | |
## AUTOREN | |
Regine Müller | |
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