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# taz.de -- Juniorwahl im Nebel: Auch wer fragt, bleibt dumm
> Die Schulsenatorin lobt zwar die Juniorwahl. Aber um genau
> draufzuschauen, fehlt dem Ressort dann aber doch die nötige Energie
Bild: Die Juniorwahl in der gelebten Praxis.
Mit ausweichenden Auskünften und unrealistischen Zahlen hat Schulsenatorin
Claudia Bogedan (SPD) eine parlamentarische Anfrage zu den Juniorwahlen
beantwortet. Das geht aus einem Abgleich der von der Schulsenatorin Mitte
Januar vorgelegten Werte mit den von einzelnen Schulen veröffentlichten
Quoten hervor.
Die Frage danach, ab welcher Klassenstufe es am Stichtag wahlberechtigte
SchülerInnen gab und wie viele es waren, speist das Ressort mit dem Verweis
darauf ab, dass die „Kinder in der Regel im Laufe des zweiten
Schulhalbjahres der 10. Klasse das 16. Lebensjahr“ vollenden. „Vielleicht
hätte ich die Frage präziser stellen müssen“, räumt der Abgeordnete Wilko
Zicht (Grüne) als Urheber ein. Doch mit Formulierungsproblemen lässt sich
nicht erklären, warum die Behörde statt der tatsächlichen Teilnehmerzahlen
nur die Anmeldeziffern des Juniorwahl-Veranstalters „kumulus e.V.“ nennt.
Diese weichen teils deutlich voneinander ab: Einzelne Klassen waren
offenbar provisorisch angemeldet, ohne dass dort das Projekt umgesetzt
wurde. „Es bedeutet viel organisatorischen Aufwand für die einzelnen
Lehrkräfte“, bestätigt ein Sprecher von „kumulus“. „Das kann man nicht
verordnen.“ Und so wird das Berufsbildungswerk Bremen vom Senat mit 240
TeilnehmerInnen verbucht.
Tatsächlich haben aber wohl nur 162 SchülerInnen an den entsprechenden
Unterrichtseinheiten teilgenommen, von denen nur 115 abgestimmt haben. Beim
Bremerhavener Carl von Ossietzky-Schulzentrum gab‘s 88 Angemeldete mehr als
TeilnehmerInnen. Am Schulzentrum Walle hatten sogar nur 177 SchülerInnen am
Ende überhaupt die Chance ein Stimmheft auszufüllen – 389 weniger, als
gemeldet waren. Diese Werte veröffentlicht hatte gleich nach der Wahl der
Weser-Kurier. Ausgewertet hat sie Hans-Wolfram Stein, einer der wichtigsten
Aktivisten des Projekts in Bremen. Er schätzt die Zahl der
JuniorwählerInnen auf 12.000 statt der von der Behörde vermeldeten 14.402.
„Das hatten wir bislang nicht auf dem Schirm“, räumt der stellvertretende
Leiter der Landeszentrale für politische Bildung, Sebastian Ellinghaus ein,
der die Juniorwahl in Bremen koordiniert. „Die Zahlen der Senatsantwort
sind die einzigen, die wir haben.“ Sie entsprächen den Meldungen und den an
die Schulen verschickten Wahlbenachrichtigungen. „Bislang hatten wir die
Fälle, wo es keinen Rücklauf gab, als Nichtteilnahme bewertet.“ Für ein im
Klassenverband durchgeführtes Unterrichtsprojekt liege die Wahlbeteiligung
mit 78 Prozent aber „im Grunde zu niedrig“, räumt Ellinghaus auf Nachfrage
ein. „Dem müssen wir nachgehen.“
Die Juniorwahl gilt als wirksames Instrument politischer Bildung: Dabei
simulieren die SchülerInnen vor einer Wahl deren Durchführung mit
originalgetreuen Materialien. Studien zufolge steigert die Juniorwahl die
Wahlbeteiligung nicht nur der ErstwählerInnen, sondern auch ihrer Eltern.
Ein wichtiges Thema in Bremen.
„Der Senat sieht die Juniorwahl als herausragendes Instrument der
politischen Bildung im Jugendbereich“, heißt es lobend in der
Parlamentsdrucksache 19/238. Doch dem scheint die auf die Antwort
verwendete Energie kaum zu entsprechen. So gibt es starke Hinweise, dass
BerufsschülerInnen im dualen System von dem Projekt nicht erreicht werden.
Diesbezüglich lässt die Bildungsbehörde bloß wissen, dass die
Teilnahmestatistik diese SchülerInnen „nicht gesondert“ ausweise. Auf die
Idee, das bei den Schulen abzufragen, ist man allerdings nicht gekommen.
23 Feb 2016
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
## TAGS
Politische Bildung
Wahlrecht
Wahl in Bremen
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