# taz.de -- Großbritannien und die EU: Und er fordert und fordert | |
> David Cameron pokert hoch im Streit über eine Reform der EU. Brüssel ist | |
> zu diversen Zugeständnissen bereit. Trotzdem hakt es. Warum? | |
Bild: Seine Themen: Sozialleistungen für EU-Migranten, Wettbewerb und die imme… | |
Dublin taz | Der Premierminister sei bereit, darüber zu reden und eine | |
Lösung zu finden, heißt es in einer Presseerklärung der britischen | |
Regierung. Es geht um die Verhandlungen über eine Reform der Europäischen | |
Union, die David Cameron als Voraussetzung für Großbritanniens Verbleib in | |
der EU bezeichnet hat. Das Referendum darüber soll spätestens Ende 2017 | |
stattfinden, vermutlich jedoch bereits im kommenden Jahr. | |
Einer der Kernpunkte war die Forderung, dass Migranten aus der EU vier | |
Jahre lang kein Kindergeld oder andere Sozialleistungen in Großbritannien | |
erhalten. Man müsse gegen „den Missbrauch des freien Aufenthaltsrechts | |
vorgehen und die Migration aus anderen EU-Ländern kontrollieren“, wie es im | |
Tory-Wahlprogramm gestanden habe, hatte Cameron gesagt. Das ist auf | |
erheblichen Widerstand gestoßen, denn es widerspricht einem Grundprinzip | |
der Gemeinschaft. Die anderen EU-Länder müssten praktisch eine Änderung des | |
EU-Vertrags von Lissabon ratifizieren, die ihre eigene Bevölkerung | |
diskriminiert. | |
Deshalb scheint der Premierminister zurückzurudern. Wenn andere Wege | |
gefunden werden, um die Zuwanderung nach Großbritannien zu beschränken, | |
könne man über den Zugang zu Sozialleistungen für EU-Migranten sprechen, | |
sagt er nun. Sein Sprecher behauptet jedoch, dass Cameron keineswegs von | |
seiner Forderung abgerückt sei. „Das ist einfach nicht wahr”, sagte er. | |
Die Forderung war an potentielle Wähler der EU-feindlichen United Kingdom | |
Independence Party (Ukip) gerichtet, die Migranten für ihren sinkenden | |
Lebensstandard verantwortlich machen. In Wirklichkeit kassieren Einwanderer | |
aus der EU deutlich weniger Sozialleistungen als im Landesdurchschnitt. | |
Aber die Boulevardpresse hat sich auf das Thema eingeschossen, und das wagt | |
Cameron nicht zu ignorieren. | |
## Reformpaket erst im Februar | |
Er hat eingeräumt, dass ein Deal mit den anderen Regierungschefs in dieser | |
Woche unwahrscheinlich sei. Er rechne mit einem Reformpaket erst im | |
Februar. Dabei schien eine Einigung schon fast unter Dach und Fach. Cameron | |
verlangt eine Garantie, dass Länder ohne Euro-Währung nicht gegenüber | |
Euro-Ländern benachteiligt werden. Die EU müsse sich zudem klar dazu | |
bekennen, dass der Wettbewerb zur „DNS der gesamten Union“ gehöre. Außerd… | |
forderte er, dass Großbritannien von der „immer engeren Union der | |
europäischen Völker“ ausgenommen werde. Diese drei Punkte wollte man ihm | |
durchaus zugestehen, hieß es in Brüssel. | |
Und selbst bei der Beschränkung von Sozialleistungen für EU-Migranten | |
schien man Cameron entgegenzukommen: Die anderen Regierungschefs waren | |
offenbar bereit zu akzeptieren, dass kein Kindergeld für Kinder gezahlt | |
werden müsse, die nicht in Großbritannien leben. Marianne Thyssen, | |
EU-Kommissarin für Arbeit und Soziales, soll darüber hinaus einen Vorschlag | |
ausgearbeitet haben, der vorsieht, dass EU-Migranten erst nach sechs | |
Monaten Sozialleistungen beanspruchen können. Ursprünglich sollte das | |
bereits in dieser Woche vorgelegt werden, aber nun will man bis Februar | |
warten, um Cameron die Gelegenheit für Nachverhandlungen zu geben. | |
Robert Oxley, ein Sprecher für die parteiübergreifende Gruppe „Vote Leave�… | |
die für den britischen EU-Austritt ist, sagte: „Camerons Verhandlungen sind | |
triviale Forderungen, die – selbst wenn er sie durchsetzen kann – nicht | |
ansatzweise seine Versprechen für fundamentale Veränderungen erfüllen.” Die | |
einzige Möglichkeit, die Kontrolle zurückzugewinnen, sei der EU-Austritt. | |
16 Dec 2015 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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