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# taz.de -- Kommentar Regierungskrise in Brasilien: Auf falsche Partner gesetzt
> Der Korruptionsskandal um den Ölkonzern Petrobras erschüttert Brasilien.
> Jetzt steigt auch noch die PMDB aus der Regierung aus.
Bild: Aufstand der Koalitionspartner
Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff steht vor einem Scherbenhaufen. Ihre
Regierung ist handlungsunfähig, die Stimmung im Land und auf den Straßen
ist gegen sie. Rousseff wird für die schwere Wirtschaftskrise und einen
riesigen Korruptionsskandal verantwortlich gemacht. Derzeit sieht es so
aus, als sei ihr Sturz nur noch eine Frage der Zeit.
Mit ihrer Regierung endet abrupt auch das anfangs so erfolgreiche Modell
der Arbeiterpartei PT, das mittels Sozialprogramme und Stärkung der
Zivilgesellschaft seit 2003 Furore gemacht hat. Es war alles andere als
eine Revolution, aber eine bemerkenswerte Reformbewegung im Land der wohl
ungerechtesten Reichtumsverteilung weltweit. Und Vorbild für viele andere
Staaten Lateinamerikas.
Dass jetzt ihr wichtigster Koalitionspartner PMDB mit sieben Ministern und
68 Abgeordneten die Regierung verließ, ist nur ein weiterer Sargnagel. Es
ist die späte Quittung für die Strategie der Regierungsfähigkeit, die
Rousseff von ihrem vielgerühmten Vorgänger Lula da Silva übernahm: Mangels
eigener Mehrheiten setzte die PT auf dubiose, teils rechte teils
evangelikale Koalitionspartner. Für deren politische Gefälligkeit musste
mit einflussreichen Posten und viel Geld bezahlt werden – eine Tatsache,
die keine Entschuldigung dafür ist, dass auch die PT nach Kräften im
Korruptionsgeschäft mitmischte. Um angesichts des Amtsenthebungsverfahrens
gegen Rousseff ihre Pfründe nicht zu gefährden, verlässt der
Mehrheitsbringer PMDB das sinkende Schiff.
Fraglos hat die Regierung Rousseff Fehler gemacht. Die widrige Lage der
Weltwirtschaft hat bestimmt ihren Anteil, ist aber mitnichten alleiniger
Grund für den Einbruch der Wirtschaft, Inflation und zunehmende
Haushaltsprobleme. Doch Fehler sind keine Rechtfertigung für die Hexenjagd,
die Opposition, Medien und Teile der Justiz seit Monaten betreiben, und die
von der PT zurecht als Staatsstreich bezeichnet wird.
Jetzt rächt sich eine gravierende Fehleinschätzung von Rousseff: Als die
Probleme begannen, kam sie ihren Kritikern entgegen, setzte auf neoliberale
Sanierungskonzepte und buhlte um das Wohlwollen ihrer unzuverlässigen
Partner von rechts. Diese lassen sie jetzt höhnisch im Stich, da sie
sowieso noch nie an das Reformprojekt der PT geglaubt haben. Ihre
eigentlich Basis, das diffuse linke Spektrum und die starken sozialen
Bewegungen, hat sich deswegen schon lange abgewandt. Deren Unterstützung
fehlt Rousseff jetzt. Doch noch gibt es Hoffnung, denn diese Basis
mobilisiert jetzt für den Erhalt des Rechtsstaats. Und gegen die Rückkehr
der alten Eliten an die Macht.
30 Mar 2016
## AUTOREN
Andreas Behn
## TAGS
Brasilien
Dilma Rousseff
Petrobras
Brasilien
Arbeiterpartei Brasilien
Schwerpunkt Korruption
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