# taz.de -- Green Economy in Italien: So grün das Auge reicht | |
> Mit Italien verbindet man eher Müllchaos und Finanznot statt | |
> Ökowirtschaft. Doch einer Stiftung zufolge zeichnet sich das Land genau | |
> dadurch aus. | |
Bild: Ein bekanntes Motiv: Mülltüten auf der Straße, hier in Mailand | |
ROM taz | Ein exportstarkes Land, das zugleich auf vielen Feldern | |
ökologischer Vorreiter ist, von der Energieeffizienz zur | |
Recyclingwirtschaft: Viele Deutsche denken dabei sofort an ihre eigene | |
Heimat. Und ganz gewiss käme ihnen ein anderer Staat nie in den Sinn: | |
Italien. Der Staat ist völlig überschuldet, die Wirtschaft in Stagnation, | |
die Umweltpolitik dank der immer wiederkehrenden Schlagzeilen vom | |
Müllnotstand in Neapel und anderswo in Verruf. Doch wenn man der | |
italienischen Stiftung Symbola glauben darf, ist ausgerechnet dieses Land | |
in vielen Bereichen virtuos. | |
„Italien in 10 Selfies“ heißt das Dokument der Stiftung ([1][.pdf]), das | |
mit überraschenden Daten aufwartet. Zum Beispiel die Recyclingindustrie: | |
Sie verarbeitet 25 Millionen Tonnen Abfälle pro Jahr, während Deutschland | |
auf 23 Millionen Tonnen kommt. Zum Beispiel auch der Energiemix: | |
Mittlerweile beträgt der Anteil des Ökostroms an der gesamten | |
Stromerzeugung 40 Prozent, während Deutschland auf etwa 30 Prozent kommt. | |
Zum Beispiel auch die Landwirtschaft: Italien stößt auf diesem Sektor | |
relativ weit weniger Treibhausgase aus als Spanien, Deutschland, Frankreich | |
oder Großbritannien. | |
Symbola-Präsident Ermete Realacci, einer der Gründerväter der italienischen | |
Umweltbewegung, sitzt heute für die Partito Democratico des | |
Ministerpräsidenten Matteo Renzi im Abgeordnetenhaus und ist dort | |
Vorsitzender des Umweltausschusses. Er erinnert daran, dass Italien zu den | |
nur fünf Ländern gehöre, die im Außenhandel bei Fertigungswaren einen | |
jährlichen Überschuss von mehr als 100 Milliarden Dollar erwirtschaften. | |
Mehr noch: Gerade jene Unternehmen, die in den letzten Jahren in Green | |
Economy investiert haben, sind auch im Exportgeschäft am stärksten | |
aufgestellt. | |
„Mehr als mit staatlichen Politiken hat dies mit den Chromosomen unseres | |
Landes zu tun“, meint Realacci. Zum Beispiel die Recyclingwirtschaft hat | |
angesichts der Rohstoffknappheit Italiens eine lange Tradition, egal ob man | |
auf die Papierindustrie von Lucca, die auf Schrottverarbeitung | |
spezialisierten Elektrostahlwerke von Brescia oder die Wiederverwertung von | |
Altkleidern in der Textilindustrie von Prato schaut. | |
Und mit der Formel „Qualität statt Quantität“, so Realacci, habe Italien | |
beste Chancen, auch in Zukunft seine Stellung auf den Weltmärkten zu | |
verteidigen. So habe sich die Weinproduktion in absoluten Zahlen in den | |
letzten 30 Jahren halbiert, der Umsatz aber sei von 700 Millionen auf 5,3 | |
Milliarden Euro jährlich hochgeschnellt. Gleiches gelte für ganz andere | |
Sektoren wie die Brillenfertigung: Die Massenware komme heute aus China, | |
das hochpreisige Segment aber werde von Italien beliefert, „Und Google geht | |
für sein Google Glass eine Partnerschaft mit der italienischen Luxottica | |
ein, nicht mit irgendwelchen chinesischen Herstellern.“ | |
Dennoch würde sich Realacci wünschen, dass Italien systematischer „mit | |
integrierter Politik so wie in Deutschland“ die Modernisierung vorantreibt. | |
So stelle der größte Energiekonzern, die Enel, demnächst im ganzen Land | |
Säulen auf, an denen Elektroautos aufgeladen werden können, „aber Fiat baut | |
keine Elektroautos, die müssen wir dann importieren.“ | |
3 Apr 2016 | |
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[1] http://www.symbola.net/assets/files/10selfie_2016_IT_web_1450786302.pdf | |
## AUTOREN | |
Michael Braun | |
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