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# taz.de -- Syrische Flüchtlinge in Jordanien: Integration unerwünscht
> Hunderttausende Syrer leben im Land, viele von ihnen in Flüchtlingscamps.
> Die Regierung ist überfordert und will, dass sie weiterziehen.
Bild: Flüchtlinge im Camp Zaatari.
Zaatari taz | „Ich arbeite für meine Familie, ich nehme keine Almosen an.
Ich bin kein Bettler“, sagt der 12-jährige Ahmed, während er seine
Tageseinnahmen zählt, ungefähr sieben jordanische Dinar, knapp zehn Euro.
Jeden Tag läuft Ahmed nach der Schule durch die Cafés der jordanischen
Hauptstadt Amman und verkauft Kekspackungen für umgerechnet 35 Cent.
Dennoch reicht das Geld kaum aus, um seiner Schwester und Mutter das
Überleben zu sichern. Ahmed muss für den Lebensunterhalt der Familie
sorgen, weil der Vater gestorben ist. So wie Ahmed arbeiten viele Kinder im
Land, um ihre Familien zu unterstützen.
Laut der jordanischen Regierung leben 1,4 Millionen Flüchtlinge in
Jordanien. Die Vereinten Nationen widersprechen dieser Zahl und haben
offiziell nur 636.000 Menschen registriert. Diese Differenz kommt zustande,
da sich viele Menschen in der Metropole Amman niedergelassen haben, illegal
im Land leben oder keine Hilfe in Anspruch nehmen.
Bis heute hat die jordanische Regierung versucht, die Menschen zurück in
die Camps zu drängen und eine Integration in die Gesellschaft zu
verhindern. Die Menschen bekommen zwar ein vorübergehendes
Aufenthaltsrecht, aber keine Arbeitserlaubnis. Dennoch finden einige der
syrischen Männer Jobs auf dem Bau oder arbeiten für einen jordanischen
Dinar pro Stunde in Cafés und Restaurants. Falls sie von den Behörden bei
der Arbeit erwischt werden, wird ihnen mit der Abschiebung nach Syrien
gedroht. Doch anstatt sie abzuschieben, bringt man sie nach Zaatari, dem
zweitgrößten Flüchtlingslager der Welt, das von einer Betonmauer umgeben
ist.
Täglich versuchen viele der 80.000 Bewohner Zaataris das Camp illegal zu
verlassen, um in den großen Städten des Landes Irbid und Amman
schwarzzuarbeiten. So auch der 24-jährige Mouaf: „In einem Restaurant in
Amman habe ich einen Job gefunden. Nach vier Wochen und zehn Stunden Arbeit
am Tag, hat der Besitzer mir keinen Lohn gezahlt. Dann bin ich mit leeren
Händen nach Zaatari zurückgekehrt“, sagt er. Von seinem letzten Geld kaufte
er seiner Familie für 2.000 Dollar einen zweiten Wohncontainer.
## Das Camp ist mittlerweile vier Jahre alt
Die Ersparnisse der meisten Gestrandeten sind nun aufgebraucht, viele der
Bewohner Zaataris haben begonnen, ihre erhaltenden Hilfsgüter zu verkaufen.
Auch der 24-jährige Mohammed hat den einzigen Gasheizer der Familie
verkauft, um etwas Geld für Notfälle zu haben. Mohammed lebt seit zwei
Jahren in Zaatari, er ist einer der wenigen der sagt, das er sich
vorstellen kann, in Jordanien zu bleiben.
Mohammed will lieber in seinem vertrauten Umfeld leben, dessen Kultur er
kennt, anstatt sich auf die gefährliche Reise nach Europa zu begeben. Doch
die jordanische Regierung hat nicht die Kraft, den jungen Syrern eine
Zukunftsperspektive zu ermöglichen, und so sagt auch Mohammed: „Wenn sich
die Lebensumstände nicht verbessern, werde auch ich nach Deutschland
gehen.“
Laut der jordanischen Regierung besuchen bis heute nur 130.000 Syrer eine
Schule, etwa 30.000 Kinder stehen auf den Wartelisten. Knapp 90.000 Kinder
werden hier nie eine Chance auf Bildung bekommen. Die Monarchie hat weder
das Geld noch die Kapazitäten, um diese Problem allein zu lösen. König
Abdullah sagte kürzlich in einem Interview, dass sein Land mit der Last,
die Flüchtlinge zu integrieren, nicht umgehen kann. Von dem 12 Milliarden
Dollar umfassenden Staatshaushalt würden 25 Prozent in die Flüchtlingshilfe
fließen. Der Monarch betont, dass alle Lebensbereiche der Jordanier unter
den Flüchtlingen leiden. Die Entwicklung sei stehen geblieben.
So auch in Zaatari: Das Camp ist mittlerweile vier Jahre alt und dennoch
gibt es nur wenige geteerte Straßen. Zwischen den Containern spielen die
Kinder im Schlamm. Mo’tasem M. arbeitet für eine der Hilfsorganisationen in
Zaatari. Er glaubt nicht, dass die Regierung den Syrern wirklich eine
Perspektive ermöglichen will: „Vor über 60 Jahren sind die Palästinenser
nach Jordanien gekommen und haben zu Beginn in Zelten gelebt. Aus den
Zelten sind Häuser geworden und noch immer gehen die Kinder in den Vororten
Ammans in Schulen des UNHCR.
Niemand will, dass sich der temporäre Zustand Zaataris verändert, dafür
leidet das Land zu sehr unter den Flüchtlingsströmen der vergangen
Jahrzehnte. Die Regierung will, dass die Menschen nach Europa gehen.“
5 Feb 2016
## AUTOREN
Florian Barth
## TAGS
Schwerpunkt Flucht
Jordanien
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Ghouta
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