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# taz.de -- Gerichtsurteil über Abschluss-Zeugnis: Fehlstunden sind Privatsache
> Hamburger Berufsschulen vermerken versäumte Schulstunden in
> Abschluss-Zeugnissen. Schülerin sah sich bei Job-Suche benachteiligt und
> klagte mit Erfolg.
Bild: Wenn Fehlzeiten im Zeugnis stehen, könnte das disziplinierend wirken, fi…
HAMBURG taz | Eine Hamburger Berufsschülerin hat sich jetzt per Gericht ein
Abschluss-Zeugnis erstritten, in dem keine ihrer Fehlstunden vermerkt ist.
Denn das Dokument, mit dem sie im Juli 2013 die „Berufsfachschule für
Freizeitwirtschaft“ verließ, enthielt neben den Noten auch die Information,
wie häufig sie im Verlauf ihrer zweijährigen Ausbildung fehlte. Das gehört
dort nicht rein, entschied das Hamburger Verwaltungsgericht in einem Urteil
von 2015, das seit Kurzem rechtskräftig ist, weil die beklagte Schulbehörde
ihre Berufung zurückzog.
„Das Urteil hat grundsätzliche Bedeutung“, sagt Christian von Humboldt, der
Anwalt der Schülerin. Denn in Hamburg ist es Praxis, in den
Abschlusszeugnissen von Berufsschülern die Fehlzeiten einzutragen. Alle
jene, die darin einen Hinweis auf Fehlstunden haben und deren Zeugnisse
noch nicht älter als ein Jahr sind, könnten nun noch Widerspruch einlegen
und verlangen, dass die Zeugnisse geändert werden, sagt von Humboldt.
Die junge Frau hatte sich mit ihrem Zeugnis mehr als 50-mal beworben und
keinen Erfolg. Sie hatte 220 entschuldigte und 57 unentschuldigte
Fehlstunden. Der Mitarbeiter einer Personalfirma sagte ihr, dass sie damit
keine Chance auf Anstellung habe, da Chefs auf Fehlstunden besonders genau
achten würden.
„Das ist ungerecht“, argumentiert ihr Anwalt. Denn bei den Hamburger
Abiturienten stehen keine Fehlstunden in den Abschluss-Zeugnissen. Und auch
Berufsschüler aus anderen Ländern, mit denen die Hamburger um Jobs
konkurrieren, etwa aus Schleswig-Holstein, haben keine solchen Einträge.
Die Richter sahen das ähnlich. Bei Fehlzeiten handle es sich um
„datenschutzrechtlich sensible Daten“, deren Eintragung in einem
Abschlusszeugnis für den Betroffenen „nachteilige Konsequenzen“ haben
könne, was „insbesondere für behinderte und chronisch kranke“ Schüler der
Fall sein dürfte. An den allgemeinen Schulen der Stadt werden die
Fehlzeiten nur im Laufe der Schulzeit in Zeugnissen vermerkt, nicht aber in
Abschlusszeugnissen.
Diese Unterscheidung ist nach Auffassung des Gerichts sinnvoll. Denn
während die einen ja weiter zur Schule gehen, müssen Abgänger sich um eine
Ausbildung, eine Arbeit oder ein Studium bewerben. Hier sei der
Fehlzeiten-Eintrag auch ein Eingriff in die grundgesetzlich geschützte
Berufsfreiheit.
„Wir begrüßen dieses Urteil“, sagt Christian Kröncke, Bildungsreferent d…
DGB-Jugend. Das Abgangszeugnis sei ein wertvolles Dokument und Fehlzeiten
darin nicht aussagekräftig. Es sei gut, dass jetzt die Sonderrolle der
Berufsschüler gerichtlich überprüft wurde.
Die Hamburger Schulbehörde erwägt jetzt „die Praxis zu ändern und in
allgemeinbildenden und beruflichen Schulen einheitlich zu verfahren“, wie
deren Sprecherin Claudia Pittelkow sagt. Noch sei nicht entschieden, ob
dabei auf die Ausweisung von Fehlzeiten ganz verzichtet wird oder doch noch
die unentschuldigten Fehlzeiten ausgewiesen werden.
Die Regelung für die Berufsschulen sei seinerzeit getroffen worden, weil
entschuldigtes Fehlen Leistungseinbrüche erklären könne. Und
unentschuldigte Fehlzeiten stellten eine „wichtige Information zum
Arbeitsverhalten eines Schülers“ dar. Vor Gericht hatten die Juristen der
Behörde auch noch argumentiert, man könne mit den Fehlzeiten-Einträgen eine
„zweckmäßige Disziplinierung“ mit Blick auf „regelmäßigen
Unterrichtsbesuch“ erzielen.
Die Behörde sieht sich nun nicht in der Pflicht, neue Abgangszeugnisse zu
erstellen. Denn die Entscheidung habe keine allgemeine Wirkung und gelte
nur für diesen Fall. Dennoch, sagt Pittelkow, könnten Abgänger, die im
laufenden Schuljahr ein Abschlusszeugnis mit Fehlzeiten erhielten, „auf ein
großzügiges Vorgehen der Behörde hoffen“.
Rechtsanwalt von Humboldt empfiehlt der Behörde, in Zukunft die
Fehlzeiten-Ausweisung ganz wegzulassen. Da dies Grundrechte verletze, gäbe
es sonst „bald neue Klagen.“
17 Mar 2016
## AUTOREN
Kaija Kutter
## TAGS
Zeugnisse
Schwänzen
Allgemeine Berufsschule
Verwaltungsgericht
Gerichtsurteil
Kinder der sexuellen Revolution
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