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# taz.de -- Ehrung für Mark Zuckerberg: Herzlichen Glückwunsch zum Epic Fail
> Mark Zuckerberg bekommt den Axel Springer Award verliehen, weil er eine
> „herausragende Unternehmerpersönlichkeit“ ist. Was für ein Witz.
Bild: Gefällt uns nicht: Mark Zuckerberg.
Der Springer-Vorstand hat Facebook-Chef Mark Zuckerberg für die in diesem
Jahr zum ersten Mal vergebene Auszeichnung ausgesucht, weil er zu den
„herausragenden Unternehmerpersönlichkeiten“ gehört, „die in besonderer
Weise innovativ sind, Märkte schaffen und verändern, die Kultur prägen und
sich gleichzeitig ihrer gesellschaftlichen Verantwortung stellen“. Zwar ist
kaum zu bestreiten, dass Facebook ein erfolgreiches Unternehmen ist. Aber
was die gesellschaftliche Verantwortung betrifft, ist die Firma ein epic
fail. Hier folgen acht Gründe, warum Mark Zuckerberg kein vorbildlicher
Unternehmer ist.
1. Das Geschäftsmodell
Es mag schön sein zu wissen, was Mama, Papa und Tante Hilde heute zum
Mittagessen hatten. Aber diese Art von Informationen liefert einem Facebook
nicht aus Liebe zur globalen Kommunikation. Vielmehr akkumuliert das
Unternehmen so Verbraucherinformationen, die das Unternehmen auswertet und
an Datenhändlern wie Acxiom, Epsilon, Datalogix oder Bluekai weitergibt –
scheinbar anonymisiert, tatsächlich aber als letztlich doch relativ leicht
aufzulösender „Hash-Wert“. Dass die Analyse von Big Data durch die Firma
bisher noch nicht so gut funktioniert, wie es Facebook und seine Investoren
gern hätten, ist keine Entschuldigung für diese fundamental unethische
Methode, sich an unseren persönlichsten Informationen zu bereichern.
2. Der Algorithmus
Kein Mensch weiß, warum er welche Informationen vorgesetzt bekommt, wenn er
Facebook anklickt. Bloß, dass dahinter ein streng gehüteter Algorithmus
steckt, davon hat man schon mal gehört und davon, dass dieses Programm uns
liefern soll, was uns besonders interessiert. Dazu gehört zunächst einmal
alles, was man im Internet kaufen kann – wie jeder weiß, der bei Facebook
schon mal gnadenlos von Werbung für Turnschuhe oder Bücher verfolgt worden
ist, die er sich zuvor auf einer anderen Website angesehen hatte. Letztlich
führt das Programm aber zur Entstehung einer „Filterblase“, in welcher der
User mit immer trennschärfer auf seine Spezialinteressen zugeschnittenem
Material zugeballert wird. Mit dem umfassenden Informationsangebot des
Internets hat dieses Paralleluniversum nichts zu tun.
3. Trolle, Hetzer, Asoziale
In den Biotopen, die Facebook gezüchtet hat, haben sich teilweise asoziale
Umgangsformen eingebürgert, bei denen Gepöbel, Beleidigung und
strafrechtlich Relevantes zum üblichen Ton gehören. Jahrelang hat Facebook
so getan, als könnte es diesem Treiben keinen Einhalt gebieten, obwohl man
gleichzeitig mühelos in der Lage war, Bilder von Nackten flächendeckend zu
löschen, weil diese den eigenen „Community-Standards“ widersprachen. Das
geht bis zu Bildern von Stillenden (nackter Busen!), [1][die in
Internet-Sweatshops in Entwicklungsländern wie den Philippinen für geringe
Löhne aussortiert werden.]
In Deutschland hat Facebook die Aufgabe, für die Einhaltung elementarer
Regeln des zwischenmenschlichen Umgangs zu sorgen, nun outgesourct, und
zwar an die Bertelsmann-Firma [2][Arvato], ein Unternehmen, das sonst
Kundenkarten- und Treuebonus-Programme inklusive Callcenter betreibt. Hier
sollen in Zukunft einhundert Mitarbeiter nach eigenem Gusto über Fragen
entscheiden, für die bisher der Staat und seine Vollzugsorgane zuständig
waren: etwa darüber, was Beleidigung oder Volksverhetzung und was
grundgesetzlich geschützte Meinungsäußerung ist.
4. Facebook gibt und Facebook nimmt
Dank der Milliarden Facebook-Nutzer hat das Unternehmen eine historisch
einmalige Machtposition als Umschlagplatz für Aufmerksamkeit erlangt.
Facebook ist mit dafür verantwortlich, dass Internet-Medienunternehmen wie
BuzzFeed, die Huffington Post oder Vox in kürzester Zeit zu wichtigen
Nachrichtenquellen werden konnten. Internetfirmen wie Zynga („Farmville“)
and LivingSocial wurde dank Facebook für einige Monate zu Global Playern,
dann durch ein paar Veränderungen am Algorithmus ins Nichts gestürzt.
Höchste Vorsicht geboten ist darum bei dem Facebook-Konzept der „Instant
Articles“ – Medienunternehmen veröffentlichen ihre Texte und Videos direkt
bei Facebook statt auf der eigenen Website, weil die User immer seltener
auf Links „nach draußen“ klicken – beziehungsweise gar nicht mehr wissen,
dass es ein Internet jenseits von Facebook gibt.
5. Datenschutz
Wo soll man da anfangen? Über die Missachtungen des Rechts auf Privatsphäre
durch Facebook ließe sich ein eigener Artikel schreiben – oder auch gleich
eine ganze taz füllen. Facebook verwendet US-Datenschutzbestimmungen, die
in der EU ungültig sind, sammelt Nutzerdaten hinter deren Rücken und
verknüpft sie mit Daten aus anderen Quellen. In der EU hat eigentlich jeder
Bürger das Recht zu erfahren, welche Informationen ein Unternehmen über ihn
speichert. Doch das „Download Tool” von Facebook liefert nur einen
Bruchteil der Daten, auf die man eigentlich einen Anspruch hätte. Darum
gibt es derzeit vor dem Wiener Oberlandesgericht ein Verfahren gegen
Facebook sowie zahlreiche Beschwerden bei der zuständigen
Datenschutzbehörde in Irland. All das versucht Facebook in einem zähen
Abwehrkampf mit einer Armee von hochbezahlten Rechtsanwälten und Lobbyisten
auszubremsen.
6. Steuertricksereien
Das Unternehmen hat seine Europa-Zentrale in Irland, weil dort besonders
niedrige Unternehmensteuern fällig sind. Gleichzeitig hat Facebook – wie
unter anderem [3][Forbes], [4][Die Zeit] und [5][Business Insider]
berichtet haben – ein System von Briefkastenfirmen in Bananenrepubliken wie
den Cayman-Inseln und einen Steuertrick namens „Double Irish With a Dutch
Sandwich“ genutzt, um Steuern so weit wie möglich zu vermeiden. In
Großbritannien hat das Unternehmen trotz Milliarden-Umsätzen im Jahr 2014
nur gut 4.000 Pfund Steuern bezahlt. Für Deutschland gibt es keine Zahlen.
Denn die Facebook GmbH in Hamburg ist trotz Millionen deutscher
Facebook-Nutzer lediglich eine „kleine Kapitalgesellschaft“ und muss keine
Jahresbilanz veröffentlichen.
7. Mark Zuckerbergs Stiftung
99 Prozent seines Vermögens will Mark Zuckerberg in eine wohltätige
Stiftung stecken, wie er Ende 2015 anlässlich der Geburt seiner Tochter
Maxima ankündigte. Derartige Mildtätigkeit ist gerade das Statussymbol
Nummer eins unter US-Kapitalisten: Zum Wohle der Menschheit haben sich auch
Larry Ellison (Oracle), Michael Bloomberg, Paul Allen und Bill Gates (beide
Microsoft) sowie Elon Musk (Tesla) [6][von der Hälfte ihres Vermögens oder
mehr getrennt]. Zuckerberg hat ihnen nun gezeigt, wer den größten
Geldhaufen hat. (Und ein Prozent seines Ersparten reichen immer noch für
ein standesgemäßes Leben.)
Ob solche Millionärsstiftungen die Sorgen der Menschheit effektiver lindern
können als die zuständigen staatlichen Institutionen – denen die
notwendigen Finanzmittel oft dank Steuertricks à la Facebook vorenthalten
wurden –, ist eine Behauptung neoliberaler Ideologie, trifft aber in der
Praxis nicht notwendigerweise zu: Zuckerbergs 100-Millionen-Dollar-Spende
an die Schulen in Newark, New Jersey, von 2010 hat wenig dazu beigetragen,
die öffentlichen Schulen besser zu machen, wie die amerikanische
Journalistin Dale Russakoff in [7][Reportagen für den New Yorker ] und dem
Buch „The Prize: Who’s in Charge of America’s Schools?“ gezeigt hat.
Berater mit Tagessätzen von 1.000 Dollar, aber ohne Kenntnis der
Schulsituation in Newark ersannen Reformvorschläge, die das ganze
Schulsystem umstrukturieren sollten und die bei den betroffenen Eltern und
Schülern zum Teil schieres Entsetzen auslösten. 20 Millionen Dollar gingen
an Beratungsfirmen, ein Großteil der übrigen Mittel wurden für neu
gegründete Vertragsschulen ausgegeben, während die städtischen Schulen von
dem Programm kaum profitierten. Inzwischen ist deshalb von einem
undurchdachten „Impulskauf“ Zuckerbergs die Rede.
8. Free Basics
Ein anderes Weltverbesserungsprojekt Zuckerbergs wird den Nimbus des
wohlverstandenen Eigennutzes nicht los: Free Basics, eine aufwendige
Initiative, die Menschen im globalen Süden Gratiszugang zum Netz
ermöglichen sollte, in der Praxis aber nur den Eintritt zu einer Handvoll
Websites inklusive Facebook erlaubt. Das riecht so stark nach dem Versuch,
die Netzneutralität aufzuheben und Facebook für neue, oft wenig gebildete
Nutzer als das Internet schlechthin darzustellen, dass das Angebot in
[8][Ägypten] und [9][Indien] inzwischen verboten wurde. Noch Fragen?
25 Feb 2016
## LINKS
[1] http://www.wired.com/2014/10/content-moderation/
[2] http://www.nw.de/nachrichten/wirtschaft/20681036_Arvato-durchforstet-fuer-F…
[3] http://www.forbes.com/sites/robertwood/2012/12/27/facebook-mirrors-googles-…
[4] http://www.zeit.de/2013/09/Steuern-Steuerpolitik-Amazon-Google/seite-3
[5] http://www.businessinsider.com/facebook-funneled-nearly-half-a-billion-poun…
[6] http://money.cnn.com/2015/06/01/news/companies/giving-pledge-billionaires/
[7] http://www.newyorker.com/magazine/2014/05/19/schooled
[8] http://www.zdnet.de/88255777/aegypten-laesst-facebooks-free-basics-schliess…
[9] http://www.zdnet.de/88259420/facebooks-internetdienst-free-basics-in-indien…
## AUTOREN
Tilman Baumgärtel
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