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# taz.de -- Die Wahrheit: Gott sei Dank bin ich Atheist
> Die katholische Kirche bietet Reliquien für jeden Geschmack und in jeder
> Kategorie an. Aber nicht allen kann vertraut werden.
Die Feiertage sind vorbei, und das wurde auch höchste Zeit. Es ist
erstaunlich, wie viele Menschen in der Weihnachtszeit in die Kirche gehen,
obwohl sie sonst einen Bogen um diese Gebäude machen. Offenbar ist es eine
Art Versicherungsprämie, die ja auch für Auto und Hausrat einmal im Jahr
fällig wird.
Ein Bekannter hat seit Jahren eine verwelkte Rose auf dem Bücherregal
liegen. Zu Weihnachten stellt er die Blume in eine Glasvase neben den
Weihnachtsbaum. Es handelt sich angeblich um ein Erbstück, um eine Reliquie
dritter Klasse. Seine Großmutter habe die Rose in den Kasten mit dem Herzen
der heiligen Therese von Lisieux getunkt, als das Organ im Jahr 2001 auf
Irland-Tournee war.
Eine Reliquie dritten Grades ist ein Objekt, das mit einer Reliquie ersten
oder zweiten Grades in Berührung gekommen ist. Und Thereses Herz ist eine
Reliquie erster Klasse. Kleidungsstücke oder Gebrauchsgegenstände eines
Heiligen sind zweitklassige Reliquien, wobei die Unterhose eines normalen
Heiligen weniger wert ist als die eines Märtyrers.
St. Oliver Plunkett, Primat von Irland, war solch ein Märtyrer, und es war
einfach, ihn auf verschiedene Kirchen zu verteilen, weil er bereits
portionsweise geliefert wurde: Er wurde 1681 gehängt und gevierteilt. Sein
Kopf liegt in der St- Peters-Kirche in Drogheda, der Rest ist in England
und Deutschland.
Eine der wichtigsten Reliquien ist das Kreuz, an das Jesus genagelt wurde,
obwohl es genau genommen nur ein zweitklassiger Gebrauchsgegenstand ist. Es
ist kaum zu glauben, wie viele Holzstücke es gibt, die angeblich alle von
diesem Kreuz stammen. Kaiserin Helena, die Mutter von Kaiser Konstantin,
soll auf einer ihrer Pilgerreisen ins Heilige Land zwischen 326 und 328 die
drei Kreuze entdeckt haben, an die Jesus und die beiden Diebe genagelt
worden waren. Dann geschah ein Wunder, und das wahre Jesuskreuz gab sich
ihr zu erkennen.
Sie zersägte es und schickte die Teile in die ganze Welt. So landeten fünf
Splitter im südirischen Waterford. Papst Paschalis II. soll sie 1110 dem
König der Provinz Munster, Muircheartach Ó Briain, geschenkt haben. Tests
der Oxford University haben vor Kurzem ergeben, dass die Hölzchen gerade
mal tausend Jahre alt sind. Deshalb weigern sich die meisten Kirchen, ihre
„wahren Kreuze“ untersuchen zu lassen.
Ein ähnliches Verfahren wie Helena wandte übrigens ein irischer
Geschäftsmann rund 1.650 Jahre später an. Nach dem Besuch Papst Johannes
Pauls II. in Irland kaufte er den Teppichboden, mit dem der Phoenix Park in
Dublin ausgelegt war, damit der Papst nicht auf ordinärem Gras laufen
musste. Dann nagelte er kleine Teppichstücke an Kreuze und verkaufte sie.
Seiner Umsatzsteuer nach zu urteilen, hätte man mit dem Teppich ganz Irland
bedecken können. Eins dieser Kreuze entdeckte ich bei meinem Bekannten
neben der verwelkten Therese-Rose. Auch ein Erbstück, sagte er. Seine Tante
behauptete, man könne den Fußabdruck von Johannes Paul erkennen, wenn man
genau hinsehe.
4 Jan 2016
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
## TAGS
Katholische Kirche
Johannes Paul II.
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