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# taz.de -- Die Wahrheit: Kein Glück im Unglück für Paris
> Drei Wochen nach den Anschlägen trat U2 in der französischen Hauptstadt
> auf. Und Frontmann Bono gab wie üblich den großen Laberfürsten.
Wo auch immer auf der Welt eine Betroffenheitsmiene gebraucht wird, ist
Bono zur Stelle. Der Sänger des Dubliner Pop-Quartetts U2 hielt es
vermutlich für eine Vorsehung, dass die Band am 13. November, dem Tag der
Anschläge von Paris, vor Ort war, weil sie an den darauffolgenden Tagen
zwei Konzerte in der französischen Hauptstadt geben wollte. In einem
beispiellosen Akt von Solidarität sagte Bono die Konzerte ab. Glück im
Unglück für Paris? Leider nicht. Vorigen Sonntag und Montag suchte die Band
die Stadt doch noch heim. Als ob sie nicht genug durchgemacht hatte.
Weil ein U2-Konzert es wohl kaum in die Weltpresse geschafft hätte, holte
Bono die Eagles of Death Metal beim zweiten Konzert auf die Bühne. Die
kalifornische Rockband, bei deren Konzert im Bataclan vor gut vier Wochen
90 Menschen ermordet worden waren, durfte zwei Lieder vortragen. Dann war
Bono wieder an der Reihe.
Es reicht nicht, dass U2 einfach ein bisschen Musik machen, die Konzerte
geraten immer mehr zu egomanischen Vorträgen von Bono. Beim Auftritt
neulich in Dublin wurden auf einer Leinwand Bilder aus der Cedarwood Avenue
gezeigt, wo Bono aufgewachsen ist, und er erzählte von seiner Kindheit. In
Paris verzichtete er schweren Herzens darauf und ließ stattdessen die Namen
der Opfer auf der Leinwand zeigen.
Und er hatte geschwind ein Lied für Paris komponiert. Gut, er hatte das
Stück eigentlich für den italienischen Sänger Zucchero geschrieben, aber
mit ein paar Änderungen des Textes hatte er es auf Paris getrimmt. „Jeder
hat eine Stadt der Freiheit, und meine ist Paris“, sang Bono. „Jedes Mal,
wenn ich mich in den alten Straßen verliere, finde ich mich selbst. Du bist
frei, Baby, Baby, frei, jetzt und immerdar. Es ist die Weihnachtszeit, du
kannst entscheiden, zu vergessen oder dich zu erinnern.“
Besser ist es, ihn zu vergessen, aber das lässt Bono nicht zu. „Ich bin
nicht gekommen, um dich zu bekämpfen“, geht das Lied weiter, „ich bin diese
Straßen der Liebe und des Stolzes herabgegangen, um mich zu ergeben.“ Und
das Publikum, um sich zu übergeben.
Das Konzert sollte die Wunden der Stadt heilen, sagte Bono bescheiden. Für
die Zugabe wickelte er sich in die Trikolore ein und sang Jacques Brels „Ne
me quitte pas“. Zuvor hatten Bono und Gitarrist David Evans CNN ein
Interview gegeben, in dem sie die Anschläge von Paris allen Ernstes auf
sich selbst bezogen. „Es sieht so aus, als ob die Kultur das Angriffsziel
gewesen sei“, sagten sie und meinten natürlich vor allem U2. Sie haben sich
danach heroisch für die Eagles of Death Metal eingesetzt. „Wir wollten
ihnen ein Flugzeug besorgen, um sie schnell wegzuschaffen“, sagte Bono.
„Aber es stellte sich heraus, dass wir ihnen am besten helfen konnten,
indem wir ihnen Handys schenkten. Sie hatten ihre im Bataclan vergessen.“
Sollte eines Tages die Welt untergehen, würde Bono versuchen, die Nachricht
aus den Schlagzeilen zu verdrängen. Er würde beherzt ein Lied über das
Ereignis schreiben.
14 Dec 2015
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
## TAGS
U2
Bono
Paris
Katholische Kirche
Rockmusik
Weihnachten
Großbritannien
Müll
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