Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Braunes Bier in Dunkelbayern: Vom Ressentiment zur Geschäftsidee
> Eine Brauerei verkauft „Grenzzaun Halbe“ für 88 Cent. Auf dem Etikett:
> Frakturschrift und bayerische Werte. Das wird man doch wohl noch saufen
> können!
Bild: Eines der übelsten Gesöffe in der Kulturgeschichte des deutschen Biers
Bier kann ein übles Gesöff sein. Wer schon mal zu viel davon getrunken hat,
wird das wissen. Bier kann zum Kotzen sein. Das werden all diejenigen
wissen, die sich nach einem bierseligen Abend schon einmal vor einer
Kloschüssel kniend in eine eben solche entleeren mussten.
Bier kann auch zum Kotzen sein, bevor man den ersten Schluck getrunken hat.
Röhrlbräu aus dem bayerischen Straubing hat dafür gerade den Beweis
geliefert. „Grenzzaun Halbe“, das die Brauerei gerade auf den Markt
gebracht hat, wird als eines der übelsten Gesöffe in die Kulturgeschichte
des deutschen Biers eingehen.
Mit „Grenzzaun Halbe“ ist das Ressentiment zur Geschäftsidee geworden. Man
mag sich das Grinsen in den Gesichtern derer, die auf diese Idee gekommen
sind, gar nicht vorstellen. Und man mag sich nun wahrlich nicht ausmalen,
was derjenige gedacht hat, der für die Grafik des Etiketts zuständig war
und dafür gesorgt hat, dass das doppelte Z in der Mitte in dieser gestrigen
Frakturschrift ein wenig aussieht wie SS.
Und man kann sich sehr gut vorstellen, wie sie bei Röhrlbrau gelacht haben,
als sie die Wörter ausgewählt haben, die das typische Bayern beschreiben
sollen. Denn „Heimat braucht Bier“, wie es auf dem Etikett auch heißt. Die
gilt es zu beschützen, zu verteidigen und zu bewahren. Auch das steht auf
der Flasche. Und wenn es dereinst eine bayerische Heimatschutzarmee geben
sollte, die an einem Grenzzaun patrouilliert, niemand wird sich wundern,
wenn genau diese drei Wörter auf dem Koppelschloss der Uniform prangen
würden.
## Trinkfestigkeit, Ehrlichkeit, Volksfestzeit
Und wie sie sich bei Röhrlbräu die bayerische Leitkultur vorstellen, auch
das steht auf der Flasche. Toleranz, Trachtengewand, Loyalität, Fleiß und
Bescheidenheit. Das wollten sie in Straubing allen Ernstes als bayerisches
Lebensgefühl zum großen Geschäft machen. Das große Bier der bayerischen
Werte sollte noch einmal klar machen, dass „Hau ab!“ das neue „Willkommen…
ist. Trinkfestigkeit, Ehrlichkeit, Volksfestzeit und am Ende eines
bayerischen Lebens eine richtig schöne Bierwampn mit dem Durchmesser eines
200-Liter-Fasses. Wer solche Werte hat, der trinkt auch eine „Grenzzaun
Halbe“.
Wer jetzt darauf verweist, dass auf der Flasche ja auch von Toleranz die
Rede ist, dem möchte man gewiss nicht wünschen, zum Opfer dieser Art der
bayerischen Toleranz zu werden. Denn der Leitsatz dieser bayerischen
Bierflaschenverfassung lautet – wie kann es anders sein? – „Mia samma mia…
Und wer nicht mia ist, wird es vielleicht nur werden, wenn er vom
bayerischen Innenminister höchstpersönlich zum „wunderbaren Neger“ geadelt
wird. „Mia samma mia“ ist der Leitsatz der Abgrenzung. Wer rein will in
dieses Mia und am Ende irgendwem nicht passt, der muss aufpassen, dass man
ihm keine Patrona Bavariae durch den Kopf jagt.
Himmelangst muss einem da auch deshalb werden, weil da wieder einmal Leute
am Werk waren, die felsenfest davon überzeugt sind, dass ihre völkische
Heimattümelei einen reaktionären Zeitgeist trifft. Das wird man doch wohl
noch saufen können!
## Darauf ein gemütliches „Heil Hitler!“
Dass man den halben Liter für genau 88 Cent hat kaufen können, das will bei
der Brauerei niemandem aufgefallen sein. Aber darf es einem Brauer wirklich
egal sein, wenn irgendwelche Glatzen mit seinen Flaschen zum Prosit auf den
Führer anstoßen? Darauf ein gemütliches „Heil Hitler!“ – bei aller
gebotenen Toleranz natürlich.
Eine wahrhaft finstere Geschichte gäbe es an dieser Stelle über das dank
Seehofer und Konsorten ohnedies nicht gerade gut beleumundete Dunkelbayern
zu erzählen, wenn das Bier zur Erfolgsgeschichte geworden wäre. Und auch
wenn ein paar besonders dimpfelige Bajuwaren laut feixend mit der braunen
Soße angestoßen haben mögen, das Bier war ein Flop. Die Brauerei landete in
einem gehörigen Shitstorm. Und aus der Geschäftsidee ist längst eine
geschäftsschädigende Idee geworden.
Nachdem das Studentenwerk Niederbayern-Oberpfalz angekündigt hatte, bei
Röhrl kein Bier mehr zu ordern, war es aus mit der von der örtlichen AfD so
sehr gelobten „Grenzzaun Halbe“. Kleinlaut, aber nicht unbedingt
einsichtig, teilte die Brauerei mit: „Wenn man nun unser Produkt in die
rechte Ecke stellt, dann kann die einzig richtige Entscheidung nur sein,
die Grenzzaun Halbe mit sofortiger Wirkung vom Markt zu nehmen.“
Und so ist in dieser finsteren Geschichte aus der bayerischen Provinz doch
auch ein gehöriges Leuchten wahrzunehmen. Am Ende hatte die „Grenzzaun
Halbe“ keine Chance. Es ist das andere Bayern, das in dieser Geschichte
gewonnen hat. Darauf ein Halbe Bier!
22 Mar 2016
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
## TAGS
Bier
Bayern
Heimat
Rechts
Hitler
Bayern
Schwerpunkt Rassismus
Reinheitsgebot
Saarland
Parteiprogramm
Schwerpunkt Rassismus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Politik in Bayern: Sisyphos und seine Erben
Seit 59 Jahren regiert in Bayern die CSU. Die Opposition hat es schwer.
Woran liegt’s? Und wer tut sich das eigentlich an?
Diskussion um Sprache in Dänemark: Museum streicht das N-Wort
Das Kunstmuseum Kopenhagen ersetzt in Bildbeschreibungen die Wörter „Neger“
und „Hottentotte“ durch „Afrikaner“. Daran gibt es Kritik.
500 Jahre deutsches Reinheitsgebot: „Elf nehm ich noch“
Trotz 500 Jahren Reinheitsgebot wird viel Schund mit Bier getrieben:
Craftbeer, Indian Pale Ale. Der schönste Rausch ist der von einem Hellen.
Kontakte zu Rechtsextremen: AfD löst Saar-Landesverband auf
Die AfD-Spitze im Saarland unterhält Kontakte zu Rechtsradikalen. Deswegen
hat die Bundespartei den Landesverband nun aufgelöst.
Entwurf für AfD-Programm: Neue Asylpolitik, alte Genderrollen
Ende April will sich die AfD ein umfassendes Parteiprogramm geben. Der
Entwurf ist fertig. Auffällig: Einige Punkte wurden entschärft.
Alltag in Leipzig-Connewitz: Mit Kaffee und Kuchen gegen Nazis
Vor zwei Monaten zerlegten Nazis die Wolfgang-Heinze-Straße im Leipziger
Stadtteil Connewitz. Inzwischen ist wieder Normalität eingekehrt.
App gegen Rassismus: So klappt's auch mit dem Stammtisch
Keine schlagfertige Antwort parat? Das österreichische Rote Kreuz liefert
mit der „Stammtisch-App“ Argumente gegen rassistische Parolen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.