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# taz.de -- Die Demokraten nach New Hampshire: Die Frau mit der Doppelstrategie
> In der TV-Debatte nach den ersten Vorwahlen punktet Hillary Clinton mit
> Detailkenntnis. Bernie Sanders bemüht die ewig gleichen Vorwürfe.
Bild: Clinton wirkt nicht wie die angeschlagene Kandidatin, die sie nach New Ha…
Washington taz | Hey DJ, spiel’ das Lied noch mal. Lieblingssongs kann man
gar nicht oft genug hören. Doch selbst die besten Lieder werden irgendwann
zu nervigen Ohrwürmern, wenn man sie zu oft hört – der klassische „Sprung
in der Platte“ im digitalen Zeitalter. Ähnlich verhält es sich mit
politischen TV-Debatten. Zum sechsten Mal treffen Hillary Clinton und
Bernie Sanders in den USA in einem Duell vor Kameras aufeinander. Der
Ablauf ist ähnlich, die Antworten zum großen Teil erwartbar. Einzige
Rhythmusänderung: Es ist das erste Fernsehduell nach der Vorwahl in New
Hampshire, die Sanders mit großem Abstand vor Clinton für sich entschieden
hatte. Damit ist es dann doch spannend. Würde Clinton eine andere Melodie
anstimmen?
Am Ende eines Abends, der sich – wie es kaum eine republikanische Debatte
mit den Hetzern und Hitzköpfen jemals könnte – um Inhalte dreht,
unterscheiden sich Clinton und Sanders in ihrer entscheidenden Strategie:
Die frühere Außenministerin ist extrem spezifisch, spricht detailreich über
das Machbare und das Pragmatische. Der Senator aus Vermont wiederum spricht
über das Programmatische seiner Kandidatur, über die Vision, die im Kern
das Ende der ökonomischen Ungerechtigkeit ist.
Der große Wurf gegen das Klein-Klein der politischen Realität. Klingt nach
einem Punktsieg für Sanders. Tatsächlich hat die Detailverliebtheit, mit
der Clinton versucht, Sanders Ideen als unrealistische Träumereien zu
entlarven, die in der politischen Realität Washingtons keine Chance haben,
einen durchaus positiven Effekt. Clinton wirkt nicht wie die angeschlagene
Kandidatin, die sie nach New Hampshire ist. Ruhig und besonnen – man könnte
es präsidial nennen – steigt sie in die Details der Gesundheitsversorgung
ein und sagt mehrfach: „Ich mache keine Versprechungen, die ich nicht
halten kann.“ Ein Angriff auf Sanders. Eine clever gewählte
Doppelstrategie: den Gegner schwächen und konkret argumentieren.
Sanders spielt das Spiel unfreiwillig mit und kommt bei fast jeder Frage am
Ende auf die Versäumnisse der Wall Street und die ökonomische wie soziale
Gerechtigkeit zu sprechen. „Die Menschen haben das Establishment satt.“
Sein Versuch an diesem Abend: den Schwung aus New Hampshire mitnehmen und
die Kernthesen seines Wahlkampfs so oft wie möglich wiederholen.
## Die Wall-Street-Platte
Das funktioniert nur bedingt: Beim Thema Außenpolitik ist Sanders’
stärkstes Argument erneut, nach den Terroranschlägen 2001 im Senat gegen
den Einmarsch in den Irak gestimmt zu haben. Ein richtiges
Abstimmungsverhalten allein macht aber noch keine außenpolitische Agenda.
Die Zuschauer lernen außerdem noch, dass Sanders kein Fan von Henry
Kissinger ist.
Dann ist da noch die Wall-Street-Platte. Beinahe jede Frage reduziert
Sanders auf die Ungerechtigkeit zwischen den 99 Prozent und dem reichen
einen Prozent. Sanders glaubt daran, dass sich das Verhältnis zwischen
Weißen und Minderheiten unter seiner Präsidentschaft verbessern würde.
Begründung: bessere ökonomische Chancen und bessere Bildungsaussichten. So
richtig es ist, das soziale Ungleichheit Teil des Rassismusproblems in den
USA ist, ist Rassismus aber weit mehr als nur ein „Nebenaspekt“ einer
ökonomischen Ungerechtigkeit.
Clinton kontrolliert den Abend, ist gut vorbereitet. Die vom öffentlichen
Fernsehsender PBS übertragene Debatte findet in Milwaukee, Wisconsin,
statt. Clinton hat nicht nur einen Seitenhieb auf den Republikanischen
Gouverneur Scott Walker im Programm, sondern spricht auch die Wichtigkeit
von Gewerkschaften an – Walker hatte 2015 versucht, Gewerkschaften für
Staatsbedienstete zu verbieten. Das kommt an beim Publikum in der
University of Milwaukee, wie überhaupt den ganzen Abend über Clinton den
meisten Applaus bekommt.
Doch auch die ehemalige Außenministerin hat schwächere Momente, mit der
Authentizität, die sich so viele wünschen, tut sie sich schwer. Die
Reaktion auf eine Frage nach den Super PACs, den politischen Organisationen
mit dem vielen Geld, ist unsouverän. Und selten hat sie so sehr
unterstrichen, Obamas Politik fortsetzen zu wollen. Den Präsidenten bei
jeder passenden Gelegenheit zu bejubeln und die gemeinsame Arbeit
herausstreichen wirkt redundant.
Ihrem Konkurrenten Sanders hingegen wirft Clinton vor, den US-Präsidenten
immer wieder kritisiert und angegangen zu haben. Sanders sieht das als
„einen Tiefschlag“ von Clinton – zu Beginn des Duells hatte er sie darüb…
hinaus einmal belehrt: „Ministerin Clinton, noch sind Sie nicht im Weißen
Haus“. Die beiden Kandidaten tauschen keine Nettigkeiten mehr aus, doch
einen aggressiven Ausrutscher leistet sich niemand.
Dafür sind sie sich in zu vielen Punkten grundsätzlich zu einig, das zeigt
dieses sechste Duell einmal mehr: Reform des Justizwesens, Reform der
Wahlkampffinanzierung, Frauenrechte, gleiche Bezahlung für alle,
Gesundheitsversorgung. Über den Weg dahin streiten die beiden, Clinton will
Dinge im bestehenden System verändern, Sanders das gesamte System. Eine
Platte, die in den kommenden Wochen noch häufiger zu hören sein wird. Das
nächste TV-Duell ist schon terminiert: Anfang März auf CNN.
12 Feb 2016
## AUTOREN
Rieke Havertz
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