# taz.de -- Religionsstreit in Brandenburg: Die Spaghettischlacht | |
> Die Anhänger des Spaghettimonsters wollen religiöse Gleichstellung – und | |
> mit Schildern für sich werben. Das Land Brandenburg hält dagegen. | |
Bild: Bruder Spaghettus neben seinem Schild in Templin | |
Sabine Selbig unternimmt einen letzten Versuch. „Gibt es die Möglichkeit | |
einer gütlichen Einigung?“, fragt die Richterin. Die beiden | |
ProzessvertreterInnen des Landes Brandenburg schütteln den Kopf. Nach einer | |
knappen halben Stunde ist die Verhandlung vor der 1. Zivilkammer des | |
Landgerichts Frankfurt (Oder) beendet. Selbig kündigt ihre | |
Urteilsverkündung für den 13. April an. Ob er enttäuscht sei? „Ich habe mit | |
nichts anderem gerechnet“, sagt Bruder Spaghettus beim Verlassen des Saals. | |
Bruder Spaghettus ist eine imposante Erscheinung. Der 65-Jährige ist | |
Vorsitzender der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters Deutschland, heißt | |
mit bürgerlichem Namen Rüdiger Weida und lebt im uckermärkischen Templin. | |
Die Landgerichtsverhandlung am Mittwoch ist nicht ganz so gut für ihn | |
gelaufen. Richterin Selbig hat deutlich anklingen lassen, dass sie | |
zugunsten des Landes entscheiden wird. Dann gehe es halt in die nächste | |
Instanz, kündigt der gebürtige Sachsen-Anhalter an. „Dieser Rechtsstreit | |
wird noch Jahre dauern.“ | |
Es geht um vier Hinweisschilder, mit denen Weida und seine MitstreiterInnen | |
an den Ortseingängen Templins auf ihre freitägliche Nudelmesse hinweisen | |
wollen – und zwar am liebsten genauso, wie die evangelische und die | |
katholische Kirche für ihre Gottesdienste werben. Schließlich verstehen sie | |
sich als Weltanschauungsgemeinschaft mit den gleichen Rechten wie eine | |
Religionsgemeinschaft. Doch der brandenburger Landesbetrieb Straßenwesen | |
und die Landesregierung sehen das anders. | |
Falls es das Fliegende Spaghettimonster wirklich gibt, dürfte es mit einer | |
guten Portion Humor ausgestattet sein. Und nicht eitel sein. Zumindest, | |
wenn es wirklich so aussieht, wie es der Prophet Bobby Henderson als Erster | |
gezeichnet hat: ein verknäultes Wesen mit Stielaugen und Tentakeln. Oder | |
auch einfach wie ein großer Haufen Pasta mit Fleischklößen. Es soll die | |
Welt erschaffen haben, zumindest laut der 2005 in den USA gegründeten | |
Church of the Flying Spaghetti Monster. Der deutsche Ableger feiert in | |
diesem Jahr sein zehnjähriges Jubiläum. Nach Angaben des Vorsitzenden Weida | |
hat der eingetragene Verein, der vom Finanzamt als gemeinnützige | |
Körperschaft anerkannt ist, etwas mehr als 200 Mitglieder. „Die meisten in | |
Bayern, da ist der Leidensdruck am größten“, so Weida. Allerdings gebe es | |
weit mehr SympathisantInnen, zwischen 15.000 und 20.000. | |
## Reine Glaubenssache | |
Was auf den ersten Blick etwas absonderlich erscheinen mag, hat einen | |
durchaus rationalen Kern. Die „Pastafari“, wie sich die Gläubigen des | |
Teigwarenkultes nennen, sind keine esoterische Sekte. Auch wenn sie ihr | |
Bekenntnis von einem Nudelholz ablesen und – je nach Auslegung ihres | |
Evangeliums – ein Piratentuch oder ein Nudelsieb auf dem Kopf tragen. | |
Vielmehr wollen sie demonstrieren: Der Pastafarianismus ist nicht weniger | |
plausibel als jede andere Religion. Obwohl ein Preisgeld von einer Million | |
Dollar winkt, ist es jedenfalls noch keinem gelungen, den empirisch | |
schlüssigen Beweis zu führen, dass Jesus Christus nicht der Sohn des | |
Fliegenden Spaghettimonsters ist. | |
Am Anfang war das Wort. Und zwar in Form eines offenen Briefes, den der | |
Religionsstifter Bobby Henderson im Mai 2005 an die Schulbehörde des | |
US-Bundesstaates Kansas schrieb. Die hatte kurz zuvor beschlossen, im | |
Biologieunterricht neben Darwins Evolutionslehre gleichberechtigt das | |
„Intelligent Design“ christlich-fundamentalistischer Kreationisten als | |
vermeintlich alternative Erklärung für den Ursprung des Lebens lehren zu | |
lassen. Der damals 25-jährige Henderson forderte eine Lehrplanerweiterung: | |
Er glaube „fest daran, dass das Universum von einem Fliegenden | |
Spaghettimonster erschaffen wurde“. | |
Hendersons satirischer Protest gegen den Kreationismus fand begeisterte | |
Resonanz bei Atheisten und Laizisten weltweit. Sie erkannten in der | |
Nudelreligion eine einmalige Gelegenheit, um mit parodistischen Mitteln | |
wirkungsvoll für die konsequente Trennung von Kirche und Staat zu streiten. | |
So fordert die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters Deutschland „die | |
absolute Gleichberechtigung aller Religionen, aber nicht auf dem Niveau der | |
Großkirchen, sondern auf unserem“. Heißt: „Alle Kirchen sollen dem | |
Vereinsrecht unterstellt, alle religiösen Sonderrechte abgeschafft und | |
entsprechende Zahlungen eingestellt werden.“ | |
Zu den Sonderrechten gehören die Gottesdienst-Tafeln an den Ortseingängen, | |
geregelt in einer Richtlinie des Bundesverkehrsministeriums. Um dieses | |
Privileg lächerlich zu machen, hatte Weida im Herbst 2014 erstmalig seine | |
Nudelmesse-Hinweisschilder in Templin aufgehängt – und zwar an jenen | |
Masten, an denen auch die Schilder der „Konkurrenz“ befestigt waren. Das | |
führte zu heftigen Reaktionen der christlichen Kirchen. „Das Schild muss | |
weg“, empörte sich der evangelische Pfarrer Ralf-Günther Schein. „Das wä… | |
ja so, als ob der Ziegenzüchter-Verein sein Schild unter unserem anbringt.“ | |
## Eine Religionsparodie | |
Was folgte, war ein munteres Hin und Her: Das Straßenbauamt hängte die | |
Nudelmesse-Schilder ab, dann wieder auf. Unbekannte beschmierten sie und | |
hängten sie um. Schließlich bemühte sich Bürgermeister Detlef Tabbert | |
(Linkspartei) um eine Befriedung. Die Stadtverwaltung bot den Pastafari an, | |
ihre Schilder übergangsweise an vier Städtepartnerschaftsmasten zu | |
befestigen. Dort hängen sie bis heute – und zumindest bis zum Ende des | |
Rechtsstreits soll das auch so bleiben. | |
Der Fall beschäftigte sogar den brandenburgischen Landtag. Auf Anfrage der | |
SPD-Fraktion verkündete im Dezember 2014 die damalige SPD-Kultusministerin | |
Sabine Kunst, deren Schwester Mitglied des Rats der EKD ist, es fehle die | |
Grundlage für die Genehmigung des Nudelmesse-Schildes. Es handele sich bei | |
der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters „um eine Religionsparodie ohne | |
ernsthafte religiöse Substanz“. Das wollen die Pastafari nicht auf sich | |
sitzen lassen. Dass sich ihre Kirche „satirischer Mittel bedient, ist Teil | |
der Ausgestaltung, wie sie ihren Glauben ausüben und verbreiten will“, | |
heißt es in ihrer Anklageschrift. | |
Kommentarlos verließen die ProzessvertreterInnen Brandenburgs am Mittwoch | |
das Frankfurter Gerichtsgebäude. Bruder Spaghettus kündigte hingegen an, | |
„notfalls durch alle Instanzen“ für die Schilder-Gleichberechtigung seiner | |
Kirche zu kämpfen. | |
6 Apr 2016 | |
## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
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