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# taz.de -- Soulsängerin Mavis Staples’ neues Album: Sie trommelt für den F…
> Auf ihrem süffigen neuen Album „Livin’ On A High Note“ interpretiert d…
> große Sängerin Mavis Staples Songs von jungen Indiekünstlern wie Merrill
> Garbus.
Bild: Grande Dame des Chicago Soul: Mavis Staples
Wo, zum Teufel, sind eigentlich US-Musikerinnen und Musiker, die Donald
Trump, Hillary Clinton, Bernie Sanders und Ted Cruz im Vorwahlkampf von
ihren Bühnen herunter die Leviten lesen, anstatt die virtuelle
Wertschöpfungskette ständig mit neuen narzisstischen Bild- und Worthülsen
zu füttern?
Die Soul-Sängerin Mavis Staples hat es nicht mehr nötig, ihr Publikum für
den friedlichen Protest auf die Straße zu rufen. Dennoch macht die
76-Jährige mit ihrem neuen Album „Livin’ On A High Note“ bewusst, dass
kollektive Anstrengungen von Menschen ihrer Generation heutige
Selbstverwirklichungstrips in den Schatten der Belanglosigkeit stellen.
Als Mitglied der Familienband The Staple Singers verbreitete sie den Gospel
aus den Kirchen Chicagos ab den fünfziger Jahren auf Konzertreisen und
Schallplatten, sang für Martin Luther King in Montgomery, Alabama, und
verlieh fortan den Botschaften der Bürgerrechtsbewegung in eigenen Songs
Ausdruck.
Der Soul der Staple Singers behielt stets Bodenhaftung, der familiär
harmonierenden Mehrstimmigkeit wegen, und durch das Gitarrenspiel von Vater
Roebuck Staples, der in Mississippi den Country Blues gespielt hatte und in
Chicago dessen Übergang zum elektrifizierten Urban Blues erlebte. Mit
seinen drei Töchtern stand er über 40 Jahre auf der Bühne.
## Dunkle Röhrenregister
Nun hat Mavis Staples den Stab an den Indiefolk-Gitarristen M. Ward
weitergegeben, um „Livin’ on a High Note“ zu produzieren und mit
Gastmusikern einzuspielen. Seine akustischen und elektrischen Gitarren
geben den zwölf Songs mal die Würze von Bluesrock und behagliche
Countrywärme, dann sind sie treue Weggefährten für Staples’ dunkle
Röhrenregister zwischen Sprech- und Melodiegesang. Seit einigen Jahren an
ihrer Seite sind auch Bassist Jeff Turmes, der Schlagzeuger Stephen Hodges
und Backgroundsänger und -sängerin Donny Gerrard und Vickie Randle.
Die besten Voraussetzungen also, um Texte anderer SongwriterInnen zu
interpretieren, die Staples um Kompositionen gebeten hat, aus denen
Lebensfreude und Liebe sprechen. In „Dedicated“, das Justin Vernon, Kopf
der Band Bon Iver komponiert, und Ward in Worte gefasst hat, erzählt
Staples von einer langen Freundschaft, die persönlichen Differenzen und
Vorstellungen vom Leben standhält. Der Titelsong stammt von der
afroamerikanischen Sängerin und Gitarristin Valerie June und ist ein
beseelter Folk Blues mit satten Riffs und einem Refrain zum Mitsingen.
„Action“ von der Multiinstrumentalistin Merrill Garbus (Tune-Yards) handelt
vom Drang zur Veränderung der Verhältnisse, weil man die Angst um Mütter,
Brüder und Schwestern satthat. Diese Botschaft ertönt in einem lässigen
Uptempo Beat. Was Nick Cave wohl unter zeitgenössischem Gospel versteht,
ist in „Jesus, lay down beside me“ dagegen leider zu purem Kitsch geronnen.
„Tomorrow“ von Jon Batiste verströmt mit Bläserarrangements heiteren Funk
made in New Orleans, Batiste und Trombone Shorty, der ein Solo zum Besten
gibt, stammen von dort. „In the crawl for justice I have somebody run / In
the walk for the hungry / I feed someone / And in the march for peace /
Tell’em I play the drum“, singt Staples im Duett mit Wards akustischer
Gitarre. Die Zeilen stammen von Martin Luther King und rufen ergreifend in
Erinnerung, dass die Zuversicht eines Menschen zur leuchtenden Kraft einer
Bewegung werden kann.
Zeitgenössische MusikerInnen täten gut daran, mit diesen Worten einmal vom
selbstbezogenen Vermarktungskapital abzusehen. Anschauungsunterricht kann
man bei der Dokumentation „Mavis!“ machen, in der unter anderen Prince und
Bob Dylan der Sängerin huldigen. Seit Ende Februar ist sie im
Streaming-Programm des Senders HBO weltweit zu sehen.
10 Apr 2016
## AUTOREN
Franziska Buhre
## TAGS
Chicago
Soul
Folk
Funk
Brasilien
Jazz
Jazz
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