# taz.de -- RAW Gelände: Soziokulturelle DNA gefährdet | |
> Hatte der Teileigentümer Kurth-Gruppe öffentliche Werkstattgespräche | |
> angekündigt, stellen die Akteure dieses Dialogverfahren infrage. | |
Bild: Das RAW-Gelände ist – trotz vorübergehender Zaunabsperrungen auf dem … | |
Kurz sah es nach Frieden aus auf dem RAW-Gelände in Friedrichshain, doch | |
damit ist es schon wieder vorbei. Der Projektverbund „Five-O“, zu dem unter | |
anderem eine Skate-, eine Kletterhalle und der Club „Cassiopeia“ gehören, | |
stellt das geplante Beteiligungsverfahren der Kurth-Gruppe öffentlich | |
infrage. | |
Trotz achtmonatiger Gespräche mit dem Teileigentümer sei noch immer kein | |
Mietvertrag für die Zeit nach dem Jahr 2020 zustande gekommen. „Unter | |
diesen Bedingungen an einer ‚Werkstatt Perspektive 2025“‘teilzunehmen, | |
ergibt für uns keinen Sinn“, sagt Tobias Freitag, Geschäftsführer der | |
„Five-O“ GmbH. Er sieht die soziokulturelle Nutzung auf dem RAW-Gelände in | |
Gefahr und regt daher einen Runden Tisch an. | |
Im April 2014 hatte das Göttinger Immobilien-Unternehmen den etwa 52.000 | |
Quadratmeter großen Westteil des Areals für 25 Millionen Euro erworben. | |
Darauf befinden sich derzeit kommerzielle Einrichtungen wie der Club | |
„Astra“, aber auch die soziokulturellen Angebote des ehemaligen „RAW Temp… | |
e. V.“ – darunter Proberäume und ein Kinderzirkus – sowie der | |
Projektverbund „Five-O“. Die Kurth-Gruppe hatte von Beginn an beteuert, die | |
„DNA des Geländes“ erhalten zu wollen. | |
Zum Ende des vergangenen Jahres stellte das Unternehmen den Plan für ein | |
Beteiligungsverfahren vor. Demzufolge sollen Ende Januar Werkstattgespräche | |
mit allen Interessengruppen den Dialog einläuten und Konzepte entwickeln. | |
Ende 2017 soll schließlich der Entwurf für einen Bebauungsplan stehen. | |
Nutzer und Bezirk hatten sich bis zuletzt positiv über diese Pläne | |
geäußert. | |
## Soziokulturelle Nutzung in Gefahr | |
Tobias Freitag ist der Erste, der seinen Unmut offen ausspricht. Er sieht | |
die bestehende soziokulturelle Nutzung auf dem RAW-Gelände in Gefahr. Seine | |
„Five-O“ GmbH bewirtschaftet seit 2004 ein 6.380 Quadratmeter großes | |
Grundstück zwischen einer Lagerhalle und der ehemaligen „Neuen Heimat“. | |
Sein Mietvertrag endet im Jahr 2020. Seit mehreren Monaten verhandelt er | |
deshalb mit der Kurth-Gruppe über einen neuen Vertrag – ohne Ergebnis. Er | |
fühlt sich von dem Unternehmen hingehalten. | |
Freitag vermutet den Grund für dieses Verhalten im hohen Kaufpreis, den die | |
Kurth-Gruppe berappen musste. Zum Vergleich: 2007 wurde das gesamte | |
RAW-Gelände für rund vier Millionen Euro veräußert, nur acht Jahre später | |
bezahlte die Kurth-Gruppe für einen Teil des Areals etwa das Sechsfache. | |
„Der Verwertungsdruck wird nun wohl an die Nutzer weitergegeben“, glaubt | |
Freitag. | |
Inmitten der Feiermeile RAW gelten die Angebote von „Five-O“ und des | |
ehemaligen „RAW Tempel e. V.“ als kieznah. Und so drängt auch die | |
Bezirkspolitik darauf, sie zu bewahren. Das geht aus einem Beschluss des | |
Stadtentwicklungsausschusses vom 16. Dezember hervor, der die Sicherung der | |
Sport- und Kulturangebote fordert. „Etwaige Planungen, die unweigerlich zu | |
Konflikten mit diesen Nutzungen führen, haben zu unterbleiben“, heißt es | |
darin. | |
Der Fall „Five-O“ legt nahe, dass Konflikte unter den gegebenen Bedingungen | |
unausweichlich sind. „Wir beraten zurzeit alternative Möglichkeiten zu | |
konventionellen Gewerbemietverträgen. Letztere sind für die Bewahrung der | |
soziokulturellen Nutzung immer zu kurzfristig“, sagt Susanne Hellmuth | |
(Grüne), die im Stadtentwicklungsausschuss sitzt. Sie unterstütze die von | |
„Five-O“ angeregte Idee eines Runden Tisches, der vor dem eigentlichen | |
Dialogverfahren stattfinden könnte. | |
## Geduld mit dem Geschäftsführer | |
Ob der eine Chance hat, ist fraglich. „Für mich ist das Dialogverfahren ein | |
Runder Tisch“, sagt Lauritz Kurth der taz. Die öffentliche Kritik | |
verwundert den Geschäftsführer der Kurth-Gruppe. Er fordert mehr Geduld. | |
Das Unternehmen könne sich nicht durch zu frühe langfristige Zusagen | |
Handlungsspielräume in anliegenden Abschnitten nehmen lassen. | |
Unklar sei beispielsweise, was auf der großen Parkfläche daneben entstehen | |
solle. Prinzipiell sei man offen für Ideen, die soziokulturellen Bereiche | |
zu sichern: „Die sind für uns gesetzt – auch die Skatehalle“, so Kurth. | |
„Five-O“-Gründer Tobias Freitag wird das wohl erst glauben, wenn er den | |
Mietvertrag wirklich vor sich liegen hat. | |
11 Jan 2016 | |
## AUTOREN | |
Matthias Bolsinger | |
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