# taz.de -- Rentenreform in Griechenland: Aufruf zum Generalstreik | |
> Die Gewerkschaften wollen die geplante Rentenreform nicht hinnehmen. Die | |
> Folgen für Arbeitnehmer sind teils dramatisch. | |
Bild: Vielen griechischen Freiberuflern bleibt nur wenig von ihrem Einkommen zu… | |
ATHEN taz | Am Samstag fühlten sich viele Griechen wie in alte Krisenzeiten | |
versetzt: Trotz widriger Wetterbedingungen gingen in Athen über 5.000 | |
Menschen auf die Straße, um gegen die anstehende Rentenreform zu | |
protestieren. Sie befürchten Rentenkürzungen und vernichtend hohe | |
Sozialbeiträge. | |
Die größten griechischen Gewerkschaften hatten zum Aufstand aufgerufen. Und | |
es war nur eine Vorwarnung: Am 4. Februar kommt es zum Generalstreik; | |
Anwälte und Freiberufler führen eigene Protestaktionen durch; Landwirte | |
verkünden Straßenblockaden ab kommendem Mittwoch. | |
„Wir wollen kämpfen, um diese Reform zu verhindern. Für uns ist sie eher | |
eine Gegenreform, denn sie baut den Sozialschutz ab und verleitet zur | |
Schwarzarbeit“, klagte Nikos Kioutsoukis, Generalsekretär der größten | |
griechischen Gewerkschaft GSEE am Samstag. Auch Beamtenvertreter Themis | |
Balasopoulos erklärte, er würde alles tun, damit das umstrittene | |
Reformvorhaben nicht ins Parlament eingebracht wird. | |
Derzeit erwirtschaften vier Arbeitnehmer die Rente für drei Ruheständler in | |
Hellas. Das kann nicht ewig funktionieren. Tiefgreifende Reformen haben | |
alle Vorgängerregierungen verschlafen oder aussitzen wollen, nun bekommt | |
Linkspremier Alexis Tsipras die heiße Kartoffel. „Wenn wir keine Reformen | |
durchführen, wären unsere Rentenkassen in fünf Jahren nicht mehr in der | |
Lage, Pensionen zu zahlen“, mahnte Tsipras Anfang Januar. | |
Details werden immer noch mit den internationalen Kreditgebern verhandelt, | |
doch so viel scheint bereits festzustehen: Künftig bekommt jeder Grieche | |
schon nach 15 Beitragsjahren eine staatlich garantierte Grundrente von 384 | |
Euro; dazu käme eine weitere Teilrente, die von der Höhe der während des | |
Versicherungslebens eingezahlten Beiträge abhängig ist, aber in keinem Fall | |
die Höhe von 2.300 Euro übersteigen darf. | |
Da seit 2010 die Renten in Griechenland krisenbedingt bis zu 40 Prozent | |
gekürzt wurden, will die Athener Linksregierung weitere Einschnitte für | |
Ruheständler auf jeden Fall verhindern. Dafür drohen künftigen Pensionären | |
faktische Rentenkürzungen von bis zu 30 Prozent. Zudem sollen die | |
Sozialbeiträge für Selbständige und Landwirte drastisch steigen. | |
## Auch Freiberufler sind betroffen | |
Um nur ein Beispiel zu nennen: Ein Freiberufler mit einem Jahreseinkommen | |
von 40.000, der vor 1993 in den Arbeitsmarkt eingetreten ist, soll künftig | |
10.996 Euro an Sozialbeiträgen zahlen, statt bisher 5.163 Euro. Das macht | |
eine noch nie dagewesene Erhöhung von 113 Prozent. „Wenn diese Rentenreform | |
und weitere Sparmaßnahmen tatsächlich durchkommen, müsste ich von einem | |
Honorar in Höhe von 100 Euro fast 80 Euro direkt an den Staat abführen“ | |
klagt Stathis Analytis, Berater des Athener Anwaltsvereins, im TV-Sender | |
Star. | |
Arbeitsminister Jorgos Katrougalos, selbst Rechtsanwalt in Athen, versucht | |
zu beschwichtigen: Natürlich könne es nicht sein, dass einem | |
Selbstständigen nur 20 oder 30 Prozent Netto vom Brutto bleiben, erklärte | |
der Minister im TV-Interview und versprach, eine Lösung zu finden. Wie | |
diese Lösung aussieht, steht noch in den Sternen. | |
Für Linkspremier Tsipras geht es um viel mehr als um die Rentabilität der | |
gesetzlichen Rentenversicherung: Eine Rentenreform ist die derzeit | |
politisch kniffligste Vorbedingung für die „Evaluierung“ der griechischen | |
Wirtschaft durch die Geldgeber, die wiederum als Voraussetzung für eine | |
umfassende Schuldenregelung gilt – im Idealfall sogar für einen Teilerlass | |
der Schulden. | |
Einen kleinen Lichtblick gibt es schon. Die Medien meldeten jüngst, dass | |
die seit Juni 2015 geltenden Kapitalverkehrskontrollen aufgehoben werden | |
sollen. | |
17 Jan 2016 | |
## AUTOREN | |
Jannis Papadimitriou | |
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