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# taz.de -- Landtagswahl in drei Bundesländern: Wer gewinnt, wer verliert?
> In Sachsen-Anhalt gibt es jede Menge Frustwähler. In Rheinland-Pfalz
> wird‘s eng und in Baden-Württemberg sind die Grünen siegesgewiss.
Bild: Julia Klöckner (l.) und Malu Dreyer: Es kann nur eine gewinnen.
Stuttgart/Mainz/Dresden taz | Wen mahnt Guido Wolf da eigentlich zur
Gelassenheit? Es ist Dienstag früh, Wolf sitzt zur Pressekonferenz hoch
oben im Turm des Stuttgarter Bahnhofs und versucht minutenlang zu
vermeiden, einen Satz zu wiederholen, den er noch am Wochenende der
Stuttgarter Zeitung gesagt hat: Die CDU werde mit den Grünen nicht als
Juniorpartner koalieren.
Auf Koalitionen wolle er sich öffentlich überhaupt nicht festlegen, man
solle doch gelassen das Wahlergebnis abwarten. Dabei ist es ein offenes
Geheimnis, dass CDU und FDP gern gemeinsam regieren würden, um im Land
wieder die alten Verhältnisse herzustellen – notfalls auch in einer
„Schwampel“ mit der SPD.
Doch selbst das wirkt allmählich realitätsfremd. Alle Umfragen der letzten
drei Wochen sehen die Union hinter den Grünen mit mal zwei, mal satten fünf
Prozentpunkten. Der etwas fortschrittlichere Teil der Union erkennt
allmählich, dass eine Regierungsbeteiligung unter einem Ministerpräsidenten
Kretschmann die einzige Option zum Mitregieren sein könnte.
Denn noch während die Union versucht, sich mit Grün-Schwarz anzufreunden,
könnte die Realität darüber hinwegfegen. Laut der jüngsten Umfrage des
Instituts Forsa, das als weniger verlässlich gilt, liegt die SPD immerhin
bei 16 Prozent. Damit würde es erneut für Grün-Rot reichen.
In der SPD regt sich auf den letzten Metern so etwas wie trotziger Stolz.
Wahlkampfhöhepunkt der Partei am Mittwoch mit Finanzminister Nils Schmid in
Karlsruhe. Kretschmann ist zu Gast. Die CDU hat eine solche Veranstaltung,
die sie mit der Kanzlerin in Stuttgart geplant hatte, angeblich aus
Kostengründen abgesagt. Es mangelt, ist zu hören, an Spenden.
In Karlsruhe tauschen Kretschmann und Schmid Freundlichkeiten aus. Schmid
betont, wie sehr Grün-Rot das Land in den letzten Jahren durchgelüftet
habe. Unter Schwarz-Gelb mussten sich gleichgeschlechtliche PartnerInnen
ihre Heiratsurkunde noch auf der KfZ-Meldestelle abholen, berichtet er.
Dann tritt der Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel auf und betont eher die
Unterschiede der beiden Parteien. Die SPD sei auch für jene da, die nicht
genug Geld hätten, sich „Solarpaneele aufs Dach zu nageln“. Ohne die SPD
würde der Südwesten unsozialer, sagt Gabriel.
Auch wenn diese Koalition nie eine reine Liebesheirat war – man kann wohl
davon ausgehen, dass, wenn es denn am Sonntag reicht, Grün-Rot mit einer
geschwächten SPD in die nächste Runde geht. Es wäre Schmids letzte Chance,
doch noch Parteichef zu bleiben. Kretschmann, der viel von Zuverlässigkeit
und Berechenbarkeit hält, hat sich im Wahlkampf ohnehin festgelegt. Und wer
bei den Grünen wollte schon mit dieser Union koalieren?
Herausforderer Guido Wolf wird sich wie einstmals Heide Simonis langsam
fragen: „Und was wird eigentlich aus mir?“ Parteichef Thomas Strobl will
seinem Spitzenkandidaten, der in der Pressekonferenz im Bahnhofsturm direkt
neben ihm sitzt, an diesem Morgen nicht einmal mehr garantieren, dass er
nach dem Wahlsonntag noch eine Rolle spielt. Man werde sehen, wer bei den
Koalitionsverhandlungen mit wem rede, weicht Strobl aus. Erst zwei Stunden
später schickt die Pressestelle einen Treueschwur des Parteivorsitzenden
für Wolf per Pressemitteilung hinterher.
## Wahlkrimi mit der Königin der Herzen
Zehn Prozentpunkte Unterschied. So weit lagen CDU und SPD in
Rheinland-Pfalz noch im vergangenen Jahr um diese Zeit auseinander – ein
nahezu uneinholbarer Vorsprung der CDU auf die seit 25 Jahren regierenden
Sozialdemokraten. CDU-Spitzenfrau Julia Klöckner wähnte sich schon als neue
Ministerpräsidentin, ihr siegesgewisses Lächeln trug sie stets vor sich
her. Doch nun, kurz vor der Wahl, ist auf einmal alles anders. CDU und SPD
liegen mit 35 und 34 Prozent nahezu gleichauf.
Noch im November rief Malu Dreyer ihren Genossinnen und Genossen auf dem
Landesparteitag zu: „Ich bleibe Rheinland-Pfalz-Ministerpräsidentin!“ Und
lachte dabei ihr gutgelauntes Lachen. Das glaubte damals keiner. Aber
Dreyer ist so etwas wie die Königin der Herzen für die Partei und rund 50
Prozent der Wähler, die sie als Landesmutter behalten wollen.
Und Dreyers Optimismus scheint auf die Partei abgefärbt zu haben. Die Basis
klebt beschwingt bis in die Nacht Plakate für ihre Malu. Entgegen dem
Bundestrend geht es der Partei mit ihren nun 34 Prozent in Umfragen sehr
gut. Auch deshalb ist Dreyers Sieg bundespolitisch so wichtig – selbst wenn
sie ihren Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel wohl bewusst nicht allzu oft
zum Wahlkampf eingeladen hat.
Obwohl die Wahl erst noch gewonnen werden will, scheint der Umfrageeinbruch
an CDU-Spitzenkandidatin Julia Klöckner zu zehren. Bis zu 43 Prozent
Stimmenteil waren es einmal. Zuletzt wirkte die sonst kämpferisch und
betont gut gelaunte Klöckner fahriger als sonst. Schon einmal hat sie die
Landtagswahl nur knapp verloren, das war im Jahr 2011. Da lag die CDU nur
einen halben Prozentpunkt hinter den Sozialdemokraten. Ein Erlebnis, das
sie sich gerade wieder in Erinnerung rufen dürfte.
Gerade ihr zweites Asylpapier mit dem CDUler Guido Wolf aus
Baden-Württemberg hat ihr wohl geschadet. Kurz vor der Wahl noch einmal die
eigene Parteivorsitzende Angela Merkel anzugreifen, kommt bei den eher
traditionellen Wählern nicht gut an.
Abseits des Kampfs der medienwirksamen Gigantinnen Dreyer und Klöckner
ringen die Grünen um ihr bisschen Aufmerksamkeit. Für sie könnte es heißen:
Von der APO auf die Ministerbank und wieder zurück. Denn bei den Anhängern
der Partei geht die Angst um, dass sich die aktuell sechs Prozent am
Wahlabend noch einmal reduzieren könnten.
Wer am Sonntagabend einen Krimi live erleben will, muss nicht zwangsläufig
den „Tatort“ einschalten. Die Übertragung der Wahlergebnisse wird genügen.
## Das Gespenst AfD
Knapp zwei Millionen Wahlberechtigte sind am Sonntag in Sachsen-Anhalt zur
Wahl aufgerufen. Wie viele dieses Recht tatsächlich nutzen, kann sowohl
Aufschluss über die Stimmung im Land als auch über die
Mobilisierungsfähigkeit der AfD geben. Bei den Landtagswahlen im Jahr 2011
gab nur jeder zweite Bürger seine Stimme ab.
Sachsen-Anhalt schaut gebannt auf das AfD-Gespenst. In der Vergangenheit
wählte das Land oft überraschend. Sowohl die FDP als auch die DVU
erreichten hier schon Ergebnisse um die 13 Prozent. Die Schill-Partei
schaffte es zwar nie in den Landtag, stand hier kurzzeitig aber besonders
hoch im Kurs. Voraussichtlich wird die AfD hier nun ihr bislang höchstes
Landesergebnis erzielen – knapp hinter der Linken und noch vor der SPD.
Die CDU dürfte zwar stärkste Partei bleiben, verliert aber wohl an die AfD.
Ihr Wahlkampf war komplett auf den „Landesvater“ und bisherigen
Ministerpräsidenten Reiner Haseloff zugeschnitten. Der bemühte sich um
Distanz zur Merkel’schen Flüchtlingspolitik.
Seine Liaison mit CSU-Chef Horst Seehofer bringt aber nach Auffassung von
CDU-Straßenwahlkämpfern keine Stimmengewinne, zumal das Land sogar für
Flüchtlinge unattraktiv ist und Unterkünfte leer stehen. „Die Leute haben
Angst, dass ihnen das wenige, was sie haben, auch noch genommen werden
könnte“, spielt ein CDUler auf die soziale Situation im Land mit dem
Schlusslicht-Image an. Dort müsse Politik ansetzen.
Zwischen Sarkasmus und Zweckoptimismus schwanken die Sozialdemokraten.
Spitzenkandidatin Katrin Budde wirbt zwar mit „klarer Haltung“, also einem
nicht unbedingt SPD-typischen Attribut. Welche damit gemeint ist, erfährt
der Wähler aber erst auf Nachfrage.
Die AfD, mit der niemand koalieren will, und die Stimmenverluste der
bisherigen Großen Koalition könnten am Wahlabend dazu führen, dass CDU und
SPD zusammen keine Landtagsmehrheit mehr haben. Für diesen Fall hat
Grünen-Spitzenkandidatin Claudia Dalbert eine „Prüfung der demokratischen
Verantwortung“ angedeutet, also eine schwarz-rot-grüne Koalition offen
gehalten.
Doch auch der Einzug der Grünen in den Landtag ist nicht sicher, genauso
wenig wie der der FDP, die nach fünf Jahren Pause wieder anklopft. Gänzlich
aussichtslos erscheint ein rot-rot-grünes Modell wie in Thüringen, auf
dessen Zweitauflage Linken-Frontmann Wulf Gallert noch vor einem Jahr
hoffen konnte.
11 Mar 2016
## AUTOREN
Benno Stieber
Alina Leimbach
Michael Bartsch
## TAGS
Schwerpunkt Landtagswahlen
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