# taz.de -- Umstrittener Energieversorger: Klagen von und gegen Care-Energy | |
> Netzbetreiber fordern 80 Millionen Euro von dem Stromanbieter. Der wehrt | |
> sich mit Unterlassungsklagen gegen kritische Texte. | |
Bild: Streitlustig: Care-Energy installiert selbst Solaranlagen, will die von d… | |
FREIBURG taz | Nach Teldafax und Flexstrom entwickelt sich Care-Energy zum | |
neuen Enfant terrible der deutschen Stromwirtschaft. Alle vier | |
Übertragungsnetzbetreiber gehen inzwischen gerichtlich gegen das | |
Firmengeflecht des Hamburger Unternehmers Martin Richard Kristek vor, weil | |
die Firmengruppe EEG-Umlagen in zweistelliger Millionenhöhe nicht abgeführt | |
hat. | |
Zudem hat die Bundesnetzagentur jetzt 800.000 Euro Zwangsgeld gegen ein | |
Unternehmen der Gruppe festgesetzt, weil der Stromversorger seiner Pflicht, | |
die Belieferung von Haushaltskunden mit Energie anzuzeigen, nicht | |
ordnungsgemäß nachgekommen ist. | |
Die vier Übertragungsnetzbetreiber machen gegenüber der einstigen | |
Care-Energy Energiedienstleistungs GmbH & Co. KG, inzwischen firmierend als | |
Expertos Unternehmens und Wirtschaftsberatungs GmbH & Co. KG, enorme | |
Außenstände geltend: Allein das Unternehmen 50Hertz klagt auf 41,3 | |
Millionen Euro, Amprion und Tennet machen jeweils rund 20 Millionen Euro | |
geltend, TransnetBW 3,5 Millionen. | |
Alle vier Netzfirmen bekamen Ende 2015 vor dem Landgericht Hamburg in | |
erster Instanz Recht. Allerdings sind die Urteile noch nicht rechtskräftig, | |
weil das beklagte Unternehmen Berufung eingelegt hat. Ein Termin für die | |
Verhandlung in nächster Instanz stehe noch nicht fest, teilte TransnetBW | |
auf Anfrage mit. | |
Die Care-Energy-Firmengruppe weigert sich, die von den | |
Übertragungsnetzbetreibern eingeklagte EEG-Umlage zu bezahlen, weil sie | |
sich in der Rolle eines Energiedienstleisters sieht: Unter der Marke | |
Care-Energy werde nämlich nicht Strom geliefert, sondern durch eine | |
spezielle Vertragsgestaltung Licht, Kraft, Wärme oder Kälte. Damit glaubt | |
der Versorger die Umlage, mit der der Ausbau erneuerbarer Energien | |
finanziert wird, nicht vollständig abführen zu müssen. Schon 2013 sprach | |
die Bundesnetzagentur von einer „eigenwilligen Rechtsauslegung“. | |
Und so sind auch weder die Behörden noch die Gerichte der Sichtweise des | |
Unternehmens bisher gefolgt; die ganze Konstruktion sei ein „nichtiges | |
Umgehungsgeschäft“. Das Oberlandesgericht Düsseldorf wie auch die | |
Bundesnetzagentur stufen das Unternehmen daher als | |
Elektrizitätsversorgungsunternehmen im Sinne des Energiewirtschaftsgesetzes | |
ein – also wie jeden anderen Stromanbieter auch. Damit sind auch die | |
Stromlieferungen ganz normal umlagepflichtig. Allerdings ist auch dieses | |
Urteil noch nicht rechtskräftig, weil das Unternehmen gegen die | |
Nichtzulassung der Revision Beschwerde eingelegt hat. | |
## Undurchschaubarer Firmenkonstrukt | |
Erschwert werden die Prozesse dadurch, dass das Firmenkonstrukt für | |
Außenstehende undurchschaubar ist. Auch einer der Übertragungsnetzbetreiber | |
verklagte in der Vergangenheit schon das falsche Unternehmen der | |
Firmengruppe. Branchenkenner sprechen von einem Katz-und-Maus-Spiel, dem | |
alle Leidtragenden möglichst bald ein Ende bereiten wollen. | |
Auch über die vielen derzeit laufenden Gerichtsprozesse hinaus haben die | |
Anwälte der Firma offenbar gut zu tun. Kritiker, die das Unternehmen als | |
insolvenzgefährdet darstellten, wurden bereits abgemahnt. Die Internetseite | |
Investigoo, die noch Mitte Februar vor einer „Riesenpleite“ warnte, wurde | |
zwischenzeitlich aus dem Netz genommen, während sich auf der | |
Beschwerdeseite ReclaBox die Klagen von Kunden häufen, etwa wegen längst | |
überfälliger Rückzahlungen von Guthaben. | |
Selbst gegen eine interne Mailingliste der Grünen, auf der die Probleme von | |
Care-Energy thematisiert wurden, ging das Unternehmen vor und verlangte | |
eine Unterlassungserklärung. Dafür hat der Sprecher der betroffenen | |
Grünen-Arbeitsgruppe Energie, Georg Kössler, kein Verständnis. „Wenn schon | |
der interne Meinungsaustausch einer Partei unterbunden werden soll, scheint | |
bei Care-Energy ja ganz schöne Panik zu herrschen“, sagte er der taz. | |
Was mit der Firmengruppe geschieht, wenn die EEG-Pflicht irgendwann | |
letztinstanzlich festgestellt wird und mehr als 80 Millionen Euro fällig | |
werden, dazu äußerte sich Care-Energy auf Anfrage nicht; zu Spekulationen | |
gebe man keine Auskunft, sagte ein Sprecher nur. | |
## Keine Luft für EEG-Umlage | |
Sicher jedenfalls ist, dass in dem Preis von 19,90 Cent pro Kilowattstunde, | |
zu dem Care-Energy seinen Strom aktuell anbietet, keine Luft für die | |
EEG-Umlage in Höhe von derzeit 6,35 Cent bleibt. Denn abzüglich der | |
Mehrwertsteuer erzielt die Firma pro Kilowattstunde nur Nettoeinnahmen in | |
Höhe von 16,72 Cent, wovon nach Abzug von Netzentgelten, Stromsteuer, | |
Konzessionsabgabe und weiteren kleinen Umlagebeträgen gerade noch 5,8 Cent | |
übrig sind. Davon muss das Unternehmen noch den Stromeinkauf bezahlen und | |
die Vertriebskosten decken – die EEG-Umlage ist damit nicht mehr | |
finanzierbar. | |
Ob somit auf die Stromkunden eine Nachforderung zukommen kann? Es sei | |
„denkbar“, dass die Firma „im Falle einer Inanspruchnahme“ versuchen we… | |
die EEG-Umlage nachträglich auf ihre Kunden abzuwälzen, warnt die | |
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte. | |
16 Mar 2016 | |
## AUTOREN | |
Bernward Janzing | |
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