# taz.de -- Prozess von Anders Breivik: Massenmörder fühlt sich isoliert | |
> Der Rechtsextreme klagt in Norwegen gegen seine Haftbedingungen. Er hat | |
> kaum menschliche Kontakte, weil er immer noch als gefährlich gilt. | |
Bild: So sieht es aus – bei Herrn Breivik. | |
Stockholm taz | Sind die Bedingungen, unter denen Anders Behring Breivik | |
inhaftiert ist, ein Verstoß gegen Menschenrechte? Diesen Vorwurf muss ein | |
norwegisches Gericht ab dem 15. März prüfen. Der Prozess wird sich vor | |
allem um die Frage drehen, ob der 37-jährige bei allen erforderlichen | |
Sicherheitsauflagen einer unnötig harten Isolationshaft ausgesetzt wird. | |
Viereinhalb Jahre sitzt der Mörder von 77 Menschen mittlerweile hinter | |
Gittern. Drei Jahre und sieben Monate sind vergangen, seit er im August | |
2012 zu einer Haftstrafe von zunächst 21 Jahren – mit der Möglichkeit | |
anschließender Sicherungsverwahrung – verurteilt worden ist. Der | |
Hochsicherheitstrakt in der südnorwegischen Haftanstalt Skien war extra für | |
ihn umgebaut worden. Dort stehen ihm nun drei Zellen zur Verfügung: Eine | |
Wohn-, eine Studien- und eine Trainingszelle. Persönliche Kontakte hat | |
Breivik allerdings nur zu Gefängnisbediensteten und zum | |
Gesundheitspersonal. Seit vor 3 Jahren seine Mutter verstorben ist, gibt es | |
keine Angehörigen, die ihn besuchen wollen. | |
Sein einziger Kontakt nach außen ist sein Anwalt Øystein Storrvik. Und | |
dieser Verteidigerkontakt erfolgt getrennt durch eine Glasscheibe. Kontakt | |
zu anderen Gefängnisinsassen ist nicht erlaubt, auch beim täglichen Hofgang | |
ist er allein. Leibesvisitationen finden teilweise mehrmals täglich statt. | |
Jeder Briefverkehr wird zensiert und war zeitweise ganz verboten. Der | |
Verdacht besteht, dass der nach wie vor von seinen Terrortaten überzeugte | |
Breivik versuchen könne, aus der Haft heraus Terrorzellen aufzubauen. | |
Mit einem Hungerstreik hatte Breivik im Herbst vergangenen Jahres | |
vergeblich gegen die Briefzensur protestiert und gefordert, einen PC zu | |
erhalten. Um fehlende Kontakte zumindest teilweise zu kompensieren, hat er | |
Zugang zu Zeitungen und TV, er erhielt eine Schreibmaschine und eine | |
Xbox-Spielekonsole und ihm wurden erweiterte Studienmöglichkeiten, so die | |
Erlaubnis zum Beginn eines Politologiefernstudiums, eingeräumt. | |
## Verhandlung in der Turnhalle | |
Insgesamt stelle seine Situation jedoch einen Verstoß gegen die Europäische | |
Menschenrechtskonvention (EMRK) dar, meint sein Verteidiger: Und zwar | |
konkret gegen das Verbot von „Folter beziehungsweise unmenschlicher und | |
erniedrigender Behandlung oder Strafe“ (Art. 3 EMRK) und dem in Artikel 8 | |
garantierten Schutz des Privatlebens. Zur Begründung verweist er auch auf | |
einen im Juni 2015 veröffentlichten Bericht des norwegischen | |
Zivilombudsmanns. Der befasst sich mit den Verhältnissen in der Haftanstalt | |
Skien und sieht aufgrund der dortigen Haftbedingungen für | |
Hochsicherheitshäftlinge ein „erhöhtes Risiko für unmenschliche | |
Behandlung“: Die begrenzte Möglichkeit zu mitmenschlichem Kontakt trage auf | |
Dauer „die Gefahr von Isolationsschäden“ in sich. | |
Eine solche „Risikoschwelle“ gebe es natürlich, meint auch Kjetil | |
Mujezinović Larsen, Professor für internationales Recht am | |
Menschenrechtszentrum der Universität Oslo. Doch ähnlich wie die | |
norwegische Staatsanwaltschaft sieht er diese im Falle Breivik nicht als | |
überschritten an. Die Verhältnisse des Einzelfalls müssten berücksichtigt | |
werden und da gebe es eben schwerwiegende Sicherheitsbedenken. Der Fall des | |
norwegischen Terroristen sei annähernd vergleichbar dem des Venezolaners | |
Ilich Ramírez Sánchez („Carlos“), bei dem der Europäische | |
Menschenrechtsgerichtshof eine Isolationshaft angesichts dessen | |
„Persönlichkeit und außerordentlichen Gefährlichkeit“ verneint hatte. | |
Es müsse eine Abwägung stattfinden zwischen den Sicherheitserfordernissen, | |
die konkrete Isolationsmaßnahmen rechtfertigen, und dem auch für einen | |
Häftling wie Breivik geltenden Rehabilitierungsgedanken, gibt der | |
Rechtssoziologe Kristian Andenæs zu bedenken. Selbst wenn das angesichts | |
dessen beispielloser Terrortaten sicher nicht einfach sei, hoffe er, dass | |
sich das Gericht „nicht durch sachfremde Erwägungen beeinflussen lässt“. | |
Bei der Verhandlung, die aus Gründen der Sicherheit in eine Turnhalle des | |
Gefängnisses in Skien verlegt worden ist, wird Breivik selbst mehrere | |
Stunden Gelegenheit haben, seine Klage vorzutragen. Außerdem sollen Zeugen | |
und Sachverständige zu den Haftbedingungen und der psychischen Gesundheit | |
Breiviks gehört werden. Eine Radioübertragung vom Prozess hat das Gericht | |
abgelehnt. Man befürchte, dass er eine solche Gelegenheit zu codierten | |
Mitteilungen an Gesinnungsgenossen oder zur Abgabe politischer Statements | |
nutzen könnte. | |
14 Mar 2016 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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