# taz.de -- Die Wahrheit: Lasziv und bisexuell | |
> So sexistisch und zugeknöpft es in Irland zumindest auf der | |
> sprichwörtlichen Ebene zugeht, so freizügig trieb man es auf der Insel | |
> früher. | |
Bild: Polizisten stehen am Dienstagmorgen vor dem Haus des bislang letzten Mord… | |
Sind die Iren die Nordafrikaner Europas? Wenn man sich einige irische | |
Sprichwörter ansieht, scheinen die Bewohner der Grünen Insel ein | |
sexistisches Frauenbild zu haben. „Frauen sind scheu“, lautet eins dieser | |
Sprichwörter, „und ihr Schamgefühl hindert sie daran, sich einem Mann zu | |
verweigern.“ | |
Deshalb heiraten Frauen wohl auch: „Diese Kreaturen, Gott sei ihnen gnädig, | |
sind zu schüchtern, um Nein zu sagen.“ Aber das sei ja auch wahrlich gut | |
so: „Ein Wäschekorb, der keine Männerhemden enthält, ist einsam.“ Ein | |
weiteres Sprichwort lautet: „Ein Zentimeter eines Mannes ist besser als ein | |
Meter einer Frau.“ Und eine irische Schönheit sei eine Frau mit zwei sehr | |
blauen Augen, denn „Schönheit bringt den Kessel nicht zum Kochen“. | |
Ein irischer Politiker sagte einmal, vor der Erfindung des Fernsehens gab | |
es keinen Sex in Irland. In Wirklichkeit gab es vor der Invasion der | |
Engländer keinen Sexismus in Irland. Davor galt nämlich das Brehon Law, | |
benannt nach den Richtern, den Brehons. Dazu gehörten auch Frauen. | |
Sie waren vollkommen gleichberechtigt, sie konnten sich den Ehemann | |
aussuchen, ihn heiraten und sich wieder scheiden lassen. Sie hatten per | |
Gesetz sogar das Recht auf sexuelle Befriedigung in der Ehe. Erst der Armee | |
Elisabeths I. gelang es im 16. Jahrhundert, die Brehon Laws – und damit die | |
Rechte der Frauen – auszulöschen. | |
Mit Elisabeths Armee kamen auch ihre Gefolgsleute nach Irland und ließen | |
sich auf geraubtem Land nieder, darunter der Dichter Edmund Spenser. Er | |
hielt nichts von irischen Männern. Sie seien „laszive Bisexuelle, die sich | |
vor meinen Augen bereitwillig Frauen und Männern anbieten“, schrieb er | |
1596. Er schlug vor, die „irische Rasse auszurotten“, weil Irland niemals | |
befriedet werden könnte. Das erfuhr er schließlich am eigenen Leib: Die | |
„Eingeborenen“, wie er sie nannte, brannten sein Schloss Kilcolman in der | |
Grafschaft Cork nieder und jagten ihn aus dem Land. | |
Mt der Bisexualität hatte Spenser womöglich gar nicht so falsch gelegen. | |
Der Historiker John Boswell behauptet, dass die frühchristliche Kirche in | |
Irland häufig Rituale für die Eheschließung zwischen zwei Männern | |
praktizierte. Irland war demnach das erste Land der Welt, in der die | |
gleichgeschlechtliche Ehe legal war. Das haben die Iren im vorigen Jahr im | |
Referendum bekräftigt. | |
Die meisten irischen Sprichwörter sind übrigens wohlmeinend, wenn man sie | |
nicht mit arglistigen Hintergedanken äußert. „Go ndeirig an mbóthar leat“ | |
zum Beispiel. In Roger McGuinns Song heißt das auf Englisch: „May The Road | |
Rise To Meet You.“ Und frei auf Deutsch: „Möge die Straße dir | |
entgegeneilen.“ | |
Ein Kommando der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) hatte das 1976 dem | |
britischen Botschafter Christopher Ewart-Biggs gewünscht. Die Männer hatten | |
sich als Polizisten verkleidet und sein Auto in der Nähe von Dublin auf | |
eine Nebenstraße umgeleitet. Ihr Wunsch ging wenig später in Erfüllung: | |
Ewart-Biggs fuhr auf eine Landmine. Sein berühmtes Monokel wurde später in | |
Wales gefunden. | |
25 Jan 2016 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
## TAGS | |
Irland | |
Sex | |
Bisexualität | |
Großbritannien | |
Schwerpunkt Pegida | |
Irland | |
Valentinstag | |
Nationalhymne | |
Irland | |
Katholische Kirche | |
Rockmusik | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Die Wahrheit: Krumme Hörnchen auf der Geraden | |
Nicht nur will die britische Regierung auf ganzer Linie siegen, auch die | |
Bevölkerung will endlich Ordnung schaffen im Land. | |
Die Wahrheit: In den Arsch getreten | |
Der Einstand des Pegida-Ablegers in Irland ist jüngst zur Gänze erfreulich | |
in die Hose gegangen. | |
Bandenmorde in Irland: Vor dem Boxkampf erschossen | |
In Dublin tobt ein Drogenkrieg, dem schon mehrere Menschen zum Opfer | |
gefallen sind. Die zwei größten Banden Europas sind darin verwickelt. | |
Die Wahrheit: Ein Aschenbecher für Valentin | |
Der Schutzpatron der Blumenhändler und Süßwarenhersteller ist in Dublin | |
beerdigt. Das hat die Katholische Kirche wieder fein hingekriegt. | |
Die Wahrheit: Gott rettet die Königin nicht mehr | |
Schottland und Wales haben ihre eigene Hymne, England hat keine. Das soll | |
sich bei Sportveranstaltungen ändern. | |
Die Wahrheit: Abgesoffene Autobahn | |
In Dublin hat man einen „Atlantik-Korridor“ geplant, aber dabei schlicht | |
das Wasser vergessen, das aus Irland eine verdammt nasse Insel macht. | |
Die Wahrheit: Gott sei Dank bin ich Atheist | |
Die katholische Kirche bietet Reliquien für jeden Geschmack und in jeder | |
Kategorie an. Aber nicht allen kann vertraut werden. | |
Die Wahrheit: Neue Zähne hat der Mann | |
Weihnachtswunder gibt es immer wieder: Jetzt hat es den früheren | |
Pogues-Sänger Shane MacGowan erwischt. Er konnte erstmals seit seiner | |
Kindheit Truthahn essen. |