| # taz.de -- Dokumentarfilm über Bodybuilder: Die Sprache des Muskelzuckens | |
| > Denis Côté begleitet in seiner Doku „A Skin So Soft“ Bodybuilder in ihr… | |
| > Alltag. Dem Regisseur gelingt die Konzentration auf das Vieldeutige. | |
| Bild: Lächeln mag er nicht: einer der körperbewussten Protagonisten in „A S… | |
| Das Ende könnte auch ein Anfang sein. Eine Gruppe von Bodybuildern in der | |
| Natur, posierend auf der Wiese, auf einer Palette als einer Art Minibühne. | |
| Offensichtlich hat Denis Côté diese Leute für seinen neuen Dokumentarfilm | |
| „A Skin So Soft“ extra an diesen Ort gefahren und bricht damit den Modus | |
| der passiven Beobachtung, der in beinahe allen anderen Szenen des Films den | |
| Ton angibt. | |
| Utopisch fühlt sich diese Kurzzeit-Kommune mit der zusammengewürfelten | |
| Gruppe aus Supermännern nicht an. Eher gestellt, eben bühnenhaft. Und es | |
| scheint, als würden die Männer an ihrem Rückzugsort die gleichen Prinzipien | |
| geltend machen wie andernorts: Der Körper ist alles, das Zentrum des Sehens | |
| und Handelns. In der Gruppe fühlt sich ihre Obsession beinahe wie ein Spiel | |
| unter Jungs an, bekommt eine neue Leichtigkeit. | |
| Für Denis Côté müssen die Szenen in der Abgeschiedenheit des | |
| Ferienhäuschens eine Erlösung gewesen sein. Denn der quebecische Regisseur | |
| und Produzent filmt nicht gern in der Stadt. Er ist fasziniert von | |
| Menschen, die sich ein wenig am Rande der Gesellschaft befinden, nicht ganz | |
| die Erwartungshaltungen bedienen, in der Peripherie leben oder im Wald. | |
| Über die Wälder meint er, er liebe sie für den Möglichkeitsraum, den sie | |
| eröffnen, für ihre Unberechenbarkeit und das Geheimnisvolle, das sie in | |
| sich bergen. Im Wald könne hinter jedem Baum ein Wahnsinniger mit der | |
| Kettensäge warten. Seine Filme loten Situationen aus, die sich nicht mit | |
| Routinen vereinbaren lassen. So zeigte er in früheren Filmen einen | |
| eigenbrötlerischen Schrottsammler, lesbische Ex-Knackis in der Wildnis, | |
| einen Vater und eine Tochter irgendwo im winterlichen Hinterland Quebecs, | |
| eine erkrankte Frau, die mitten in der Stadt ans Bett gefesselt ist. | |
| ## Heruntergelassene Hosen | |
| Angelehnt an seiner Figuren und Schauplätze sucht er auch formal das | |
| Unberechenbare, inszeniert aufeinanderfolgende Filme nach völlig | |
| unterschiedlichen ästhetischen Prinzipien. Eine Logik, die sich bis in die | |
| Produktionsrealitäten fortsetzt: Côté wandelt regelmäßig zwischen winzigen | |
| Projekten und der Zusammenarbeit mit Geldgebern für größere Filme, die sich | |
| jedoch von einem massentauglichen Kino abgrenzen. | |
| [1][Sein erster dokumentarischer Film „Bestiaire“ war eine experimentelle | |
| Studie über einen Zoo,] in dem die Menschen und die Wildnis auf | |
| beängstigende Art und Weise aufeinandertrafen. Wie „A Skin So Soft“ wurde | |
| der Film in Deutschland durch den Berliner Arsenal Verleih in die Kinos | |
| gebracht, jedoch erst Jahre nach seiner Fertigstellung. [2][Bekannt sind | |
| Côtés Arbeiten vor allem in der Festivalwelt], der er schon durch seine | |
| frühere Karriere als Filmkritiker verbunden ist. Und so klingt bei seiner | |
| künstlerischen Arbeit stets die Frage nach der Verbindung von Autorenschaft | |
| und Kritik an. | |
| In „A Skin So Soft“ zeigt die Kamera von François Messier-Rheault einmal | |
| einen Bodybuilder mit heruntergelassenen Hosen, der mit seinem Coach auf | |
| einem Parkplatz steht und posiert. Im Hintergrund gehen unbeteiligt ein | |
| Mann und eine Frau vorbei, sie sieht immer wieder hinüber. Gleich wird der | |
| Mann wieder im Gebäude verschwinden, um von einer Jury seinen Körper | |
| begutachten zu lassen. Doch das zeigt Côté nicht. Ihn interessiert | |
| stattdessen der beiläufige Moment draußen im öffentlichen Raum und wie sich | |
| dieser Mensch dabei durch seine Körperlichkeit in ein Verhältnis zur Welt | |
| bringt. | |
| Immer wieder bilden sich die Protagonisten des Films selbst ab [3][oder | |
| lassen sich fotografieren und inszenieren], kontrollieren durch | |
| Außenperspektiven ganz genau, wie sie wirken. Der Wrestler nimmt ein Video | |
| auf, in dem er seinen Gegner disst. Im Garten posiert der Jüngste vor | |
| seiner Freundin: „Vergiss deine Oberschenkel nicht“, meint sie. | |
| ## Keuchen und starren | |
| [4][Die Sprache der Mimik und des Muskelzuckens], die Haltungen und Gesten | |
| stehen im Mittelpunkt. Und im Gegenzug dazu das Schweigen: Im | |
| Fitnessstudio, auf der Bühne, gegenüber der eigenen Familie. Immer werden | |
| die Männer ans Lachen erinnert, das alle Posen begleiten soll. Während der | |
| größten Anspannung ihrer Muskeln formen sie also die Lippen um ihre Zähne | |
| herum. Nur der große Bärtige meint bei einem Shooting, er sehe dann | |
| verrückt aus: „Das mag ich nicht.“ | |
| Im Gedächtnis bleibt, wie einer der Männer vor dem Computer sitzt und ein | |
| Video auf YouTube betrachtet, keuchend und schlingend, mit rot angelaufenem | |
| Kopf. Er frisst förmlich, um seinem fleischigen Körper die nötigen Kalorien | |
| zu liefern, [5][erst Tabletten, dann den Inhalt eines vollgeladenen | |
| Tellers.] Dann, zwischen dem Keuchen und Schlingen und Starren auf den | |
| Bildschirm, läuft eine Träne über seine Wange. „Was hat es auf sich mit | |
| dieser Träne?“, fragt der Film mit einer langen Einstellung – und | |
| verweigert im gleichen Atemzug die Antwort. | |
| Obwohl „A Skin So Soft“ gemessen an Côtés anderen dokumentarischen Arbeit… | |
| weniger prägnant erscheint, gelingt die Konzentration auf das Vieldeutige. | |
| Das Publikum müsse sich in einem Film bewegen können, meint er. | |
| 2 Aug 2018 | |
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| ## AUTOREN | |
| Dennis Vetter | |
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