Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ämterchaos in Berlin: Ein Stern geht aus
> Der Rücktritt von Lageso-Chef Allert bringt auch Sozialsenator Mario
> Czaja (CDU) ins Wanken. Mit dem Vorwurf, er habe Parteikollegen zuliebe
> Flüchtlingsheime verhindert, befasst sich am Montag der Sozialausschuss.
Bild: Wie lange hält er sich noch? Sozialsenator Mario Czaja (CDU).
Als Michael Müller (SPD) Anfang Dezember Sozialsenator Mario Czaja (CDU)
aufforderte, Lageso-Chef Franz Allert zu entlassen: An wessen Stuhl hat der
Regierende da wirklich gesägt? An dem von Allert oder dem des
Sozialsenators? Beide sind so eng miteinander verbandelt, dass es ein
Wunder wäre, wenn auf Allerts Rücktritt nicht auch Czajas folgen würde.
Umgekehrt: Bliebe Czaja im Amt, könnte er Allert zurückholen – ins Lageso,
aber ohne Zuständigkeit für Flüchtlinge. Von solchen Plänen hat die grüne
Abgeordnete Canan Bayram gehört. Das Lageso ist auch für die
Krankenhausaufsicht und andere Gesundheitsthemen zuständig. Da gilt Allert
als Fachmann. Bayram: „Ich habe Behördenmitarbeiter weinen sehen, als
Allert gehen musste. Er war in der Behörde sehr beliebt.“
Als Mario Czaja 2011 mit 36 Jahren das jüngste Senatsmitglied wurde, war
der 20 Jahre ältere Allert längst im Amt. Czaja hat den Lageso-Chef, der
SPD-Mann ist, von Rot-Rot geerbt und der junge Senator wusste, was er an
dem erfahrene Verwaltungsfuchs hatte: Der verstand sein Handwerk.
Czaja ist in einer Zeit Senator, in der Flüchtlingsunterkünfte in großer
Zahl benötigt werden. Von 2011 bis 2013 machte der Politiker, der gerade
vom tip zum peinlichsten Berliner gekürt wurde, bei der Akquise noch eine
gute Figur. Er legte sich mit Bezirkspolitikern seiner eigenen Partei an,
die von Czaja favorisierte Standorte attackierten, etwa den am Askanierring
in Spandau und andere in Mitte und Reinickendorf. Das brachte Czaja Lob von
der Opposition. Glaubt man allerdings jüngsten Berichten der B.Z., hat er
zeitgleich andere Unterkünfte wegen Interventionen von CDU-Politikern
verhindert. Die wiederum bestreiten die Vorwürfe. Bangte Czaja um seine
Macht in der eigenen Partei?
Schon 2013 behaupteten Kreise im Lageso vertraulich gegenüber der taz, dass
Flüchtlingsheime nicht realisiert wurden, weil Czaja vor örtlichen
CDU-Größen eingeknickt sei. Genau die Beispiele, die jetzt die B.Z.
veröffentlichte, waren damals der taz zugespielt worden: Die
CDU-Bundestagsabgeordneten Jan-Marco Luczak und Kai Wegner sollen mithilfe
Czajas Unterkünfte in ihren Wahlkreisen Tempelhof-Schöneberg und Spandau
abgewehrt haben. Luczak trumpfte damit im Bundestagswahlkampf sogar
öffentlich auf. Doch anders als jetzt die B.Z. bekam die taz 2013 keine
Mails des Lageso zugespielt. Dort war damals offenbar noch niemand an einem
handfesten Krach mit Czaja interessiert. Weil die Datenbasis damit zu dünn
war, um die These zu belegen, verzichtete die taz auf die Veröffentlichung.
Inzwischen hat sich viel verändert. 2014 deckten Opposition und Medien auf,
dass das Lageso viele Aufträge für das Betreiben von Flüchtlingsheimen
nicht ausgeschrieben hatte und dabei immer wieder bestimmten Firmen den
Zuschlag gab. Der Verdacht der Vetternwirtschaft kam auf, weil der
Geschäftsführer einer dieser Firmen der Patensohn von Franz Allert ist. Die
freihändige Vergabe war und ist gängige Praxis, weil neue Unterkünfte
schnell zur Verfügung stehen müssen. Ausschreibungen dauern. Doch die
„Patensohnaffäre“ führte dazu, dass sich kaum noch jemand traute,
Flüchtlingsunterkünfte zu betreiben. Plätze wurden knapp. Das heutige Chaos
nahm seinen Lauf.
„Franz Allert ist zwar ein guter Verwaltungsfachmann. Aber zu Asyl hat er
ebenso wie Czaja zu wenig Fachwissen“, sagt die Grüne Bayram. Beide hätten
die Vergabe von Flüchtlingsheimen rechtssicher organisieren und im Lageso
Strukturen ändern müssen. „Dort fehlt nicht nur Personal. Es fehlen
Fachleute für Asylrecht. Die Mitarbeiter sind nicht modern miteinander
vernetzt. Das führt dazu, dass Flüchtlinge nicht abgefertigt werden können,
wenn ein bestimmter Mitarbeiter frei hat oder die Papierakten noch in der
alten Abteilung hängen.“
Wurden die Unterlagen der B.Z. vom Lageso zugespielt, um Czaja zu stürzen?
Nach der Devise: Wenn der Sozialsenator Allert nicht halten kann, sagen
wir, was wir wissen, und Czaja muss auch den Hut nehmen? Bayram hält das
für möglich. Aber sie schließt auch ein anderes Szenario nicht aus: „Das
Leck könnte auch in der CDU sein, weil einflussreiche Konservative Czaja
nicht mehr haben wollen.“ Am heutigen Montag befasst sich der
Sozialauschuss des Abgeordnetenhauses mit den Vorwürfen gegen Czaja. Es
wird einsam um den einst hoffnungsvollen Nachwuchspolitiker.
3 Jan 2016
## TAGS
Berliner Bezirke
Schwerpunkt Flucht
Lageso
## ARTIKEL ZUM THEMA
Berliner Schulgebäude: Von Hamburg lernen
Grüne und CDU wollen den Bezirken die Verantwortung für Schulgebäude
entziehen. Konzeptpapier folgt nächste Woche.
Kommentar Berliner Lageso: Die SPD in Geiselhaft
Das Lageso ist Symbol des Versagens deutscher Flüchtlingspolitik.
Sozialsenator Czaja und Bürgermeister Müller machen dabei keine gute Figur.
Flüchtlinge in Berlin: Hilfe weit unter null
Vor dem berüchtigten Lageso warten Hunderte in der Kälte. Heizungen in
Zelten fallen aus. Nur die zuständige Verwaltung will kein Chaos sehen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.