# taz.de -- Der 1. Mai in Kreuzberg: Fest auf dem Rettungsweg | |
> Heraus zum 1. Mai – mit Streit um das Myfest. Am Donnerstag wies das | |
> Verwaltungsgericht die Klage eines Anwohners ab. | |
Bild: Machte 2015 vielen Menschen Spaß: Das Myfest in der Oranienstraße | |
Um die ganz große Frage ging es nicht mehr. Statt eines Verbots des Myfests | |
forderte der Kläger bei der Gerichtsverhandlung am Donnerstag Auflagen für | |
das Straßenfest. Doch auch diese wies die erste Kammer des | |
Verwaltungsgerichts ab. | |
Zwei Dinge hatte der Kläger gefordert. Erstens solle die Zahl der | |
Teilnehmer stark beschränkt werden. Und zweitens müsse auf der Strecke vom | |
Kottbusser Tor bis zu seiner Wohnung in der Oranienstraße ein Rettungsweg | |
für Sanitäter freigehalten werden. Der Bezirk dürfe in diesem Bereich | |
deshalb keine Sondergenehmigungen für Lebensmittelstände erteilen. In der | |
Urteilsbegründung hieß es, der Anwohner hätte erst mal einen Antrag bei der | |
Behörde stellen können und nicht direkt klagen müssen. Außerdem sei die | |
Planung des Festes noch so wenig konkret, dass es schwer sei, jetzt schon | |
Auflagen stattzugeben. | |
Im vergangenen Herbst hatte ein Anwohner gegen das Myfest geklagt. Durch | |
den Lärm, den Schmutz und die überfüllten Straßen während des Straßenfest… | |
fühle er sich stark beeinträchtigt. Anfangs wollte er mit seiner Klage ein | |
Verbot des Straßenfests in Kreuzberg erreichen. Zu Unrecht sei das Myfest | |
über Jahre als politische Versammlung angemeldet worden, obwohl nicht mehr | |
zu erkennen gewesen sei, dass es eine gemeinschaftliche politische | |
Meinungsäußerung gegeben habe. | |
Nach einer Einigung von den Veranstaltern mit Bezirk und Polizei sieht nun | |
alles danach aus, als ob das Myfest auch in diesem Jahr wieder als | |
Versammlung angemeldet werden kann. Damit wäre die Polizei für die | |
Sicherheit zuständig. Die Veranstalter wollen auf mehreren Bühnen | |
Redebeiträge zu dem Motto „Hold your Ground“ organisieren. Polizeijustiziar | |
Oliver Tölle sagte, er gehe davon aus, dass das Myfest eine Versammlung | |
sei. | |
## Streit um eine Versammlung | |
Die Klageseite nannte das Vorgehen „Etikettenschwindel“. Es sei keine | |
Änderung zu dem Vorgehen in den letzten Jahren. Die Polizei selbst habe die | |
Praxis, das völlig überfüllte Fest als Versammlung zuzulassen, | |
zwischenzeitlich als nicht verantwortbar eingestuft. „Der Staat organisiert | |
mit dem Myfest eine politische Vesammlung und gibt auch noch Geld dafür | |
aus“, sagte Rechtsanwalt Johannes Eisenberg, der den Kläger vor Gericht | |
vertrat. „Sie können ja die Besucher des Myfestes mal fragen, ob sie zu | |
einer Versammlung kommen“, schob er nach. „Nur weil die Anmelder jetzt | |
jemanden pro forma eine halbe Stunde Reden halten lassen, ist das noch | |
nicht politisch.“ | |
Doch um die Frage, ob das Myfest eine politische Versammlung oder eine | |
kommerzielle Veranstaltung sei, ging es für die Urteilsfindung eher am | |
Rande. Der Vorsitzende Richter Wilfried Peters unterstrich, dass es | |
Mischveranstaltungen gäbe, zu denen beides gehöre, politische Kommunikation | |
und Unterhaltungsprogramm. So habe das Verwaltungsgericht auch im Fall | |
eines AnwohnerInnenfestes in der Kastanienallee geurteilt. „Das geht dann | |
nach dem Grundsatz: Im Zweifel, wenn nicht eins den Vorrang hat, ist es als | |
Versammlung zu sehen.“ | |
Für die Urteilsfindung sei diese Unterscheidung bedeutsam, weil | |
Versammlungen besonders hohen Schutz genießen, sagte Peters. „Versuche, mit | |
dem Individualrecht gegen das Versammlungsrecht vorzugehen, sind in der | |
Vergangenheit regelmäßig erfolglos geblieben.“ Die Klage über die | |
Lärmbelastung sei daher kein starkes Argument gegen das Fest. Anders | |
bewertete der Vorsitzende Richter die Frage nach der Gefährdung des | |
Klägers. Hier habe dieser das Recht, mehr über das Vorgehen und die Pläne | |
von Bezirk und Veranstaltern zu erfahren. Nochin der Verhandlung forderte | |
er den Bezirk auf, den Kläger rechtzeitig vor dem Myfest zu informieren, in | |
welchem Bereich Genehmigungen für Stände erteilt würden. Der Klagevertreter | |
kündigte an, gegebenenfalls Ende April rechtlich gegen das Myfest | |
vorzugehen – wenn klar sei, wie die Veranstaltung im Einzelnen organisiert | |
sei. | |
17 Mar 2016 | |
## AUTOREN | |
Uta Schleiermacher | |
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