Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Wettbewerb der Berlinale: Staubtrockene Liebesstudie
> Betulich und substanzlos: Denis Cotés „Boris sans Béatrice“ scheitert
> trotz spannenden Themas - und hat einen Widerling als Protagonist.
Bild: Simone-Élise Girard in „Boris sans Béatrice“
Ein schlanker Mann im dunklen Anzug, mittleres Alter, ernster Blick, wartet
im hohen Gras auf die Ankunft eines Helikopters. Wie eine Skulptur seiner
selbst steht er zunächst noch auf der Wiese; aber im Sturm, den die sich
nähernden Rotoren um ihn entfachen, kann er sich kaum halten.
So erscheint Boris in diesem Film: als schwankende, in seinem Stolz und
seinem Stehvermögen gefährdete Gestalt, als Mängelwesen, wie der dazu
geblendete Titel lakonisch feststellt. „Boris sans Béatrice“ (Regie: Denis
Coté) berichtet von einem eitlen und steinreichen Unternehmer, der die
schwere depressive Erkrankung seiner Frau (Simone Élise-Girard) mit Affären
und Egozentrik zu kompensieren sucht.
Diesem humorlosen Zeitgenossen, dessen elitäres Gehabe im Alltag zu
Dauerkonflikten führt, sieht man ungern 90 Minuten lang beim Durchleben
einer existenziellen Krise zu.
## Variantenarm gespielt
Boris, von James Hyndman wenig variantenreich verkörpert, fühlt sich bald
von einem seltsamen Fremden (gewohnt absonderlich: Denis Lavant) verfolgt,
der alles über ihn zu wissen scheint und ihm erklärt, dass die Krankheit
der Ehefrau eine Folge seiner Kaltherzigkeit und nur durch seine sofortige
Rückkehr zu Empathie zu kurieren sei. Die Liebe Boris’ zu seiner Frau und
das einstige Glück zu zweit, das in knappen Rückblenden aufblitzt, bleiben
ungedeckte Behauptungen des Drehbuchs.
Als sich Boris, gegen seine Natur, um Ehrlichkeit und Verantwortungsgefühl
bemüht, erwacht die Gemahlin aus ihrer Katatonie. So verwandelt sich das
Drama eines Widerlings in ein Planspiel der Schuld und eine Parabel über
die Heilkraft der Herzlichkeit.
Um die Betulichkeit seines Unterfangens zu kaschieren, verkünstelt Coté
seinen Film mit „mysteriösen“ Montagen und ein bisschen exzentrisch
gesetzter Musik. „Boris sans Béatrice“ ist eine überformalisierte, zur
Allegorie verdrehte Tragikomödie angeschlagener Beziehungsmoral, in der die
handelnden Personen Funktionsträger in einer staubtrockenen
Verbindlichkeits- und Liebesstudie sind.
## Immerhin ist Bruce LaBruce am Start
Etliche Szenen dieser Inszenierung sind wohl hintergründig-komödiantisch
gemeint, aber bloß umständlich erzählt; zähe Dialoge und die schlichte
Kameraarbeit sorgen nicht gerade für Spannungsmomente – vom eigenwilligen
Frauenbild Cotés ganz abgesehen: Der Emotionshaushalt seiner Heldinnen
definiert sich stets direkt über den begehrten Mann.
Immerhin der Kurzauftritt der Queer-Porn-Legende Bruce LaBruce als
(ausgerechnet) Kanadas Premierminister beglückt – weist indes überdeutlich
darauf hin, wie sehr es diesem Film an komischer Energie und narrativer
Substanz mangelt.
14 Feb 2016
## AUTOREN
Stefan Grissemann
## TAGS
Depression
Frauenbild
Schwerpunkt Berlinale
Bodybuilding
Schwerpunkt Berlinale
Schwerpunkt Berlinale
Schauspieler
Schwerpunkt Berlinale
Schwerpunkt Berlinale
## ARTIKEL ZUM THEMA
Dokumentarfilm über Bodybuilder: Die Sprache des Muskelzuckens
Denis Côté begleitet in seiner Doku „A Skin So Soft“ Bodybuilder in ihrem
Alltag. Dem Regisseur gelingt die Konzentration auf das Vieldeutige.
Kunstgewerbe auf der Berlinale: Oma singt für die Bienen
Ein Fall für Seifenoper-Philologen: die Maori-Familiensage „Mahana“ von Lee
Tamahori (Wettbewerb außer Konkurrenz).
Horrror aus Japan auf der Berlinale: Mit Haut und Haaren
In „Creepy“ von Kioshi Kurosawa, einem Meister des Blicks in den Abgrund,
nistet das Fremde längst im eigenen Haus (Berlinale Special Gala).
Staralbum – Kirsten Dunst: Die Scheue
Sie lächelt tapfer und mustert die Gesichter der Journalisten.
Schauspielerin Kirsten Dunst steht nicht gerne im Mittelpunkt.
Berlinale – Was bisher geschah: Dieter Kosslick rutscht ab
Beobachtungen beim Aufbau der verschiedenen, zeitlich terminierten
Ego-Netzwerke anlässlich des Eröffnungsempfangs der Berlinale.
Berlinale – Forum: Nach uns die Müllhalde
Wenn wir nicht mehr da sind, sieht der Planet so aus, wie Nikolaus
Geyrhalter ihn in „Homo sapiens“ auf der Berlinale zeichnet.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.