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# taz.de -- Aufregung um Demo-Aufruf: Ein Fall für Hannelore Kraft
> Ein Essener SPD-Ortsverein ruft zur Demo gegen den Flüchtlingszuzug auf.
> Das sorgt für Empörung. Die NRW-Minispräsidentin schaltet sich ein.
Bild: Hannelore Kraft rief die Parteikollegen zur Ordnung.
Berlin taz | Es ist ist selten, dass sich eine SPD-Ministerpräsidentin zu
Aktionen von Ortsvereinen äußert. Doch am Samstagabend reichte es Hannelore
Kraft. Die nordrhein-westfälische SPD stehe für eine Willkommenkultur für
Flüchtlinge, schrieb sie auf [1][Twitter]. Und [2][legte nach]:
„Protestaktionen, die das in Frage stellen könnten, lehnen wir entschieden
ab.“ Jene schadeten dem Ansehen der SPD insgesamt.
Ein Imageschaden für die ganze SPD? Spätestens jetzt war aus einer Posse
ein Politikum geworden. Der Rüffel aus Düsseldorf traf drei SPD-Ortsvereine
im Ruhrgebiet - in Essen-Karnap, Altenessen und Vogelheim. Jene hatten auf
Facebook zu einem „Solidaritätslauf“ in Sachen Flüchtlingspolitik am
Dienstag Abend aufgerufen (mittlerweile ist dieser Aufruf nicht mehr
verfügbar, Anm. d. Red).
Erst sprachen die Initiatoren sogar von einem „Lichtermarsch“, wer will,
kann sich an Fackelmärsche von Neonazis erinnert fühlen. Auch das Motto der
SPD-Kommunalpolitiker klang markig: „Genug ist genug. Integration hat
Grenzen. Der Norden ist voll.“ Es könne nicht sein, dass mehr als 70
Prozent der neuen Flüchtlingsunterkünfte im Norden der Stadt errichtet
werden sollten, argumentierte Stephan Duda, Ortsvereinschef in
Essen-Karnap, auf Facebook.
Übernehmen SPD-Ortsvereine plötzlich den Sound von Pegida, AfD und Co.? Die
Empörung ließ nicht lange auf sich warten. Grünen-Geschäftsführer
[3][Michael Kellner] nannte den Aufruf auf Twitter „ziemlich unfassbar“.
Der grüne NRW-Landeschef [4][Sven Lehmann] schrieb: „Das glaube ich jetzt
nicht.“ Und [5][Kai Gehring], Grünen-Bundestagsabgeordneter aus Essen, warf
den SPD-Kommunalpolitikern vor, „AfD und NPD nachlaufen zu wollen“.
## Shitstorm auf Facebook
Auch auf Facebook entwickelte sich ein veritabler Shitstorm gegen die
Essener Sozialdemokraten. Laut Medienberichten wurden Duda und andere
Initiatoren in Kommentaren aufgefordert, ihr SPD-Parteibuch zurückzugeben.
Nutzer fühlten sich an die Wortwahl der rechtspopulistischen AfD erinnert.
Die Essener Jusos distanzierten sich von der Aktion. Beifall kam hingegen
von AfD-Aktivisten.
Ganz so, wie es die Empörten unterstellten, war es dann doch nicht.
Jedenfalls fühlt sich Sozialdemokrat Duda falsch interpretiert. Da sei
einiges missverstanden worden, entgegnete er Kritikern auf Facebook. Er sei
selbst als Ehrenamtler aktiv in der Flüchtlingshilfe. Es gehe ihm nur um
die Standortwahl und die Verteilung der Flüchtlinge in der Stadt. Kurz: Die
Aktion richtete sich laut Duda gar nicht gegen Flüchtlinge an sich. Im
Essener Norden leben viele Menschen mit Migrationshintergrund und viele
Arbeitslose. Solche Feinheiten gingen in der Aufregung unter.
Ministerpräsidentin Kraft erteilte ihren Kollegen vor Ort Nachhilfe in
politischer Strategie. Wenn es Probleme mit der Verteilung der Flüchtlinge
in Essen gebe, [6][twitterte die SPD-Regierungschefin], „muss das im Rat
der Stadt diskutiert und entschieden werden.“ Und: „[7][Hier ist der
Oberbürgermeister gefordert].“ Jener, das sagte Kraft nicht extra dazu, ist
in der CDU. Die SPD-Ortsvereine reagierten schnell auf die interne und
externe Kritik. Noch am Samstag Abend zogen Duda und seine Kollegen den
umstrittenen Aufruf zurück. Auf Facebook begründete Duda: „Da die AfD und
die NPD die Demo am 26. Januar als Ihre Plattform nutzen will, werden wir
die Demo absagen.“
24 Jan 2016
## LINKS
[1] https://twitter.com/HanneloreKraft/status/690950950555619329
[2] https://twitter.com/HanneloreKraft/status/690951137281851392
[3] https://twitter.com/MiKellner/status/690860604605751296
[4] https://twitter.com/svenlehmann/status/690859359069474816
[5] http://www.neues-deutschland.de/artikel/999173.essener-spd-sagt-aufmarsch-g…
[6] https://twitter.com/HanneloreKraft/status/690951190868332545
[7] https://twitter.com/HanneloreKraft/status/690951291682553860
## AUTOREN
Ulrich Schulte
## TAGS
Schwerpunkt Flucht
SPD
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