# taz.de -- Kommentar Berliner Lageso: Die SPD in Geiselhaft | |
> Das Lageso ist Symbol des Versagens deutscher Flüchtlingspolitik. | |
> Sozialsenator Czaja und Bürgermeister Müller machen dabei keine gute | |
> Figur. | |
Bild: Frieren vorm Berliner Lageso. | |
Jeder. Einzelne. Tag. Jeder dieser Tage ist einer zu viel. Das war im | |
Sommer so, als die Flüchtlinge vor dem Berliner Lageso in der Hitze darben | |
mussten. Und das ist im Winter immer noch so. Nur dass sie jetzt zu | |
Hunderten in der Eiseskälte bibbern. Nachts. In winddurchlässigen, | |
dünnwandigen Zelten. Längst ist das Lageso zur Marke geworden, weit über | |
die Stadt hinaus, ein, nein das Symbol für Versagen in der deutschen | |
Flüchtlingspolitik. Und die politische Verantwortung dafür trägt Berlins | |
Sozialsenator Mario Czaja (CDU). | |
Das weiß jeder. Natürlich auch Michael Müller (SPD), der Regierende | |
Bürgermeister von Berlin. Warum also greift er nicht durch? Müller ist, | |
anders als sein gern großspurig auftretender Amtsvorgänger Klaus Wowereit, | |
ein Pragmatiker. Das ist seine Klasse. Zweifelsohne. Er sagt, was er denkt. | |
Er neigt nicht zu vorschnellem Handeln. Er wägt ab. | |
Das ist auch nötig, denn der Preis für die längst überfällige Entlassung | |
des so offensichtlich überforderten Sozialsenators ist hoch. Den Preis hat | |
Müllers Koalitionspartner festgelegt: Wenn Czaja fliegt, dann verlässt die | |
CDU die Große Koalition. Man muss das nicht Geiselhaft nennen, aber es | |
läuft auf dasselbe hinaus. | |
Denn das Scheitern des Berliner Senats ein halbes Jahr vor der anstehenden | |
Neuwahl, das würde die Landesregierung nur noch handlungsunfähiger machen, | |
als sie eh schon ist. Müller würde zudem einen möglichen Koalitionspartner | |
für die Zeit nach der Wahl verlieren. Und, und das wäre das Schlimmste, die | |
SPD müsste zeigen, dass sie besser mit dem selbst angerichteten Chaos | |
zurecht käme, als der kleine Koalitionspartner. | |
Also wartet Müller ab. Noch einen Tag. Noch eine Woche. Noch einen Monat. | |
Dabei zählt jeder einzelne Tag. Für die Flüchtlinge. Und für Berlins | |
Regierenden Bürgermeister, der nicht sieht, dass die Zeit zum Handeln | |
gekommen ist, auch wenn der Preis hoch ist. So wächst seine Verantwortung | |
für das Drama. An jedem. Einzelnen. Tag. | |
4 Jan 2016 | |
## AUTOREN | |
Gereon Asmuth | |
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