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# taz.de -- Demokonzert gegen Körperhass: „Wir feiern jede*n“
> Heidi Klum schickt „die Mädchen“ in die elfte Runde. Aber wer tut sich
> das noch an? Erst recht nicht, wenn es ein Alternativprogramm gibt.
Bild: Liebe Pink, aber nicht „Pinkifikation“!
Berlin taz | Im SO 36 in Berlin Kreuzberg stapeln sich die Leute. Kein
Wunder – ist ja auch freier Eintritt. Aber die Menschen, die hier
enthusiastisch klatschen, hätten sicher auch bezahlt. Denn sie sind hier,
weil sie auf etwas sehr Wichtiges aufmerksam machen und sich dem
entgegensetzen wollen – nämlich Sexismus und Körperhass.
Der Nebel auf der Bühne leuchtet mal rot, mal pink, mal blau. In den bunten
Schwaden steht die junge Musikerin Finna aus Hamburg. Sie erzählt von ihrer
Schwangerschaft und ihrer Reise durch sechs Kleidergrößen. Ihre Stimme
zittert. Dann rappt sie über den Hass auf den Körperhass, dann über ihre
Unsicherheit.
Das bunt gemischte, wenn auch vorwiegend weibliche Publikum jubelt ihr zu.
So richtig in Protestlaune ist hier keiner. Naja irgendwie schon. Aber das
geht ja auch tanzend. Denn die Veranstaltung ist keine
Negativ-Protestaktion, sondern eine Party und ein Alternativprogramm zur
zweiten Folge der elften Staffel Germany‘s Next Topmodel (GNTM), die an
diesem Abend zeitgleich ausgestrahlt wird. In diesem TV-Format werde, so
die Veranstalter Pinkstinks, ein limitiertes Mädchenbild entworfen,
Körperhass produziert und Sexismus gefördert.
Die Idee zu einer Anti-GNTM-Aktion kam aus dem Bundesfamilienministerium.
„Sie sind auf uns zugekommen“, erzählt Pinkstinks-Geschäftsführerin Stev…
Schmiedel. „Das Ministerium will eine neue Zielgruppe ansprechen und in den
Medienbereich vorstoßen.“ Deshalb auch der freie Eintritt. „Wir wollen
jeden ansprechen und mit der Party auch jeden feiern“, sagt Schmiedel. Ein
Fest für moderne Geschlechterrollen und alle Körperbilder, das vom
Ministerium finanziert wurde.
Pinkstinks, eine gemeinnützige Protestorganisation, versuchen dem Trend der
„Pinkifizierung“ schon seit Jahren entgegenwirken. Und die betreffe Jungen
und Mädchen gleichermaßen. Ihr Zuruf: Es gibt nicht nur zarte Prinzessinnen
und starke Ritter. Sei, wer du willst und wie du es willst! Seit 2012
organisieren sie Aktionen gegen GNTM. „Das Frauenbild, dass die Sendung
zelebriert sagt Mädchen: Du bist nicht schlank genug, nicht sexy genug, zu
widerspenstig“, kritisiert Schmiedel, die in der Genderforschung
promovierte. Ihre Organisation erreichte 2015 eine Prüfung der Sendung
durch den Jugendschutz. Sie wurde aber nicht als jugendgefährdend
eingestuft. „Lächerlich“, findet die Pinkstinks-Geschäftsführerin.
## Ein Protest-Eintopf der guten Laune
Das Programm des Abends ist so voll gepackt wie die Tanzfläche. Die
Rapperinnen Sookee und Finna sprechsingen über Schönheitsbilder und
Selbstzweifel. Rampensau Bernadette La Hengst und Soulsängerin Tamika geben
sich im Anschluss das Mikrofon in die Hand. Alle Musikerinnen thematisieren
in ihren Texten Sexismus, Homophobie und Genderfragen. Sookee vermittelte
dann noch Poetry-Slammerin Ninia La Grande für die Moderation und fertig
war ein Protest-Eintopf der guten Laune.
Aber es gibt nicht nur Musik. Die Journalistinnen Silke Burmester und
Margarete Stokowski interviewen das österreichische Plus-Size Model Ina
Holoub, die zuvor mit anderen Models mit Übergröße in Abendrobe und später
Unterwäsche über den Laufsteg gelaufen war. Ob sie auch GNTM schaut, will
Margarete wissen. „Ja, denn man muss ja das Feindbild kennen“, antwortet
Ina, die später noch einen Burleske-Auftritt in einem anderen Club vor sich
hat.
Die Gefährdung junger Mädchen durch Formate wie GNTM ist wissenschaftlich
belegt. Eine Studie von Medienwissenschaftlerin Maya Götz kommt zum
Ergebnis, das die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper bei jungen Mädchen
angestiegen ist, seitdem die Klum-Show im Fernsehen läuft. Kein Wunder,
denn dort werden nur Mädchen bis Kleidergröße 36 genommen. Wenn die
wüssten, wie viel Applaus und Geschrei die Plus-Size-Models an diesem Abend
bekamen. Ohrenbetäubend!
12 Feb 2016
## AUTOREN
Johanna Braun
## TAGS
Sexismus
Heidi Klum
Germany’s Next Topmodel
Protest
Rap
Heidi Klum
Die Kriegsreporterin
Germany’s Next Topmodel
Schwerpunkt Flucht
Frauen
Pick-up Artists
Sexuelle Gewalt
Axel Springer
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