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# taz.de -- Neues Zentrum für Hamburgs Westen: Ein Bahnhof minderer Güte
> Der Umzug des Altonaer Bahnhofs ist zwar schnell und billig für die Bahn,
> verspielt aber eine Jahrhundertchance, meint Mobilitätsexperte Ilgmann.
Bild: Noch ein Verkehrsknotenpunkt mit 130.000 Passanten am Tag: der Altonaer B…
HAMBURG taz | Die Verlegung des Altonaer Bahnhofs ist eine
Jahrhundertchance für Hamburg. Doch mit einem Neubau am Diebsteich würde
diese Chance verspielt: Statt im Mittelpunkt eines lebendigen neuen
Stadtviertels läge der neue Bahnhof in einer Einöde zwischen Friedhof und
Gewerbegebiet. Statt zwei S-Bahn-Strecken würde er nur noch eine bedienen
und den stark frequentierten Hauptbahnhof würde er eher be- statt
entlasten.
Der historische Kopfbahnhof Altona soll 2023 abgebaut werden. Im Gegenzug
will die Bahn den nördlich gelegenen S-Bahnhof Diebsteich zu einem
Fernbahnhof ausbauen – eine Halle mit vier Bahnsteigen, drei davon für den
[1][Fernverkehr.] Die Detailplanung ist voll im Gang. 2017 soll das
Planfeststellungsverfahren beginnen, danach wäre alles festgezurrt. Das
riesige alte Gleisfeld wird für fast 40 Millionen Euro Kaufpreis an die
Stadt Hamburg gehen. Sie wird dort ein neues Quartier entstehen lassen –
auf einem Teil der Fläche, dem alten Güterbahnhof, werden schon die ersten
Wohnungen gebaut.
Diebsteich ist eine praktische Lösung – bahnbetrieblich gesehen. Man hat
Platz für schnurgerade ICE-Bahnsteige. Richtung Norden geht es direkt
weiter nach Eidelstedt, wo die Züge heute schon für den erneuten Einsatz
gesäubert und gewartet werden. Am Diebsteich, wo es fast keine Wohnungen
gibt, ist auch kein heftiger Widerstand gegen den Bahnhofsneubau zu
erwarten.
Doch der große Vorteil von Diebsteich ist zugleich das größte Manko. Es ist
dort totenstill. Die städtebauliche Entwicklungsperspektive ist nahezu
null. Das erstaunt umso mehr als weiter südlich im Gleisfeld ausreichend
Flächen frei werden, die auch andere Lösungen für einen Bahnhof möglich
machen würden. Das Münchner Planungsbüro Vieregg & Rössler hat über die
Jahreswende darauf in einer Skizze hingewiesen – und ebenso auf die
absehbaren Nachteile der Lösung am Diebsteich. Sie schlagen vor, den neuen
Bahnhof in das Gleisdreieck über der Stresemannstraße zu bauen, zwischen
der Metro dem neuen Quartier auf der Gleisbrache und dem Gelände der
Holsten-Brauerei.
Warum kommt der Vorschlag ausgerechnet aus Bayern? Wahrscheinlich, weil die
Münchner Verkehrsplaner ähnliche Konstellationen gerade erlebt haben. In
München ist innerhalb von wenigen Jahren die Metro an zwei Standorten
weggezogen und hat einer verdichteten Bebauung Platz gemacht. Die meisten
Brauereien in München sind bereits an den Stadtrand gezogen oder haben dies
vor. Inzwischen will das auch die Holsten-Brauerei in Altona. Verwunderlich
ist das nicht. Die genannten Gewerbe brauchen Platz und eine gute
Straßenanbindung, aber keinen Anschluss an den öffentlichen Nahverkehr.
Wenn man den neuen Bahnhof Altona oder „Hamburg West“ in die Mitte des
Gebiets setzen würde, könnte er bei einer ähnlichen Entwicklung
städtebaulich zu einem Kristallisationspunkt werden. Drumherum könnte sich
ein besonders attraktives neues Stadtviertel entwickeln – mit exzellenter
Nahverkehrs- und Fernbahnanbindung. Wie die Skizze von Vieregg & Rössler
zeigt, würde man dazu vermutlich S-Bahn-Strecken umtrassieren, um
hochwertige zusammenhängende Flächen zu erzeugen.
Die Grafik hat nicht den Anspruch einer endgültigen Planung. Sie skizziert
nur eine ungefähre Lage des Bahnhofs und eine von vielen möglichen
Führungen der S-Bahn-Strecken, ohne Aussage, wie sie sich kreuzen sollen.
Es könnten ja auch parallele Plattformen wie bei U1 und U3 in
Kellinghusenstraße wünschenswert sein.
Am Diebsteich dagegen wären die zukünftigen Einwohner und Besucher der
Gleisbrache nicht sinnvoll an den schnellen Nahverkehr angebunden. Sie
würden abseits von allen drei S-Bahnhöfen Altona, Diebsteich und
Holstenstraße wohnen.
Auch für die Weiterfahrt der ankommenden Passagiere aus dem Fernverkehr
wäre der Bahnhof Diebsteich wenig attraktiv. Er läge nur an der
S-Bahn-Strecke über Eidelstedt nach Pinneberg (S3, S21). Die S-Bahn in den
Westen Hamburgs bis nach Wedel (S1) läuft an Diebsteich vorbei.
Das hat Folgen. Heute kann die Bevölkerung im Westen und in den Elbvororten
nach einer S-Bahn-Fahrt in Altona in den ICE steigen. Läge der Fernbahnhof
am Diebsteich würden sie ihre S-Bahn-Fahrt bis zum Hauptbahnhof verlängern.
Sie würden die S-Bahn-Züge verstopfen und den ohnehin voll ausgelasteten
Hauptbahnhof.
Die offiziellen Verkehrsprognosen der Bahn bilden das auch so ab. Danach
wird der Bahnhof Diebsteich nur von zirka 20.000 Fahrgästen pro Werktag
genutzt werden. In Altona sind es heute zirka 130.000, Besucher
eingeschlossen. Besser, ein neuer Bahnhof würde mehr Fahrgäste auf sich
ziehen – schon deshalb, weil der Hauptbahnhof am Anschlag ist oder darüber.
Er hat mit zirka 530.000 Reisenden und Besuchern bundesweit unter den
Bahnhöfen das höchste Verkehrsaufkommen. Wohl jeder hat sich schon einmal
in den Spitzenzeiten am Nord- und Südsteg wie ein Aal durch den
vielreihigen Menschenstrom geschlängelt.
Es wäre an der Stadt, das bestehende Planungsverfahren umzuwerfen. Sie ist
für den öffentlichen Nahverkehr und die städtebauliche Entwicklung in der
Verantwortung. Für die Bahn verspricht ein Fernbahnhof am Diebsteich eine
schnelle und preiswerte Lösung. Alternativen wurden öffentlich nie erwogen.
Als einzige Kritik wurde die Befürchtung laut, der neue Bahnhof könnte zu
ärmlich ausfallen.
Der Senat sollte einen Planungswettbewerb veranstalten, um die beste Lösung
für die Lage des Bahnhofs und die Streckenführung der S-Bahn zu finden. Er
sollte mit der Bahn „dealen“, um „Hamburg-West“ zu erkunden und umzuset…
Dabei müsste Hamburg die bislang angefallenen Planungskosten der Deutschen
Bahn für Diebsteich kompensieren und die Mehrkosten für „Hamburg-West“ zum
größeren Teil übernehmen. Schließlich ist die Bahn nicht für die
städtebauliche Entwicklung Hamburgs zuständig.
Aber auch die Bahn sollte der Stadt entgegenkommen. Für die Tochter „DB
Station und Service“ wäre der „Kristallisationsbahnhof Hamburg-Altona Neu�…
langfristig eine Goldgrube. Dort käme ja doch mal der eine oder andere
Fahrgast vorbei. Diebsteich hat keine Zukunft.
2 Mar 2016
## LINKS
[1] http://bahnprojekt-hamburg-altona.de/
## AUTOREN
Gottfried Ilgmann
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