# taz.de -- Letzte Kolumne Die Kriegsreporterin: Ich mag einfach nicht mehr | |
> Sieben Jahre lang hat Silke Burmester für uns das Mediengeschehen | |
> kommentiert. Nun hört sie auf. Und ist froh. Und traurig. Ein | |
> Abschiedsbrief. | |
Bild: Dabei stand ihr der Helm so gut | |
Hallo taz-Medienredaktion! Die Briten hätten es machen sollen wie ich: eine | |
Beziehungsauszeit nehmen und gucken, wie sich das anfühlt. Wie es ist ohne | |
den anderen. So wie ich Dich, Medienredaktion, vor ein paar Monaten um eine | |
Beziehungspause gebeten habe, um zu sehen, ob das mit uns eine Zukunft hat. | |
Dann wäre auf der Insel vielleicht klarer geworden, was ein Abschied | |
bedeuten könnte, und man muss nach ausgesprochener Trennung nicht | |
hinterherheulen: „Ich habe es nicht so gemeint! Lass uns nochmal reden!“ | |
Ich, ich werde uns nicht hinterherheulen, Medienredaktion, denn ich weine | |
jetzt: Denn ja, ich möchte die Kolumne beenden. Ich möchte nicht weiter | |
„Die Kriegsreporterin“ sein und lustig-popustig all den Irrsinn | |
kommentieren, der in der Medienbranche vor sich geht, oder das aufgreifen, | |
was ich für irrsinnig halte. | |
Es hat nichts mit Dir zu tun, ich mag einfach nicht mehr. Es hat sich etwas | |
verändert. Ich habe mich verändert. Mir hat dieses Tun immer Freude | |
bereitet. Ich habe vor jeder einzelnen Kolumne mit der Freude eines Kindes | |
gesessen, das einen köstlichen Schokokuchen anschneidet und weiß, gleich | |
läuft heiß die Schokolade raus. Es war großartig, ich habe es geliebt, | |
jedes einzelne Mal. | |
Jetzt ist es, als möge ich Schokolade auf einmal nicht mehr. Mir den | |
Irrsinn anzuschauen, die aufgeblasenen Heinis, die Fehlentscheidungen – ich | |
finde, ich habe mich lang genug damit befasst. Und meinen Teil zur | |
Entzauberung der Kaiser und ihrer neuen Kleider beigetragen. | |
## Wir sind eine Branche der Schisser | |
Als ich die Pause ausrief und sagte, ich müsse mal sehen, ob das mit Dir | |
und mir Zukunft habe, sagten einige Leute – und das waren zum Teil sehr | |
respektierte Medienmenschen –, ich dürfe nicht aufhören, denn wenn ich die | |
Dinge nicht benennen würde, täte es niemand. Das ist nicht ganz richtig, | |
zwei, drei KollegInnen gibt es schon, die unsere Branche mit ihrer | |
Selbstverliebtheit nicht durchkommen lassen. | |
Aber das ist nicht das Entscheidende. Das Entscheidende ist, was mich an | |
diesem Satz ärgert: Dass es nicht zum Selbstverständnis von Journalisten | |
gehört, sich mit Kollegen anzulegen. Und schon gar nicht mit den Bossen. | |
Wir sind eine Branche der Schisser und Anpasser, die zwar groß darin ist, | |
Fehler bei anderen zu suchen, aber sich heulend in der Ecke verkriecht, | |
wenn sie ihre Arbeitsbedingungen benennen soll. | |
Ich habe keine Lust mehr, den Kopf hinzuhalten. Ich habe das immer gern | |
gemacht, aber ich habe es lange genug gemacht. Sieben Jahre. Du und ich, | |
Medienredaktion, wir sind in diesen Juni-Tagen sieben Jahre alt geworden. | |
Sieben Jahre Mittwochsglück. | |
Und noch ein anderes Jubiläum gibt es zu feiern: Ich schreibe dieses Jahr | |
seit 20 Jahren für die taz. Und ich gehe davon aus, dass sie mir in | |
irgendeiner Form erhalten bleibt – und ich ihr erhalten bleibe. Aber eben | |
nicht mehr in dieser. Und so sehr ich mich bei Dir für diese Jahre bedanken | |
möchte für die Freiheit, die Du mir gelassen hast, und dass ich bei Dir so | |
sein durfte, wie ich bin, ungestüm und wild und eben nicht so konform, wie | |
es bei den meisten anderen Blättern erforderlich ist, so möchte ich doch | |
jemand anderem noch viel mehr danken: meinen Leserinnen und Lesern. | |
## Ich denk mal drüber nach … | |
Man schreibt für die taz nicht fürs Geld und weil klar war, dass ich als | |
freie Journalistin es mir mit dieser Kolumne mit diversen potenziellen | |
Auftraggebern verscherze, waren es immer die Leserinnen und Leser, die zwar | |
nicht sichtbar sind, die aber fühlbar stützend und unterstützend da waren. | |
Es waren die Mails von Männern, die Horst heißen oder Gerhard, von Frauen, | |
die „eigentlich nie Leserbriefe“ schreiben, die ihren Zuspruch und ihre | |
Freude kundtaten und mich ermunterten, „so zu bleiben“ und mich „ja nicht | |
unterkriegen“ zu lassen. Leute, die mich baten, „nie aufzuhören“, und die | |
finanzielle Unterstützung anboten, als Ärger ins Haus gekommen war. Die mir | |
einen taz-Genossenschaftsanteil schenkten. | |
Es waren die unglaublich vielen Follower, die erst bei Facebook, später | |
über Twitter ihre Begeisterung über die Kolumne äußerten und zusprachen, | |
zusprachen, zusprachen. Zusprachen im Sinne von „weiter so!“ Es waren | |
diejenigen, die während dieser Pause nachfragten, was ist und wann es | |
weitergehe. Ihnen gegenüber tut mir mein Abschied am meisten leid und ich | |
fühle mich, als ließe ich sie im Stich. | |
Ich habe mit dieser Kolumne immer versucht, eine Stimme zu sein, für die, | |
die nicht selbst den Mund aufbekommen. Jetzt hoffe ich, dass es nicht so | |
ist, dass, wenn ich es nicht tu, es niemand tut. Ich hoffe, diese Person | |
findet sich. Rumms und rauf auf die Beknackten! | |
Allerdings hoffe ich in aller Bescheidenheit dann doch, dass die Person es | |
nicht toller macht als ich. | |
Meinen Twitter-Account [1][@medienfront] werde ich noch eine Zeitlang | |
behalten und dann in etwas Allgemeineres überführen. Zu Inhalten auch mit | |
ohne Medien. Man muss sich auch mal breiter aufstellen. Nicht immer so | |
engstirnig sein. Auch mal was Schönes machen. Was mit Blumen und Häkeln. | |
Also bei Gruner + Jahr anfangen. Nee, das nun doch nicht! Aber vielleicht | |
was mit Tieren. Oder alten Leuten. Ich denk mal drüber nach … | |
Und damit, liebe taz-Medienredaktion, ein letztes Mal: Zurück nach Berlin! | |
5 Jul 2016 | |
## LINKS | |
[1] https://twitter.com/medienfront?lang=de | |
## AUTOREN | |
Silke Burmester | |
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