# taz.de -- Berlinale – Was bisher geschah: Dieter Kosslick rutscht ab | |
> Beobachtungen beim Aufbau der verschiedenen, zeitlich terminierten | |
> Ego-Netzwerke anlässlich des Eröffnungsempfangs der Berlinale. | |
Bild: Eröffnungsgala: George und Amal Clooney verlassen die Party. | |
„Der Aufbau eines zeitlich terminierten Ego-Netzwerks gehört zur Leistung, | |
die man von Partygängern erwartet“, schreibt der Soziologe Heinz Bude in | |
seinem Essay „Prolegomena zur Soziologie der Party“. In diesem Sinne ist | |
auch der Eröffnungsempfang der Berlinale, der traditionell am Donnerstag ab | |
22.15 Uhr stattfindet, eine Party, allerdings eine von etwas geräumigeren | |
Ausmaßen. | |
Erst Zanderfilets an Stehtischen, dann Freigetränke, der ganze | |
Berlinalepalast am Potsdamer Platz wird bespielt, tausend oder so Gäste. | |
Sich überlagernde Ego-Netzwerke ohne Ende. | |
Für teilnehmende Beobachter ist es nicht ganz einfach, das Zentrum zu | |
bestimmen. Selbstverständlich ist man zunächst versucht, es in der | |
Glamourproduktion zu verorten. Eine Weile bringt es auch Spaß, sich im | |
Eingangsbereich zu postieren. Promi kommt, meist ein deutscher | |
Schauspieler, Sebastian Koch, Sunnyi Melles, Iris Berben oder so, | |
Fotografen nahen. | |
Dann hört man aufgeregtes Knipsen und anfeuernde Rufe der Fotografen. | |
Wirklich interessant, diese Promi-Fotografen-Couples bei der möglichst | |
effizienten Bildherstellung zusammenarbeiten zu sehen. Es ist eine für alle | |
Beteiligten genau festgelegte Dramaturgie, und nach 20 Sekunden ist alles | |
wieder vorbei. Profis unter sich. Nächster Promi. | |
## Die Arbeiter im Innern des Filmbetriebs | |
Aber bald hat man heraus, dass solche Hochglanzbilder natürlich ein ganz | |
falsches Bild des Ganzen vermitteln. Ein Ereignis kann dieser Event viel | |
mehr für die Kärrnerarbeiter im Inneren des Filmbetriebs sein. Für die | |
Leute, die parallel Karrieren gemacht haben und sich hier einmal im Jahr | |
kurz treffen, um auf die alten Zeiten anzustoßen. Oder die Strippenzieher, | |
die sich ihrer Seilschaften versichern. Die wilden Berlinaleparties, hört | |
man, finden woanders statt. | |
Der Eröffnungsempfang hat eher so etwas davon, als würden fünfzig | |
Familienfeiern und Abitreffen gleichzeitig im selben Raum stattfinden. | |
Wobei ein etwas komplizierteres Blickregime hinzukommt: Verdammt noch mal, | |
woher kennt man dieses Gesicht, das man gerade fokussiert? Aus dem | |
Fernsehen? Dann nur nicht so auffällig hingucken. Oder aus dem wirklichen | |
Leben? Dann schnell verbindlich lächeln. | |
Dieter Kosslick, als Berlinalechef vielleicht das größte Ego-Netzwerk des | |
Abends, wäre bei dem Empfang übrigens beinahe auf die schiefe Bahn geraten. | |
Im Untergeschoss, einer Art riesigem Partykeller, wollte er sich auf eine | |
niedrige Mauer setzen, die aber zu abschüssig war. Er rutschte ab und | |
konnte sich gerade noch fangen. Also, irgendwie war das schon so ziemlich | |
das Aufregendste, was es von dieser Party zu berichten gab. Lustig war‘s | |
trotzdem. | |
12 Feb 2016 | |
## AUTOREN | |
Dirk Knipphals | |
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